FUSSBALL
Die Grenzen der Träume
Lindlar – Ambitioniert gestartet, verbringen die Fußballer von Eintracht Hohkeppel den Jahreswechsel auf einem Abstiegsplatz – Der Klub plant Neuverpflichtungen und will die Professionalisierung vorantreiben.
Von Thomas Giesen
Die Euphorie war grenzenlos. Mit dem Sieg über Frechen 20, am drittletzten Spieltag der vergangenen Mittelrheinligasaison, war Eintracht Hohkeppel endlich am Ziel. Tabellenführung und Meisterschaft waren dem Team von Trainer Mutlu Demir nicht mehr zu nehmen und der Aufstieg in die Regionalliga in trockene Tücher gebracht. Doch die Reise des „Dorfvereins“ sollte nach den Wünschen von Vereinsboss Hakan Ekmen noch lange nicht zu Ende sein. Nur kurze Zeit später ließ die Klubführung die Katze aus dem Sack und packte die ganz großen Träume auf den Tisch: Die Liga wolle man „unsicher machen“ sagte Ekmen und kündigte an, den sofortigen Durchmarsch in die nächst höhere Klasse anzustreben. Zudem sei der Auftrag an Mannschaft und Trainer, den „attraktivsten Fußball der Liga“ zu spielen. Als Vorbild diente dem Klubboss die niederlände Fußballlegende Johan Cruyff, der mit seiner Vorstellung vom „totalen Fußball“ seine Gegner dominieren wollte.
Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, sollte der Kader verstärkt werden. Fünf „Unterschiedsspieler“ wollte man verpflichten, kündigte der Klub an und präsentierte auch Erfolge. Mit Kevin Rodrigues-Pires, Richard Sukuta-Pasu und Michael Gardawski, allesamt über 30 Jahre alt, holte man erfahrene Profis ins Team, danach stockte jedoch der Zufluss an prominentem Personal. Und so ging man weitgehend mit dem altbekannten Aufgebot in den Regionalligaauftakt, garniert mit talentierten Neuverpflichtungen. Dass man sich mit der Ansage, in die 3. Liga aufsteigen und zudem den attraktivsten Fußball spielen zu wollen, offenbar ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, wurde bereits nach wenigen Spieltagen deutlich.
Statt der Liga das Fürchten zu lehren, kassierten die Hohkeppeler gleich zum Saisonauftakt gegen die U23 des 1. FC Köln die erste Niederlage. Nach sieben Spieltagen, einer Pleite gegen den Tabellenletzten Türkspor Dortmund und dem Rutsch in die Abstiegszone, kochte dann der Kessel über und man trennte sich von Coach Mutlu Demir. Die Demission Demirs und die Verpflichtung von Iraklis Metaxas, ehemals Co-Trainer bei diversen Bundesligaklubs und jüngst noch als Cheftrainer in der ersten griechischen Liga aktiv, sollte für einen „Ruck“ in der Mannschaft sorgen, teilte damals Hohkeppels Sportdirektor und Geschäftsführer Kevin Theisen mit. Weitere Konsequenzen folgten kurz darauf: Die „Unterschiedsspieler“ Sukuta-Pasu und Rodrigues-Pires erfüllten offensichtlich nicht die Ansprüche des Vereins und wurden nach nur rund drei Monaten Vereinszugehörigkeit wieder entlassen. Zudem trennte man sich mit sofortiger Wirkung von Ardit Mimini, Matti Fiedler, Sami Akremi und Felix Neuhäuser, allesamt Teil des Aufstiegsteams. Auch sie erbrachten laut Vereinsführung nicht die erhoffte Leistung.
Erneut wollte man personell nachlegen, doch angesichts des bereits geschlossenen Transferfensters blieb dem Klub nur übrig, sich im Pool der vertragslosen Kicker zu bedienen. Immerhin gelang es, mit Pius Krätschmer die gewünschte Verstärkung für die Position links in der Innenverteidigung zu bekommen. Mit Arthur Ekallé wurde zudem ein Rechtsverteidiger verpflichtet. Metaxas sollte die Truppe nun, ohne weitere Unterschiedsspieler und mit reduziertem Aufgebot, wieder zurück in die Spur führen. Doch der große Ruck blieb aus. Nur drei Siege feierten die Hohkeppeler unter dem neuen Coach, darunter die Pflichterfolge gegen die Konkurrenten im Tabellenkeller SC Wiedenbrück und die U23 von Schalke 04, und die Eintracht fand sich zum Ende der Hinrunde, auch gebeutelt von Personalproblemen, auf einem Abstiegsplatz wieder. Fünf Punkte Rückstand auf das rettende Ufer hat der Aufsteiger nach dem letzten Duell des Jahres gegen die Kölner Reserve bereits angesammelt. Von „totalem Fußball“ und dem Traum vom Durchmarsch in die 3. Liga ist zu Beginn der Weihnachtspause nichts mehr übrig geblieben.
[Nach der Niederlage im letzten Regionalligaspiel des Jahres gegen die Zweitvertretung des 1. FC Köln herrscht Ernüchterung im Lager von Eintracht Hohkeppel. Statt um den Aufstieg in die 3. Liga kämpft der Klub um den Klassenerhalt.]
Hatte Iraklis Metaxas schon bald nach seiner Verpflichtung deutlich gemacht, dass man sich über einen eventuellen Aufstieg angesichts der aktuellen Lage keine Gedanken mehr machen brauche, korrigierte nun auch Sportdirektor und Geschäftsführer Kevin Theisen das Saisonziel: „Wir müssen jetzt mit aller Macht die Klasse halten, um dann in der nächsten Saison einen neuen Anlauf Richtung 3. Liga zu starten“, ließ sich Theisen kürzlich von der Sportzeitschrift „kicker“ zitieren. Und wie schon vor dem Regionalligadebüt steht das Team vor einem weiteren großen Umbruch. Die Professionalisierung solle vorangetrieben werden. Eine permanente Trainingsstätte ist in Köln-Porz bereits gefunden, inklusive Rasen- und Kunstrasenplatz, um den Trainingsbetrieb auf sichere Beine zu stellen.
Erste Maßnahme für das nächste Jahr ist die Veränderung der Trainingszeit. Künftig werde unter Metaxas bereits am Vormittag trainiert, um sich vom „Feierabendfußball“ zu verabschieden, wie der Coach es bezeichnete. Die Entscheidung dürfte weitere personelle Konsequenzen mit sich bringen. So ist aus dem Stimmengewirr rund um den Verein zu vernehmen, dass Nils Teixeira, ehemaliger Kapitän der Mannschaft, und Janos Löbe aus beruflichen Gründen die Umstellungen nicht tragen können. Der Verlust der beiden Stammspieler auf den beiden Außenpositionen der Abwehrkette sorgt in der ohnehin ausgedünnten Defensivabteilung für weiteren akuten Bedarf an Neuzugängen. Zudem sagt die Gerüchteküche, dass Innenverteidiger Sven Wurm vor einem Vereinswechsel steht. Sieben oder acht Neuverpflichtungen wolle man tätigen, verkündete Theisen jüngst im Gespräch mit dem „kicker“. Angesichts der Annahme, dass Spielerverpflichtungen im Wintertransferfenster schwieriger sind als im Sommer, eine große Aufgabe für die Verantwortlichen. Viel Zeit bleibt nämlich nicht, bis der Ball wieder rollt. Bereits am 25. Januar empfangen die Hohkeppeler die U23 von Borussia Mönchengladbach.
Spielstätte ist dann, wie schon in der gesamten Saison zuvor, die Westkampfbahn in Düren, die sich die Eintracht mit dem Ligakonkurrenten 1. FC Düren teilt. Rund 80 Kilometer von der eigenen Sportanlage im Oberbergischen entfernt. Nach den Vorstellungen des Vereins soll sich das perspektivisch ändern. Ein eigenes Stadion ist der Traum. Doch auch in dieser Hinsicht gab es ein böses Erwachen. Dem Umbau der heimischen Sportanlage in ein mindestens regionalligataugliches Stadion erteilte die Bezirksregierung Köln eine Absage, sodass nun nach einem anderen Standort für das Bauprojekt gesucht wird. 5.000 Zuschauern muss die Anlage mindestens Platz bieten. 2.000 Sitzplätze müssen entstehen und das Spielfeld mit einer Rasenheizung ausgestattet sein, will man die Bedingungen für die 3. Liga vollends erfüllen. Ohne Rasenheizung muss der Verein für die Zeit zwischen Mitte November und Ende März alternativ ein Ausweichstadion vorhalten.
Betrachtet man die bisherigen Zuschauerzahlen der Eintracht, wirkt der Plan für einen neuen Fußballtempel äußerst ambitioniert. War die Westkampfbahn mit 975 Besuchern zum Saisonauftakt gegen die U23 der Geißböcke noch gut gefüllt, ließ das Interesse in den folgenden Monaten merklich nach. Gegen den Wuppertaler SV kamen noch rund 350 Zuschauer, gegen die Sportfreunde Lotte, Türkspor Dortmund und die U23 des SC Paderborn waren es jedoch kaum mehr als 100 Besucher im Schnitt. Etwa 150 Zuschauer sahen das Heimspiel gegen den 1. FC Bocholt. Nach Angaben der Gäste waren 75 Bocholter Anhänger mitgereist. Zum Jahresauftakt gegen die U23 von Borussia Mönchengladbach wünscht man sich im Lager der Eintracht sicher mehr Unterstützung aus der Fangemeinde.
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