BLAULICHT
Vater soll mehrfach eigenen Sohn missbraucht haben
Hückeswagen/Köln – Vor dem Landgericht Köln muss sich ein 62-Jähriger wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs seines Sohnes verantworten – Taten sollen zwischen 1997 und 2001 vorgefallen sein.
Von Peter Notbohm
Ein Familienvater spielt mit seinem zehnjährigen Sohn am Computer und fängt ihn dabei an zu streicheln und zu kraulen – auch im Genitalbereich. Das Ganze soll sich über Jahre mehrfach wiederholt haben. Auch bei anderen Gelegenheiten: beispielsweise beim gemeinsamen Fernsehen oder beim Kuscheln im Ehebett. Wegen dieser abstoßenden Vorwürfe muss sich seit Montag Christian L. (Anm.d.Red.: Name geändert) vor dem Landgericht Köln verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 62-jährigen Mann aus Remscheid sexuellen Missbrauch in 14 Fällen vor.
Die Taten liegen bereits zwei Jahrzehnte zurück und sollen zwischen 1997 und 2001 in einem Haus in einer Hückeswagener Ortschaft nahe der Bever-Talsperre oder im FKK-Urlaub der Familie passiert sein. Jahrelang soll das inzwischen 37-jährige Opfer die Vorfälle verdrängt haben, sich geschämt und selbst die Schuld gegeben haben. Phasenweise wohl sogar an Selbstmord gedacht haben. Der Kontakt zum Vater wird aber nie abgebrochen, dieser hilft sogar nahezu täglich beim Hausbau seines Sohnes, als dieser selbst eine Familie gründet.
Erst als das mutmaßliche Opfer selbst Vater wird, kehren wohl die Erinnerungen an die eigenen Kindertage zurück. Als er hört, dass seine Nichte mit dem Großvater gemeinsam im Schlafsack liegt, offenbart er sich an Weihnachten 2018 seiner Ehefrau und spricht wenige Tage später auch mit der eigenen Schwester. Sie soll ihm Ähnliches berichtet haben, aber immer geschwiegen haben, weil sie dachte, allein betroffen zu sein. Sie soll von einer „total zerstörten Kindheit“ gesprochen haben. Unter anderem sollen die beiden Kinder von ihren Eltern dazu gezwungen worden sein, ihnen beim Geschlechtsverkehr zuzuhören. Soweit zumindest Auszüge aus dem Gedächtnisprotokoll des mutmaßlichen Opfers, das heute in Auszügen vor Gericht bereits verlesen wurde. Der 37-Jährige, der auch als Nebenkläger in dem Verfahren auftritt, wird erst Ende dieser Woche aussagen.
Christian L. schwieg heute zu den Vorwürfen vor Gericht. Auch zu seiner Person wolle sich der 62-Jährige erst zu einem späteren Zeitpunkt einlassen, erklärte sein Verteidiger Oliver Gaertner. Ausgesagt haben heute dafür die Ehefrau und die Mutter des 37-Jährigen. Der als äußerst erfahren geltende Vorsitzende Richter der 2. Großen Strafkammer Christoph Kaufmann nahm sich viel Zeit für die Aussagen. Die 34-jährige Ehefrau berichtete, dass die Offenbarung der Vorwürfe zu einem völligen Bruch innerhalb der Familie geführt habe. „Bis zum 24. Dezember 2018 hatte ich ein Topverhältnis zu allen.“
Gleichzeitig sprach sie aber auch von einigen Ungereimtheiten, die sie bis dahin aber immer akzeptiert habe. So seien Teile der Familie nicht zur Hochzeit eingeladen worden. Auch hätte sie nie verstanden, warum ihr Mann immer undankbar gewirkt habe und über ihren Schwiegervater mehrfach schlecht geredet habe, obwohl der ihnen das komplette Pflaster vor dem Haus gelegt und auch ein gutes Verhältnis zu seinen Enkeln gehabt habe. „Auch seine Meinung in beruflichen Dingen war meinem Mann immer wichtig.“
Nach der Offenbarung wird die vermeintlich heile Welt der Familie allerdings völlig zerstört, wie das Gedächtnisprotokoll des mutmaßlichen Opfers weiter zeigt: Der Vater soll zunächst alles abgestritten haben, die Mutter auf seiner Seite gestanden haben. Es gibt Streit. Selbst nachdem Christian L. alles im Familienkreis doch noch zugegeben haben soll, soll seine Frau ihrem eigenen Sohn und seiner Ehefrau Vorwürfe gemacht haben: Es sei viel gekuschelt worden, das sei normal in einer offenen Erziehung. Stattdessen soll sie ihre Schwiegertochter gefragt haben, warum man jetzt damit herauskomme, wo es allen doch derzeit gutgehe.
Auch die Großeltern sollen in den Streit hingezogen worden sein. Auch sie sollen sich auf die Seite des mutmaßlichen Täters gestellt haben. Sie sollen den 37-Jährigen enterbt und seiner Frau Diebstahl vorgeworfen haben. Es kommt zum völligen Cut. Im April 2019 geht das mutmaßliche Opfer schließlich zur Polizei. Angesetzt sind für den Prozess sieben Verhandlungstage. Das Urteil wird für den 26. Juni erwartet.
Anonyme und kostenlose Beratungsangebote
Sie haben den Verdacht, dass in Ihrem Umfeld ein Kind misshandelt oder missbraucht wird? Sie haben etwas gesehen, das Ihnen Sorgen bereitet? Dann können Sie sich (anonym) ans „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ wenden: 0800 22 55 530.
Kinder und Jugendliche, die Missbrauch erlebt haben, können sich montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr an die Nummer gegen Kummer 116 111 wenden. Auch eine Online-Beratung ist möglich.
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