BLAULICHT
Psychisch kranker Angeklagter vermutet Hexerei hinter seinen Taten
Waldbröl – 36-Jähriger stand wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung vor Gericht – Freispruch nach Gutachten.
Von Lars Weber
Die Handschellen sollten besser dranbleiben, rieten die Justizwachtmeister der Richterin Laura Lax, als sie am Mittwochmorgen Danis U. (Anm.d.Red.: Name geändert) in den Sitzungssaal führten. So ganz sicher, was während des Prozesses passieren könnte, waren sie sich offenbar nicht. Der 36-jährige Angeklagte machte einen etwas ungepflegten und wirren Eindruck, fing sofort das Diskutieren mit seinem gesetzlichen Betreuer im Zuschauerraum an und warf anderen „kriminelle Machenschaften“ vor. „Ich freue mich auf die Gegenklage“, sagte er immer wieder. Vor Gericht erscheinen musste Danis U., weil ihm Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung vorgeworfen wurden. Wenig überraschend nach dem Auftritt in den ersten Minuten im Waldbröler Amtsgericht ist die Schuldfähigkeit des Mannes der Knackpunkt in dem Prozess gewesen.
Bevor die Verhandlung überhaupt aufgenommen werden konnte, sollte der Gutachter im Gespräch mit dem 36-Jährigen klären, ob dieser überhaupt verhandlungsfähig ist. Der Experte gab zwar grünes Licht für die Aufnahme der Verhandlung, es sei jedoch „an der Grenze“.
Die Staatsanwaltschaft warf Danis U. vor, Anfang Oktober vor einem Jahr einen BMW in einer Morsbacher Ortschaft mit einer Axt malträtiert zu haben. Dabei seien sowohl Scheiben zu Bruch gegangen als auch die Verkleidung des Fahrzeugs beschädigt worden. Rund drei Wochen später soll er ebenfalls in Morsbach seinen Cousin auf einer Treppe geschubst haben, sodass sich dieser am Finger verletzte. Anschließend habe er aggressiv mit Flaschen um sich geworfen und einen Zeugen auch mit einer zerbrochenen Flasche bedroht. Dann habe er erneut auf einen BMW eingeschlagen. Beide Autos gehörten Cousins des Angeklagten. Außerdem soll der 36-Jährige des Nachts in einem Hofladen Eier kaputtgemacht und die Überwachungskamera mitgenommen haben.
Die Beschädigung der Autos leugnete der Angeklagte gar nicht. Aber aus freien Stücken habe er nicht gehandelt. „Ich werde von denen manipuliert, die haben selbst Probleme untereinander“, sagte er. Mit „denen“ meinte er seine Familie, vornehmlich wohl seinen Onkel und seine Cousins. Der Onkel sei es auch gewesen, der ihn „mental-psychisch manipuliert“ habe. Wie das möglich gewesen sein soll, wollte Richterin Lax wissen. „Durch Hexerei“, wiederholte Danis U. mehrfach im Laufe der Befragung. Zwar habe er auch Alkohol getrunken, aber hinter der Manipulation müsse anderes stecken.
Der Streit mit seinem Cousin auf der Treppe sei derweil „kein richtiger Kampf“ gewesen. „Wir haben miteinander geringt, wie man das in der Familie manchmal macht.“ Mit einer kaputter Glasflasche habe er auch niemanden bedroht, meinte er weiter. Mit dem Bauern vom Hofladen hätte er ebenso keine Probleme – „aber mein Vater“.
Über das Gutachten über den geistigen Zustand des Angeklagten wurde auf Antrag des Rechtsanwalts unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert. Nach 20 Minuten konnte der Prozess anschließend mit den Plädoyers schon auf die Zielgerade einbiegen, obwohl das Vorzimmer voller Zeugen war. Laut des Fachmanns leidet der 36-Jährige unter einer krankhaften seelischen Störung, eine Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit fehlten.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung beantragten daraufhin beide einen Freispruch. Aufgrund der Diagnosen sei es irrelevant, welche Taten er begangen habe. Richterin Lax folgte der Einschätzung. Der Angeklagte könne seine Welt und die Realität nicht mehr voneinander unterscheiden.
Trotz des Freispruchs blieben die Handschellen noch kurz dran und wurden erst im Nebenzimmer entfernt, während im Saal die Zeugen – hauptsächlich Mitglieder seiner Familie - noch entlassen wurden. Ein Aufeinandertreffen und eine mögliche Eskalation sollte so verhindert werden. Wie Danis U. nun weitergeholfen wird, war nicht Thema der (öffentlichen) Verhandlung.
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