GUMMERSBACH
Differenzierte Hebesätze: SPD und Grüne fordern höhere Gewerbesteuer zur Entlastung
Gummersbach - Der Stadtrat muss eine Grundsatzentscheidung zur Grundsteuerreform treffen - Mehrheit lehnt differenzierte Hebesätze bislang ab - Grundsteuer B muss für Aufkommensneutraltität um 206 Prozentpunkte angehoben werden.
Von Peter Notbohm
Landesweit sorgt die Grundsteuerreform der Bundesregierung in vielen Rathäusern für Kopfschütteln. Auch in Gummersbach muss bis zum Ende des Jahres für die Grundsteuer entschieden werden, ob ab 1. Januar 2025 die einheitliche oder die umstrittene differenzierte Regelung angewandt wird. Die Verwaltung schlug am Donnerstag im Hauptausschuss Gummersbachs Politik vor, auf eine Differenzierung des Grundsteuer B-Hebesatzes zu verzichten, zur Entlastung der Bürger gleichzeitig aber leicht an der Gewerbesteuerschraube zu drehen.
In Zahlen bedeutet der Vorschlag: Die Grundsteuer A soll künftig 401 Prozentpunkte betragen (vorher 545), die Grundsteuer B auf 871 Prozentpunkte steigen (vorher 675) und die Gewerbesteuer um drei Prozentpunkte auf 485 Prozentpunkte klettern. Damit folgt Kämmerer Raoul Halding-Hoppenheit weitgehend dem Vorschlag des NRW-Finanzministeriums, um einen aufkommensneutralen Haushalt herzustellen. Die Erhöhung der Gewerbesteuer bedeutet für Gummersbach Mehreinnahmen in Höhe von 300.000 Euro. „Wir haben in unsere Überlegungen einbezogen, dass die Grundsteuerbelastung, die insbesondere auch Unternehmen tragen, steuerlich als Aufwand geltend gemacht werden können“, so Halding-Hoppenheit.
Den eigentlichen Haushalt will Gummersbachs Verwaltung erst im Februar einbringen, beschlossen werden soll er im April. Für Handlungsfähigkeit ab dem 1. Januar müssen die Hebesätze aber bereits in diesem Jahr beschlossen werden. Eine Differenzierung des Grundsteuer B-Hebesatzes lehnt Halding-Hoppenheit mit dem Verweis auf „erhebliche Zweifel an der rechtssicheren Umsetzung“ ab: „Im Worst Case müssten wir das gesamte Grundsteuer B-Volumen von zwölf Millionen Euro zurückerstatten bzw. es könnte nicht veranlagt werden.“
Auch in Gummersbachs Rathaus rechnet man im Fall der Differenzierung fest mit Klagen der Bürger. Erst nach einer Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung will man eine Differenzierung vornehmen. Gemäß einer aktuellen Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebund NRW, auf die 290 Kommunen geantwortet haben, planen nur 55 Kommunen das Risiko der Differenzierung einzugehen.
Bei Gummersbachs Politik lösten die Pläne durchweg keine Begeisterungsstürme hervor. Jörg Jansen (CDU) sprach von einer Wahl zwischen Pest und Cholera. Nachdem seine Partei anfangs noch für eine Differenzierung war, hat man nun aufgrund des Risikos davon Abstand genommen. „Wir machen uns für die Zukunft Sorgen. Mit einer Differenzierung würden wir die Lasten für den Bürger nur verlagern, wenn wir Klagen verlieren. Die daraus resultierenden Lasten liegen aber nur bei den Kommunen und nicht beim Land.“
Thorsten Konzelmann (SPD) warb für die Differenzierung: „Gerade für Gummersbach macht die Differenzierung Sinn. Ein Klagerisiko gibt es in allen Bereichen. Der Gesetzgeber hat uns die Möglichkeit eröffnet. Sähe er eine Rechtsunsicherheit, hätte er es nicht getan.“ Gleichzeitig warb der Fraktionsvorsitzende aber auch für eine Alternative: „Als SPD wären wir dafür die Gewerbesteuer noch stärker anzuheben. Das wäre für die Bevölkerung in Gummersbach der bessere Weg.“
Konrad Gerads (Grüne) warf der CDU vor, Hauseigentümer übermäßig belasten zu wollen und warb ebenfalls für eine höhere Gewerbesteuer: „Wollen Sie Wohngebäude wirklich so sehr verteuern und keinen Ausgleich schaffen“, fragte er in Richtung der Christdemokraten. Man spreche von einer Summe von 1,6 Millionen Euro zugunsten der Nicht-Wohngrundstücke. „Das ist eine Mehrbelastung von mehr als 100 Euro pro Eigentumshaus. Das müssten Sie dann auf ihre Kappe nehmen“, so Gerads. Elke Wilke (FDP) entgegnete, dass die Grünen eine 100-prozentige Gerechtigkeit wollen würden, die es nicht gebe: „Wenn sich von 290 Kommunen 235 gegen ein Splitting entscheiden, wird das einen Grund haben.“ Bernd Rummler (AfD) meldete für seine Partei weiteren Beratungsbedarf an.
Wilke schlug zudem eine gesonderte Bürgerinformationsveranstaltung vor, nachdem es im Rahmen des Bürgerforums „Verwaltungsvorstand vor Ort“ am Montagabend zu vielen Fragen gekommen war. Bergneustadts Bürgermeister Matthias Thul hatte einen solchen Informationsabend zuletzt veranstaltet (OA berichtete und OA berichtete). Bei Gummersbachs Stadtoberhaupt Frank Helmenstein stieß dies auf Ablehnung: „Eine öffentliche Veranstaltung ist dafür völlig ungeeignet. Man müsste mit jedem Bürger einzeln auf seine Zahlen eingehen.“
Er warb dafür, für das kommende Haushaltsjahr auf eine Differenzierung zu verzichten: „Wir begeben uns auf unbekanntes Terrain und befinden uns in einem lernenden System.“ Dass die Politik jetzt entscheiden müsse, „ist maximal undankbar, aber Jammern hilft nicht.“ Helmenstein ist überzeugt davon, dass es sehr schnell höchstrichterliche Rechtsprechung geben wird und der Stadtrat Ende kommenden Jahres die Gelegenheit haben wird, erneut über das Thema Differenzierung zu diskutieren.
Der Ausschuss empfahl die neue Hebesatzung mehrheitlich bei fünf Gegenstimmen (SPD und Grüne) und einer Enthaltung (AfD) an den Stadtrat. Am kommenden Montag wird sich der Finanz- und Wirtschaftsausschuss erneut mit dem Thema auseinandersetzen, ehe die Satzung am Donnerstag verabschiedet wird.
Aus dem Ausschuss
- Gegenwind gab es für die Verwaltung aber nicht nur beim Thema Steuern. Auch der Vorab-Beschluss zum Stellenplan 2025 stieß auf Kritik. Insgesamt neun neue Stellen (Kosten: 613.000 Euro) müssen im kommenden Jahr geschaffen werden. Gerads (Grüne) erklärte, dass seine Partei ohne einen Haushalt dazu nichts beschließen werde. Konzelmann (SPD) nannte die Stellen mit einer Ausnahme „plausibel und auch notwendig“. Rummler (AfD) schlug vor, Einsparungen im Bereich des Ordnungsamtes vorzunehmen. Der Vorab-Beschluss wurde bei drei Gegenstimmen (Grüne, AfD) mehrheitlich an den Stadtrat empfohlen. Mit demselben Ergebnis wurde auch das Investitionsprogramm für 2025 empfohlen.
- Steigen sollen im kommenden Jahr die Straßenreinigungsgebühren (zwei Gegenstimmen aus SPD und Grüne). Die Gebühr für den Winterdienst soll erstmals seit 2014 von 41 auf 71 Cent je Veranlagungsmeter steigen. Ein Grund sind höhere Kosten des Baubetriebshof. Bereits 2023 konnten erstmalig seit Jahren die Ausgaben nicht von den Einnahmen gedeckt werden.
- Auf steigende Gebühren müssen sich die Bürger auch beim Bestattungswesen einstellen (einstimmig empfohlen). Im Vergleich zum Vorjahr rechnet man im Rathaus mit Mehrkosten von 86.671 Euro. Hauptfaktor sind tarifliche Steigerungen. U.a sollen die Gebühren für das Nutzungsrecht an Wahlgrabstätten (Familiengräber) für Erdbestattungen und Urnenbeisetzungen um etwa 13 Prozent steigen.
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