BLAULICHT

Rehkitze totgemäht: 54-Jähriger zu Geldstrafe verurteilt

pn; 11.11.2023, 08:00 Uhr
Symbolfoto: Erika Fletcher auf Unsplash
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Rehkitze totgemäht: 54-Jähriger zu Geldstrafe verurteilt

pn; 11.11.2023, 08:00 Uhr
Nümbrecht - Jäger hatten die verendeten Tiere nach der Mahd gefunden - 54-Jähriger war im Vorfeld vom Jagdpächter telefonisch gewarnt worden, dass sich noch Kitze auf der Wiese befinden.

Von Peter Notbohm

 

Besonders in den ersten Lebenstagen sind Rehkitze vollkommen hilflos. Gefahr lauert aber nicht nur von Raubtieren, sondern auch durch den Menschen. Häufig werden sie Opfer von Mähfahrzeugen. Da helfen auch Ehrenamtler und Drohnen, die vor der Mahd auf die Suche gehen, nicht immer. Ricken verstecken ihre Jungtiere bevorzugt im hohen Gras vor ihren natürlichen Feinden – das kann aber trotzdem zur Todesfalle werden. In Nümbrecht kamen zwei Kitze im Juli 2022 blutig ums Leben: Sie wurden durch die gewaltigen Messer eines Mähdreschers (9 Meter Mähwerk) brutal zerstückelt, als ein Landwirt eine 25 Hektar große Wiese in Nümbrecht gemäht hatte. Das Areal war damals nur unzureichend kontrolliert worden. Gefunden wurden die Kadaver damals von zwei Jägern, nachdem die Ricke kein Fluchtverhalten zeigte.

 

Vor Gericht verantworten musste sich deshalb nun aber nicht der Landwirt, der die Arbeiten durchgeführt hatte, sondern Stefan T. (Anm.d.Red.: Name geändert), ein 54-jähriger Mann aus Ruppichteroth, dem die Staatsanwaltschaft vorwarf, die Mäharbeiten in Auftrag gegeben und auch nicht gestoppt zu haben, nachdem er vom Jagdpächter darüber informiert worden sei, dass sich auf der Wiese noch Kitze befinden. Der Fall war schon einmal vor Gericht gelandet: Bei der ersten Verhandlung hatte der Angeklagte noch auf der Zeugenbank gesessen, als gegen den Eigentümer der Wiese verhandelt wurde – das Verfahren war gegen Auflagen eingestellt worden.

 

Stefan T. erschien ohne Anwalt vor dem Waldbröler Amtsgericht und verteidigte sich selbst. Er sah sich keiner Schuld bewusst. Mitte Juli sei die Setzzeit längst abgelaufen gewesen, die Wiese werde aufgrund ihrer enormen Größe zudem immer als letzte gemäht und in den vergangenen zehn Jahren sei auch nie etwas passiert. Den Anruf des Jagdpächters bestätigte er. Diesen habe er zwischen Tür und Angel an dem Wochenende erhalten, an dem auf dem Hof, auf dem er angestellt ist, ein großes Event stattfand. Dessen Organisation und die sonstigen anfallenden Arbeiten beschrieb er als extrem zeitintensiv: „Ich hatte Stress bis zum Anschlag. Da war für andere Dinge keine Zeit, Punkt!“

 

Zudem ergänzte er, dass er für die Mahd der Wiese keine Verantwortung getragen habe. Vielmehr warf er dem Jagdpächter vor, dass dieser nicht den Eigentümer direkt kontaktiert habe. Zum Jäger habe er bislang eigentlich einen guten Kontakt gepflegt, auch weil er mit seinen Kindern bekannt sei, gleichzeitig deutete er aber auch einen „gewissen Neidfaktor“ an, da der Eigentümer des Hofes enorm viel Land besitze. Angezweifelt wurde von Stefan T. zudem, ob die Tiere wirklich durch den Mähdrescher des Landwirts getötet wurden. „Dann wären die getöteten Tiere durch den sehr aktiven Fuchsbau in Nähe und die Raben längst geholt bzw. angefressen worden. Die Kadaver hätten dann ganz anders ausgesehen als auf den Fotos der Polizei.“

 

Der Jagdpächter bekräftigte hingegen in seiner Zeugenaussage, dass er Stefan T. eindringlich gewarnt habe: „Wir hatten erst zwei oder drei Tage vorher auf einer anderen angrenzenden Fläche drei Kitze rausgetragen. Auch die waren noch nicht groß genug, um schon laufen zu können.“ Vom Angeklagten sei er am Handy aber nur mit den Worten „das wird schon gutgehen“ abgewimmelt worden – dabei habe er sehr gestresst gewirkt. Die Vorhalte, die der Angeklagte ihm mehrfach machte, wollte er nicht kommentieren. Wenig zu Hintergründen, wer wen informiert hatte, konnten die beiden Jäger beisteuern. Sie schilderten lediglich, wie sie die beiden toten Kitze, die sie später im Wald vergraben haben, gefunden hatten.

 

Der beauftragte Landwirt sagte hingegen aus, dass er noch nie landwirtschaftliche Aufträge durch den Angeklagten erhalten habe. Auch ein Vorgesetztenverhältnis habe nie bestanden. Von den Kitzen habe er nichts mitbekommen. Das sei aber nicht unüblich: „Wir hatten in diesem Jahr neun Menschen und drei Dohnen auf der Wiese und trotzdem habe ich im Nachhinein noch eins gefunden. Die endgültige Sicherheit wird es nie geben.“ Für seinen Angestellten machte sich der Hofbesitzer stark und zeigte sich verwundert, warum dieser überhaupt von den Jägern kontaktiert worden war: „Schließlich bin ich der Verantwortliche.“ Dem Jagdpächter unterstellte er böswilliges Verhalten: „Sie wussten als einziger, dass dort Kitze liegen und haben nichts getan. Sie hätten jederzeit unseren Fahrer ansprechen können und das Ganze stoppen.“

 

Verwundert über die Eskalation zwischen allen Beteiligten, die mehrfach betonten, dass es keine Vorgeschichte gebe, zeigte sich Einzelrichter Kevin Haase. Er verurteilte Stefan T. letztlich zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro und sprach in seiner Begründung von einer „vorbereitet wirkenden“ Aussage des Hofbesitzers, der teilweise ausweichend geantwortet habe. Der Angeklagte hätte sich aus seiner Sicht, die Zeit nehmen müssen, den Landwirt über die Kitze zu informieren. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafte in Höhe von 3.000 Euro gefordert, der Angeklagte hatte auf Freispruch plädiert.

 

„Dieses Urteil wird leider noch lange zwischen ihnen stehen, was unglücklich ist, da sie als Jagdpächter und Landbesitzer noch einige Jahre miteinander auskommen müssen“, so Haase. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht. Der Angeklagte ließ sich die Option auf Rechtsmittel offen, zudem kündigte er an, den Jagdpächter wegen Verletzung der Hegepflicht anzeigen zu wollen.

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