BLAULICHT
Wichtigste Frage nach Karnevalsprügelei bleibt ungeklärt
Waldbröl – Bei einer Auseinandersetzung in Schönenbach wurde ein 20-Jähriger schwer verletzt und erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma – Doch wer fügte ihm die Verletzung zu? -Verfahren gegen zwei Angeklagte eingestellt.
Von Lars Weber
Warum lag in der Nacht des 28. Januar vor einem Jahr der 20-jährige Kai O. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) blutend, bewusstlos und wie sich später herausstellte mit einem Schädel-Hirn-Trauma an einem Bordstein eines Gehwegs unweit des Dorfgemeinschaftshauses in Waldbröl-Schönenbach? Klar ist, auch ein knappes Jahr später bei der Verhandlung am Amtsgericht Waldbröl vor Richter Carsten Becker, die am Donnerstag stattgefunden hat: Kurz zuvor fand nach dem Ende einer Karnevalsparty im Dorfhaus eine wilde Prügelei in direkter Nähe des Geschädigten statt, der auch als Nebenkläger auftrat. Damit endete die Faktenlage aber auch schon. Angeklagt waren die beiden Brüder Toni L. (19) und Mario L. (21). Sie mussten sich wegen des Tatvorwurfs der gefährlichen Körperverletzung verantworten. Die Verfahren wurden am Ende ohne Auflagen eingestellt. Denn die eingangs gestellte Frage konnte schlicht niemand der Befragten beantworten.
Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll zunächst Toni L., der jüngere Bruder, mit den Freunden von Kai O. aneinandergeraten sein, weil er sich ihnen gegenüber rassistisch geäußert haben soll. Später soll es dann zum Aufeinandertreffen vor dem Dorfhaus gekommen sein. Zunächst hätten sich der 19-jährige Angeklagte und der von ihm beleidigte Carl P. gegenübergestanden. Schlichtungsversuche eines Freundes von Carl P. seien dann aber von Mario L. zunichte gemacht worden, indem er den Freund weggeschubst haben soll. Toni und Mario L. sollen zunächst auf Carl P. losgegangen sein, ihn auch am Boden getreten haben, bis Kai O. einen Faustschlag abbekommen haben soll. Er soll zu Boden gegangen und mit dem Kopf auf dem Bordstein aufgekommen sein, und sich dabei schwer verletzt haben.
Die Angeklagten hatten eine etwas andere Erinnerung an die Ereignisse in dieser Nacht. Toni L. erinnerte sich, dass er an der Bar stand, als er plötzlich von Carl P. ins Gesicht geschlagen worden sei. Da die Security direkt dabei gestanden habe, sei Carl P. geradewegs nach draußen eskortiert worden. Da die Party ohnehin zu Ende gewesen sei, wollte der 19-Jährige nach Hause. Seine Stiefmutter als Taxi war schon gerufen. Alle Beteiligten gaben an, getrunken zu haben. Draußen hätten dann Carl P., Kai O. und ein weiterer Freund auf ihn gewartet. Bei der anschließenden Prügelei sei er selbst auch unter anderem am Knie verletzt worden, sein Bruder habe versucht schlichtend einzugreifen. Auch weitere Gäste seien dabei gewesen, die Toni L. aber nicht kannte. Als seine Stiefmutter vorfuhr, seien er und sein Bruder eingestiegen – damit war für sie die Prügelei und auch die Sache erledigt gewesen. „So eine Rangelei kann mal passieren.“
Rassistisch beleidigt – wie später ausgesagt wurde, soll Toni L. die damalige Freundin von Carl P. gefragt haben, ob sie sich nicht lieber einen Deutschen zum Freund nehmen wolle – habe er niemanden, betonte der 19-Jähige. Sein Bruder konnte nicht viel zum Geschehen vor der Prügelei sagen. In die Prügelei sei er dann trotz seiner Versuche zu schlichten reingezogen worden.
Carl P. und auch ein weiterer Freund schilderten ihrerseits ihre Erinnerungen an die nächtlichen Geschehnisse, die eher mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft einhergingen – wenn es sich auch längst nicht so brutal anhörte. Fast jeder konnte sich an den einen oder anderen ausgeteilten Schlag oder Schubser erinnern. „Es war ein großes Chaos!“, sagte Carl P., der während der Rangelei offenbar hauptsächlich mit den Brüdern beschäftigt war.
Auffällig: Bei allen Schilderungen, egal von welcher Seite, spielte Kai O. praktisch keine Rolle im Kampfgeschehen. Niemand konnte sagen, warum er am Ende einige Meter vom eigentlichen Geschehen entfernt blutend an der Bordsteinkante lag. Auch er selbst nicht. Infolge des Schädel-Hirn-Traumas ersten Grades erinnerte er sich noch daran, wie es nach draußen vor das Dorfhaus ging. Die nächste Erinnerung stamme dann aus dem Krankenhaus.
Richter Becker, die Staatsanwaltschaft und die Rechtsanwälte einigten sich schließlich auf eine Einstellung der Verfahren gegen die beiden Brüder. „Es ist völlig ungeklärt, wie diese schwere Verletzung zustande gekommen ist“, so Richter Becker. Wer hat Kai O. überhaupt geschlagen? War es eine vorsätzliche Körperverletzung? Hat einer der Brüder zugeschlagen? Falls ja, war es vielleicht Notwehr? Und auch wenn Richter Becker dies für unwahrscheinlich hielt: War der betrunkene Kai O. – er hatte etwa zwei Promille intus – gar ohne Fremdeinwirkung gestürzt? Den Brüdern jedenfalls war keine gefährliche Körperverletzung nachzuweisen.
Trotzdem gab Richter Becker allen Beteiligten noch einen Ratschlag auf den Weg: „Gehen Sie solchen Auseinandersetzungen aus dem Weg.“ Vermutlich sei der Alkoholkonsum maßgeblich für die Eskalation gewesen.
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