BLAULICHT

Wenn aus Liebe Hass wird: Ex-Freundin mit Schwefelsäure übergossen?

pn; 13.09.2024, 15:20 Uhr
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Foto: Peter Notbohm --- Ein 43-Jähriger - hier mit seinem Verteidiger und seiner Übersetzerin - muss sich vor dem Landgericht Köln wegen einer Säure-Attacke auf seine Ex-Freundin verantworten.
BLAULICHT

Wenn aus Liebe Hass wird: Ex-Freundin mit Schwefelsäure übergossen?

pn; 13.09.2024, 15:20 Uhr
Gummersbach – 43-jähriger Angeklagter gibt die Säure-Attacke zum Prozessauftakt am Landgericht Köln zu - Opfer sagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Von Peter Notbohm

 

Mit erhobenem Kopf und festen Schrittes betritt Nadja L. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) den Gerichtssaal 2 am Landgericht Köln. Fest entschlossen dem Mann, der sie am 9. Februar dieses Jahres für ihr Leben entstellt hat, entgegenzutreten. Unter dem Vorsitz von Richter Wolfgang Schorn muss sich vor der 12. Großen Strafkammer Konstantin D. verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm schwere Körperverletzung vor.

 

Der aus der Republik Moldau stammende 43-Jährige soll seiner Ex-Freundin (41) vor ihrem Haus in Gummersbach in den frühen Morgenstunden, gegen 5:30 Uhr, aufgelauert haben, auf sie eingeschlagen und sie anschließend mit 96-prozentiger Schwefelsäure übergossen haben. Die Frau erlitt hierbei schwerste Verätzungen zweiten und dritten Grades an Kopf, Händen und Armen. Ihre rechte Ohrmuschel hat sie verloren, auch die behaarte Kopfhaut musste von Ärzten in einer Spezialklinik in Duisburg weitreichend abgetragen werden.

 

Die Fotos von den Wunden, die Verwandte Oberberg-Aktuell am Rande des Prozesses zeigen, sehen schrecklich aus. Die hübsche, lebensfrohe Frau ist entstellt. Die Ärzte haben zwar viel geleistet, ihre Narben versteckt sie trotzdem unter einem zu einem Turban gefalteten Tuch. Die Öffentlichkeit wird während ihrer Aussage auf Antrag der Nebenklage von dem Prozess ausgeschlossen. Die Schutzwürdigkeit der Privatsphäre und des Persönlichkeitsrechts ihrer Mandantin überwiege das öffentliche Interesse, argumentiert ihre Anwältin.

 

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Ihre Großcousine beschreibt die Gummersbacherin im Rahmen ihrer eigenen Aussage als starke Frau, die gerne lebt und damals viel Wert auf ihr Aussehen gelegt habe. Das Geschehene habe sie anfangs versucht, mit sich selbst auszumachen. Inzwischen habe sie sich aber verändert. „Sie spricht nicht gern über ihre Probleme, aber sie leidet mittlerweile an Angstzuständen“, berichtet die 43-Jährige.

 

In den Monaten vor der Tat sei sie von dem Angeklagten mehrfach über ein russisches Soziales Netzwerk (ähnlich Facebook) angeschrieben worden, nachdem seine Ex-Freundin ihn blockiert hatte. Der Inhalt: Übelste Drohungen, vom Kopf abschneiden, über Abstechen bis zum Säureangriff, die sie an ihre Cousine weiterleiten sollte. „Wir hätten niemals gedacht, dass er das macht. Wir waren sicher, dass er nicht einmal in Deutschland ist.“ Auch sie selbst sei von dem Angeklagten bedroht worden. Die Chats hat sie protokolliert; sie liegen dem Gericht vor.

 

Konstantin D., der damals nach nur einem Tag in Monheim festgenommen wurde und seitdem in U-Haft sitzt, gab die Tat heute vor Gericht per Verteidigererklärung zu. „Er hat es gemacht und wird auch Schmerzensgeld leisten“, sagt sein Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode. „Es gibt Fälle, in denen Liebe in Hass umschwingt. Das wird aber selten in Gewalt umgesetzt. Er begreift selbst nicht, warum er es umgesetzt hat“, ergänzt der Jurist.

 

Er habe Nadja L. 2019 über das russische Netzwerk kennengelernt, erzählt Konstantin D. auf Nachfragen des Richters. Er habe damals wegen Fahrens ohne Führerschein in Moldau für ein Jahr im Gefängnis gesessen. Trotzdem habe sich eine Liebe zwischen beiden entwickelt. 2021 sei er mit einem Arbeitsvisum zu ihr nach Deutschland gezogen und habe auch in derselben Firma in Gummersbach gearbeitet. Als sie 2023 von seinen Drogenproblemen (regelmäßiger Heroin-Konsum) Wind bekommen habe, soll sie noch versucht haben, ihm zu helfen – vergeblich. Es kommt zur Trennung, im August 2023 habe er das Land mit einem von ihr bezahlten Ticket nach Moldau verlassen. „Eigentlich im Guten“, wie ihre Cousine vor Gericht sagt. Doch nur wenig später beginnen die Bedrohungen.

 

Die Drohnachrichten will er nicht geschrieben haben, behauptet Konstantin D. zunächst. Auch wie er an die Schwefelsäure gekommen ist, die eigentlich nur von Fachbetrieben genutzt wird, bleibt nebulös. Er habe nach seiner Rückkehr in Deutschland bei einem Freund gelebt. Einen Nachnamen wollte der Angeklagte nicht nennen. Am Abend vor der Tat hätten beide Männer mehrere Flaschen Wodka und Whiskey getrunken. Irgendwann habe er sich die Säure aus einem Schrank geschnappt und sei zu seiner Ex-Freundin gefahren. „Ich bin durchgedreht, eigentlich wollte ich nur mit ihr reden.“ Er spricht von einer Affekt-Handlung.

 

Die Kammer hat daran starke Zweifel. Auf gezielte Nachfragen der Richter präzisiert sein Anwalt schließlich: „Mein Mandant kann sich dieser Person, die diese abscheulichen Dinge getan hat, nicht stellen.“ Konstantin D. habe Briefe geschrieben, in denen er die Tat bereits zugegeben hat, begreifen könne er das Geschehene aber nicht: „Diese Dimension ist zu groß für ihn.“ Der Angeklagte sitzt neben ihm und kann seine Tränen kaum zurückhalten.

 

Für den Prozess sind vier Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil soll bereits kommenden Freitag fallen.

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