BLAULICHT
Trotz neun Todesopfern: Oberbergs Straßen sind die sichersten in NRW
Oberberg - Beim Blick auf die Unfallzahlen belegt der Oberbergische Kreis in 2024 gleich in zwei Statistiken Platz eins – Trotzdem will die Polizei besonders ihre Motorradkontrollen noch weiter ausbauen.
Von Peter Notbohm
Prävention und Überwachung scheinen auf Oberbergs Straßen zu wirken. In keinem anderen Landkreis in Nordrhein-Westfalen ist die Wahrscheinlichkeit geringer, an einem Verkehrsunfall beteiligt zu sein als im Oberbergischen Kreis. Das sagen zumindest die Zahlen der Verkehrsunfallstatistik für 2024, die von Landrat Jochen Hagt und der Führungsspitze der oberbergischen Polizei am Dienstag vorgestellt wurden.
Und noch in einer weiteren Statistik ist der Oberbergische Kreis ganz weit vorne: Mit Bochum belegt man gemeinsam den ersten Platz bei der Wahrscheinlichkeit bei einem Verkehrsunfall verletzt zu werden (im Vorjahr Platz 11). Grund zur Zufriedenheit? Mitnichten, betont Hagt: Denn trotz der verbesserten Statistiken, „ist jeder Unfall mit schwerwiegenden Folgen einer zu viel“. Unfallopfer, Angehörige oder Hinterbliebene haben oft jahrelang oder sogar ein Leben lang mit den Folgen zu kämpfen.
[Foto: Peter Notbohm ---- Stellten die Unfallstatistik für das vergangene Jahr vor (v.l.n.r.): Andreas Groß (Leiter Führungsstelle Direktion und Verkehr), Landrat Jochen Hagt, Michael Greb (Leiter Direktion Verkehr) und David Clemens (Leiter Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz).]
Und schwere Unfälle gab es auch im Oberbergischen – trotz insgesamt sinkender Zahlen - im vergangenen Jahr wieder einige. In neun Fällen (vier weniger als im Vorjahr) kam jede Hilfe zu spät und Angehörigen musste von den Beamten eine Todesnachricht überbracht werden. Der Landrat spricht von einer bedrückenden Zahl: „Die statistische Zahl ist das eine, dahinter verbergen sich aber jedes Mal menschliche Schicksale.“ Häufig sei es nur Zufall, ob man überlebt oder nicht, gerade bei schweren Motorradunfällen. „Die Schwelle zwischen schweren Verletzungen und dem Tod ist relativ gering.“
In diesem Jahr starb glücklicherweise noch kein Mensch auf Oberbergs Straßen. Was in den Zahlen nicht auftaucht, sind Unfälle wie der tödliche Unfall einer BMW-Fahrerin im vergangenen Juni auf dem Autobahnzubringer bei Pochwerk. Dieser wurde durch die Autobahnpolizei der Polizei Köln bearbeitet und wird in deren Statistiken festgehalten.
Die Gesamtzahl der Unfälle ist von im vergangenen Jahr 8.057 auf 7.417 gesunken. Rechnet man die Bagatellunfälle heraus, sank die Gesamtunfallzahl von 2.260 auf 2.201. Hierbei wurden insgesamt 837 Menschen (-121) verletzt. Besonders hoch ist der Rückgang bei den Zahlen der Schwerverletzten, wie Michael Greb, Leiter der Verkehrsdirektion, erklärt: Von 2022 (267) hat sich diese Zahl innerhalb von zwei Jahren fast halbiert (135). Auch die Zahl der Leichtverletzten ist von 2023 auf 2024 gesunken (752 auf 702).
[Grafik: Polizei --- Nachdem die Zahlen der Verletzten bei Verkehrsunfällen nach der Corona-Pandemie wieder stark stiegen, gehen sie nun wieder zurück.]
Generell sank die Zahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Fußgängern um 13 Prozent (78 auf 68) und mit Beteiligung von Fahrradfahrern um 15 Prozent (76 auf 68). Um 27 Prozent gestiegen (von 58 auf 74) ist dagegen die Zahl der Unfälle mit Beteiligung eines Pedelecs. Die Dunkelziffer dürfte nach Polizeiangaben aber weit höher sein.
Beunruhigend ist aus Sicht der Polizei aber eine andere Statistik: Die Zahl der verunglückten Motorradfahrer ist im Landesvergleich weiterhin erschreckend hoch. 83 Motorradfahrer (+10) sind im vergangenen Jahr auf Oberbergs Straßen verunglückt, vier tödlich. Die sogenannte Verunglücktenhäufigkeitszahl (VHZ) liegt bei 31 (NRW: 17). Bei der Polizei hat man dafür Erklärungen: Der Anteil an Landstraßen, die zum schnellen Fahren verführen, ist hoch und das Oberbergische damit beliebt bei Bikern. Das zeigt auch eine weitere Zahl: 71 Prozent der verunglückten Motorradfahrer stammten nicht aus dem Oberbergischen.
Hier will der Kreis intervenieren, wie David Clemens, Direktionsleiter Gefahrenabwehr/Einsatz, erläutert. Die Kontrollen sollen ausgeweitet werden, auch die Streckensperrungen auf der K 19 und der B 256 sollen noch intensiver kontrolliert werden. Hagt ist vom Erfolg überzeugt: „Die K19 war früher eine Rennstrecke mit illegalen Rennen. Das hat sich deutlich entschärft. Wir werden alles tun, um präventiv zu arbeiten, um solche Unfälle zu vermeiden.“
Bei den Hauptursachen für Unfälle gibt es zumindest einen positiven Trend: Die Zahl der alkoholbedingten Unfälle ist von 78 auf 50 deutlich gesunken. „Trotzdem ist sie weiterhin bedeutsam“, sagt Greb. Was sich seit Jahren nicht ändert: Die meisten Alkoholunfälle passieren freitags und samstags in der Zeit zwischen 18 und 2 Uhr. Es gibt aber keine Uhrzeit, an der nicht mindestens ein alkoholbedingter Unfall im vergangenen Jahr passiert ist. Der durchschnittliche Promillewert: 1,42. Es gibt aber auch die üblichen Ausreißer mit einer 3 vor dem Komma.
[Grafik: Polizei ---- Auch die Gesamtzahl der Unfälle nimmt nach dem Hoch in 2022 wieder ab.]
Zu den weiteren Regelverstößen zählen überhöhte Geschwindigkeit (117 auf 110), fehlender Abstand (65 auf 45), Fehler beim Überholen (20 auf 22), Vorfahrtsfehler (151 auf 183), Fehler beim Abbiegen (116 auf 121), falsches Verhalten gegenüber Fußgängern (34 auf 31) und Drogen (10 auf 5). Das habe allerdings nicht mit dem Cannabisgesetz der Ampelregierung zu tun, sagt die Polizei. Als wahre „Seuche“ bezeichnet Hagt zudem die Ablenkungen durch Handynutzung am Steuer. Prävention betreibt die Polizei besonders an Schulen und Kindergärten, wo man Schüler schon frühzeitig für das Thema Verkehrssicherheit sensibilisieren will. Doch auch Senioren hat man im Blick und einen weiteren Schwerpunkt gesetzt.
Die meisten Unfälle ereigneten sich im vergangenen Jahr in Gummersbach (471), die wenigsten in Morsbach (70). Die Wahrscheinlichkeit in einen Unfall verwickelt zu werden, ist gemessen an der Zahl der Einwohner allerdings in Waldbröl am wahrscheinlichsten, in Reichshof am geringsten. Den Schwerpunkt der Unfallverursacher bilden weiterhin vor allem junge Erwachsene, die nach Polizeiangaben trotz gesunkener Zahlen (- 9 Prozent) weiterhin an überproportional vielen Unfällen beteiligt sind – jeder fünfte Unfall geht auf ihr Konto. Auf Senioren fallen 14 Prozent aller Unfälle, obwohl sie mit 22 Prozent den größten Anteil der Gesamtbevölkerung stellen.
Ein Ärgernis bleibt außerdem das Thema Fahrerflucht. In 1.367 Fällen (+14) entfernte sich ein Unfallbeteiligter vom Unfallort. Die Aufklärungsquote liegt bei 42 Prozent (Platz 14 in NRW). Besser sehen die Zahlen bei Unfällen mit Personenschäden aus. Hier beging in 38 Fällen (-1) ein Unfallbeteiligter Fahrerflucht. Die Aufklärungsquote betrug 68 Prozent (Platz 5 in NRW). Greb: „Die Zahlen sind hier seit Jahren unverändert. Leider schaffen wir es nicht, die Leute zu überzeugen, diese Unfälle zu melden, obwohl sie eine Versicherung haben.“
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