BLAULICHT
Vom „besten Kumpel“ zum Täter in einer Nacht?
Waldbröl - Am Amtsgericht muss sich ein 48-Jähriger wegen eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs verantworten – Er soll bei einer Nümbrechterin mitten in der Nacht ins Schlafzimmer eingedrungen sein und sie mehrfach geküsst und begrabscht haben.
Von Lars Weber
Emotional, intim und ein Balanceakt in Feingefühl: So hat sich der Auftakt zum Prozess gegen den 48-jährigen Nümbrechter Rico W. (Anm.d.Red.: Name geändert) gestaltet. Vorgeworfen wird ihm ein sexueller Übergriff gegen eine 52-jährige Frau. Laut Anklageschrift soll er mitten in der Nacht des 31. Oktober 2023 zwischen drei und vier Uhr in ihr Schlafzimmer eingedrungen sein, nachdem er zuvor mutmaßlich durch ein Fenster im Wohnzimmer in die Wohnung eingebrochen war. Der Mann soll die Frau von den Füßen bis zu den Oberschenkeln geküsst und sich auf sie gelegt, begrapscht und mehr gewollt haben. Sie kann ihn an den Schultern wegstoßen. Ihrer Aufforderung zu gehen, sei er schließlich nachgekommen. Mehrere Faktoren gestalten den Fall schwierig. Da ist zum einen die medizinische Vorgeschichte und psychische Konstitution des Opfers, die auch als Nebenklägerin auftritt. Zum anderen ist da die Vorgeschichte der beiden Beteiligten. Denn Rico W. und die 52-Jährige kannten sich gut und waren vor dem Vorfall gute Freunde.
Der Angeklagte wollte zunächst nichts zu den Vorwürfen sagen. Eine spätere Einlassung ist aber nicht ausgeschlossen, so sein Verteidiger. So lag der Fokus an diesem Prozesstag voll auf der 52-Jährigen, die gemeinsam mit ihrer Schwester erschienen war. Letztere durfte ausnahmsweise auch direkt neben dem Opfer Platz nehmen, um sie mit ihrer Anwesenheit zu unterstützen. Wie sehr der ganze Vorgang die Nümbrechterin mitnahm, war ihr anzusehen. Zitternd und mit hängenden Schultern saß sie vor Richter Kevin Haase, ihre Stimme stockte immer wieder. Trotzdem gelang es ihr, einiges zur Tatnacht zu sagen.
Am Abend zuvor sei sie mit dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin auf einer Halloween-Party in der Papiermühle gewesen. Rico W. sei zu dieser Zeit wie ein „bester Kumpel“ gewesen, sagte sie. Chatverläufe, die später von Richter Haase eingeführt wurden, zeigten, dass die beiden sich häufiger schrieben, mal zum Rauchen verabredeten oder auf ein Glas Wein, es wurde miteinander locker geschäkert. Die Tatnacht sollte diese Beziehung verändern. Gegen 1 Uhr nachts habe die Partnerin des Angeklagten sie nach Hause gebracht, sagte die 52-Jährige. Rico W. war noch auf der Party geblieben.
Zu Hause sei sich schnell ins Bett gegangen. Sie wurde wach, als sie einen Schatten auf sich zukommen sah. „Ich habe erst nicht erkannt, wer es ist.“ Die zunächst fremde Person habe angefangen, sie zu küssen, von den Füßen bis zu den Oberschenkeln und sich dann auf sie gelegt. Dann habe sie ihn erkannt. „Ich habe ihn gefragt, was er hier mache und wie er reingekommen sei.“ Er habe geantwortet, dass die Tür offen war und er sie wolle. Dabei sei seine Hand in den Intimbereich gegangen. Auf Nachfrage des Richters sagte sie, dass er aber nicht in sie eingedrungen sei. Von der Situation „war ich geschockt“. Sie habe kurze Zeit benötigt, um sich wieder zu sammeln. Dann habe sie ihm deutlich gemacht, dass er weggehen soll und ihn hochgedrückt. „Er hat gesagt ‚ok‘.“ Als er weg war, sei sie sofort eingeschlafen.
Nur um am nächsten Morgen schreckhaft aufzuwachen mit den Geschehnissen im Hinterkopf, ohne sich aber direkt an sie zu erinnern. Im Wohnzimmer stolperte sie dann über Matschspuren auf der Couch und an der Wand, dazu gab es einen Fußabdruck auf der Fensterbank und Katschen am Fenster. Erst verdächtigte sie ihre Kinder, dann kamen Teile der Erinnerung zurück und sie vertraute sich ihrer Tochter an. Die Matschspuren hatte sie da schon weggewischt. Zur Anzeige brachte sie den Vorfall erst fast ein halbes Jahr später. Auf Nachfrage machte sie deutlich: Sie habe Rico W. nicht zu sich eingeladen an diesem Abend. Der Chatverlauf zeigte, dass sie sich nach dem Vorfall nochmal geschrieben hatten. Darin warf sie ihm unter anderem vor, die Freundschaft kaputtgemacht zu haben.
Für die weitere Befragung der 52-Jährigen wurde die Öffentlichkeit auf Antrag der Nebenklage ausgeschlossen. Unter anderem ging es dabei um ein Attest über die psychische Vorgeschichte des Opfers. Fast eine Stunde dauerte die Befragung. Die anschließenden Diskussionen zwischen Verteidigung, Nebenklage, Richter und Staatsanwaltschaft um die weitere Vorgehensweise zeigten, dass man sich schwertat, nur mit der Aussage der 52-Jährigen die Beweisaufnahme zu schließen. Für die Verteidigung stand fest, dass man auch aufgrund der Erkrankung die Glaubwürdigkeit der Zeugin überprüfen müsse, indem man Zeugen vorlädt, die etwas über die Zeit vor und nach der Tat sagen können. „Das hat erhebliche Bedeutung!“ Diskutiert wurde über die Partnerin des Angeklagten, als auch über die Kinder der Nümbrechterin.
Verteidigung und Nebenklage haben nun bis kommende Woche Mittwoch, 4. Juni, Zeit, um Beweisanträge zu formulieren und sie dann zu stellen. Bei der Sitzung um 9:30 Uhr soll darüber entschieden werden. Anschließend wurde der 25. Juni als nächster Termin festgelegt.
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