BLAULICHT

Versuchter Totschlag: Eine Frage von gekränktem Stolz und verletzter Ehre

Red; 12.03.2024, 17:10 Uhr
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Foto: Oberberg-Aktuell ---- Vier Gummersbacher - hier mit ihren Rechtsanwälten - sind wegen versuchten Totschlags angeklagt.
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Versuchter Totschlag: Eine Frage von gekränktem Stolz und verletzter Ehre

Red; 12.03.2024, 17:10 Uhr
Gummersbach/Köln – Am Landgericht Köln müssen sich vier Gummersbacher (26, 20, 19, 28) wegen versuchten Totschlags verantworten – Die Frage nach der Handynummer einer jungen Frau soll Auslöser einer fast tödlichen Schlägerei gewesen sein.

In der Nacht vom 10. auf den 11. August des vergangenen Jahres sieht Deniz T. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) gegen 2 Uhr am Drive-In-Schalter der Gummersbacher McDonalds-Filiale seine Traumfrau. Der damals 18-Jährige fordert zwei Personen, die an der Eingangstür stehen auf, ihm die Handynummer oder zumindest den Instagram-Accountnamen der Angestellten zu organisieren.

 

Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Gummersbacher nicht einmal im Ansatz geahnt haben, was in den nächsten drei Tagen passieren würde und was nun durch ein Jugendschöffengericht der 4. Großen Strafkammer am Landgericht Köln aufgeklärt werden muss.

 

Dort müssen sich seit dem heutigen Dienstag Deniz T. (19), Levent N. (26), Fatih L. (20) und Cem B. (28) verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Türken und einem Deutschen Nötigung, Freiheitsberaubung und versuchten Totschlag vor. Es geht um eine Messerstecherei auf dem Parkplatz am 'Bernis' im Gummersbacher Stadtteil Bernberg, die sich am Nachmittag des 14. August dort ereignet haben soll. Drei der Männer sitzen deshalb in U-Haft.

 

Das Opfer ist ein 25-jähriger Gummersbacher. Insgesamt fünfmal wurde auf den Afghanen eingestochen, jeweils zweimal in den Rücken und die Oberschenkel sowie einmal ins Gesäß. Dabei wurde auch seine Milz verletzt. Zudem erlitt der Mann durch mehrere Schläge und Tritte Hautunterblutungen am Kopf und Rücken sowie Abschürfungen an den Armen. Er musste damals intensivmedizinisch behandelt werden. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer „abstrakt lebensgefährlichen Behandlung“. Die mutmaßlichen Täter sollen davon ausgegangen sein, dass er an seinen Verletzungen verbluten würde.

 

Die Tatwaffe wurde laut Angaben eines Verteidigers in einem Wald bei Derschlag entsorgt und nie gefunden. Sichergestellt wurden von der Polizei im Zuge der Untersuchungen allerdings drei weitere Messer, ein Teleskopschlagstock sowie ein Paar blutige Schuhe.

 

Dass es in dem Prozess vor allem um gekränkten Stolz und verletzte Ehre gehen wird, durfte die Kammer um den Vorsitzenden Richter Ansgar Meimberg schon am ersten Prozesstag erleben. Nicht nur, dass die Worte immer wieder von den Angeklagten verwendet wurden, in einer Verhandlungspause kam es auch im Zuschauerraum beinahe zu einem Eklat, nachdem zwei der zahlreichen anwesenden Angehörigen unerlaubterweise Fotos gemacht hatten.

 

Nach einer deftigen und lautstarken Ansage des Richters, der extra in den Zuschauerraum gegangen war, blafften ihn die beiden Männer ebenso lautstark an. „Hier geht es um Respekt. Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. Wenn er uns anschreit, schreien wir auch, egal wer das ist“, fauchte einer der Männer, ehe die Situation von Justizbeamten befriedet werden konnte.

 

Ansonsten herrschte in Saal 210 des Landgerichts allerdings eine ruhige Stimmung. Der Richter versuchte eine entspannte und kooperative Atmosphäre zu schaffen. Alle vier Angeklagten machten ausführlich Angaben zu den ihnen vorgeworfenen Taten. Dabei räumte einer von ihnen auch die Messerstiche ein. Ansonsten deckten sich ihre Versionen aber kaum mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Laut einem der Verteidiger sei dies kein Wunder, da sich diese im Laufe des Ermittlungsverfahrens mehrfach geändert habe, was im Zuge der Haftprüfung vom Oberlandesgericht auch gerügt worden war.

 

Alle vier gaben an, dass das 25-jährige Opfer den folgenschweren Streit selbst verursacht habe. Der Gummersbacher sei in der Nacht vom 10. auf den 11. August statt der jungen Frau aus dem McDonalds herausgetreten, habe nur von „Ehre und Stolz“ gesprochen und Deniz T. vorgeworfen, der Frau an die Brust gefasst zu haben. Die Angelegenheit könne man jetzt sofort oder später klären, soll er gesagt haben. Man habe sich auf 3 Uhr geeinigt. Doch statt zwei soll er sich dann vier Männern gegenübergesehen haben.

 

Denn: Deniz T. hatte inzwischen Levent N. hinzugerufen, der mit Cem B., dem älteren Bruder von Deniz T., kam. „Warum gerade sie“, wollte der Richter von dem 26-Jährigen wissen. „Ich rede wahrscheinlich zu viel und versuche Probleme mit Worten zu klären, Meistens kommt das gut an. Mich rufen immer wieder Menschen bei Problemen an, die ich nicht einmal kenne“, sagte der Angeklagte, der deshalb auch schon seine Handynummer gewechselt habe.

 

Zwar zwang man den 25-jährigen Gummersbacher nun wohl mit sanftem Druck auf die Rückbank eines Autos (Levent N.: „Ich wollte im Wagen mit ihm die Angelegenheit in Ruhe klären“), die Situation löste sich aber wohl ebenso schnell auf, nachdem die Schichtleiterin sowie die junge Angestellte der Fastfood-Kette intervenierten.

 

Ausgestanden war die Sache damit aber nicht: Am Wochenende soll sich der 25-Jährige über gemeinsame Bekannte immer wieder gemeldet und auf einer Klärung der Angelegenheit bestanden haben. Diese soll dann am 14. August am 'Bernis' stattgefunden haben. Zunächst habe sich noch freundlich mit, Handschlägen, Umarmungen und Küsschen links und rechts (Levent N.: „Wie man das so macht“) begrüßt und in lockerer Atmosphäre miteinander gesprochen.

 

Dann soll die Stimmung aber schlagartig umgeschlagen sein. Der 25-Jährige, der in Begleitung von zwei Bekannten erschienen sein soll, soll ihnen Videos und ein Sprachmemo vorgespielt haben, in denen Staatsanwälten und Richtern mit Mord gedroht wurde, um zu beweisen, welch gefährliche Personen er kennt. Anschließend soll er Levent N. zur Wiederherstellung der Familienehre zu einem Faustkampf aufgefordert haben, kurz darauf sogar gesagt haben, dass er es auch mit zwei der vier Männer gleichzeitig aufnehmen könne.

 

Nachdem beide Männer etwaige Waffen (explizit genannt wurden ein spitzer Schraubenzieher sowie ein Messer) abgelegt hatten, soll Cem B. dem Gummersbacher unvermittelt ins Gesicht geschlagen haben. Der habe ihn darauf zu Boden gerissen und in MMA-Manier in einen Schwitzkasten genommen haben, sodass der 28-Jährige schnell das Bewusstsein verloren habe. Auch von einem Tritt ins Gesicht durch Fatih L. habe sich der Afghane unbeeindruckt gezeigt, sodass Deniz T. aus Sorge um seinen bewusstlosen Bruder schließlich ein Messer gezückt und mehrfach zugestochen habe.

 

„Aber selbst davon hat er sich nicht beeindrucken lassen und hat zunächst einfach weitergemacht. Es gab laut meinem Mandanten nicht einmal Schmerzensschreie“, erklärte der Anwalt des 19-Jährigen. Alle vier Angeklagten gaben an, dass der 25-Jährige schließlich den Parkplatz mit seinen beiden Begleitern sogar normal gehend verlassen habe. Dabei noch Todesdrohung in Richtung der vier Männer ausgestoßen habe.

 

Das mutmaßliche Opfer wird an einem der nächsten Prozesstage aussagen. Insgesamt sind acht Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird für den 25. April erwartet.

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