BLAULICHT

Weiter kein Geständnis im Gummersbacher Mordprozess

pn; 19.08.2024, 16:30 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Mord wirft die Staatsanwaltschaft einem 22-jährigen Reichshofer (hier mit seinem Verteidiger) vor. Er soll Ende Februar am Gummersbacher Busbahnhof einem 24-Jährigen in den Hals gestochen haben.
BLAULICHT

Weiter kein Geständnis im Gummersbacher Mordprozess

pn; 19.08.2024, 16:30 Uhr
Gummersbach – Im Prozess um die tödliche Messerattacke am Gummersbacher Busbahnhof schweigt der Angeklagte – Opfer hatte keine Chance - Rassistisches Motiv oder Rachegelüste als mögliche Gründe?

Von Peter Notbohm

 

„Dann sei es drum!“ Mit vier kurzen Worten quittierte Richter Peter Koerfers im Prozess um den Mord am Gummersbacher Busbahnhof am 29. Februar dieses Jahres (OA berichtete) die Erklärung der Verteidigung, dass Mario C. (Anm.d.Red.: Name geändert) anders als zuvor angekündigt, nun doch keine Äußerung zu den Vorwürfen gegen ihn abgeben wolle. Zum Prozessauftakt hatte er lediglich Angaben zur Vorgeschichte gemacht, die Tat selbst aber bestritten (OA berichtete). Der Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer am Landgericht Köln hatte zum Abschluss des zweiten Verhandlungstages den inzwischen 22-jährigen Angeklagten eindringlich auf die bislang erdrückende Beweislast hingewiesen (OA berichtete) – vergeblich.

 

Opfer hatte keine Überlebenschance

 

Detaillierte Aussagen machte hingegen die Rechtsmedizinerin, die den Leichnam des 24-jährigen Opfers obduziert hat. Das Ergebnis der Obduktion: Der Mann hatte keine Überlebenschance und sei qualvoll verblutet. Etwas über vier Zentimeter lang und gerade einmal drei bis vier Zentimeter tief sei die Stichverletzung am linken Hals gewesen. Sie reichte, um die Halsschlagader und die Halsvene zu durchtrennen.

 

Als Tatwaffe, von der bis heute immer noch jede Spur fehlt, käme ein Messer höchstwahrscheinlich in Frage. Die Wundräder sprächen für eine einschneidige Klinge, eine zweischneidige Klinge könne sie aber nicht ausschließen, sagte die Gutachterin der Uniklinik Köln. Bei dem tödlichen Stich habe es sich um ein „sehr schwungvolles Ereignis“ gehandelt: „Der größte Widerstand ist die Haut. Wenn diese durchdrungen wird, bedarf es nur noch wenig Aufwand, um die Strukturen zu verletzen.“ Bei dieser Art von Verletzungen sei kein sehr tiefer Stich notwendig, um schwerste Verletzungen hervorzurufen.

 

Auch die Beschreibungen der Zeugen, die mehrfach von einer Blutfontäne aus dem Hals des 24-Jährigen gesprochen hatten, würden dazu passen, sagt die Rechtsmedizinerin: „Ein Opfer kann in solchen Fällen meist noch einige Schritte laufen, danach ist aber von einem schnellen Verbluten auszugehen. Es bestanden keine Rettungschancen.“ Bei dem Opfer stellte sie zudem geringe Menge Alkohol im Blut fest, dazu stand der Mann zum Todeszeitpunt unter der Wirkung von Kokain und Cannabis.

 

Angeklagter hatte nach eigener Aussage zwei Nasen Speed genommen

 

Geringe Diazepam-Werte sowie geringe Spuren von THC wurden auch im Blut des mutmaßlichen Täters gefunden. Auch Mario C. wurde von der Rechtsmedizinerin wenige Tage nach der Tat körperlich untersucht. Mehr als ein kleiner Kratzer am Rücken wurde dabei aber nicht gefunden. Bemerkenswert: Auf die Frage, ob sie dem Reichshofer Blut abnehmen dürfe, soll er grinsend „Wollen Sie außerirdisches Leben feststellen?“ geantwortet haben. Speed – der Angeklagte will damals zwei Nasen konsumiert haben – konnte in dem Blut nicht mehr festgestellt werden, da dies nicht länger als einen Tag nachweisbar ist.

 

Haarstoppeln im Waschbecken gefunden

 

Ausgesagt haben am Montag zudem mehrere Polizeibeamte. Darunter eine Polizistin, die eine der Hauptbelastungszeugen telefonisch vernommen und die Handydaten des Angeklagten ausgewertet hat. Zudem war sie dabei, als ein SEK-Team die Wohnung des Vaters von Mario C. gestürmt hat. Bei der Durchsuchung wurde u.a. eine Machete im Kleiderschrank des 22-Jährigen gefunden, zudem im Bad eine Vielzahl an fünf bis sieben Millimeter langen frischen Haarstoppeln. Auf den Videoaufnahmen der Tat trug der Verdächtige noch Bart und eine Langhaarfrisur, bei der Polizei hatte sich der Reichshofer am nächsten Tag frisch rasiert und mit Kurzhaarfrisur gestellt. Die Stoppeln seien ihrer Einschätzung nach allerdings zu wenige für einen Vollbart gewesen, auch wenn das Waschbecken voll gewesen sei.

 

Rassistisches Motiv oder Rachsucht?

 

Anders als am ersten Prozesstag habe sich eine der Hauptbelastungszeuginnen, eine 36-jährige Gummersbacherin, ihr gegenüber am Telefon auch noch äußerst redselig gegeben. Ihr gegenüber habe sie geäußert, den Angeklagten nur zwei Wochen gekannt zu haben. Mehrfach soll Mario C. in der Trinkerszene am Busbahnhof gesagt haben, dass „man den Schwarzen doch töten solle“. Hintergrund des Streits zwischen den beiden Männern soll eine geraubte Jacke gewesen sein, die das Opfer dem Angeklagte Jahre zuvor abgenommen haben soll.

 

Ähnliches berichtete eine weitere Beamtin, bei der die Zeugin ihre Aussagen wenige Tage später auf der Wache wiederholt hat. Auch hier habe die Frau ausgesagt, dass der Angeklagte mehrfach angekündigt habe, sich rächen zu wollen. Generell habe Mario C. demnach dabei immer wieder rassistische Tendenzen gezeigt, manifestiert hätten sich diese aber immer nur in dem 24-jährigen Opfer. Dabei habe die Zeugin, die ebenfalls der Trinkerszene angehört, einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen, auch ein Alkoholtest vor der Aussage sei negativ ausgefallen, so die Beamtin.  

 

Was Mario C. angesichts der Vorwürfe denkt, ist weiter nur schwer einzuschätzen. Der Angeklagte verfolgte den dritten Prozesstag einmal mehr mit wechselhaftem Mienenspiel. Seine Mimik wechselte zwischen Gleichgültigkeit, Skepsis und einem phasenweise leicht diabolischen Grinsen. Nur ab und zu suchte er das Gespräch mit seinem Verteidiger, häufiger den Blickkontakt zu seinen Eltern im Zuschauerraum.

 

Der Prozess wird fortgesetzt

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