GUMMERSBACH

Wie viel Fahrrad-Mobilitätswende kann Gummersbach leisten?

pn; 17.06.2024, 17:00 Uhr
Symbolfoto: Pavel Danilyuk auf Pexels
GUMMERSBACH

Wie viel Fahrrad-Mobilitätswende kann Gummersbach leisten?

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pn; 17.06.2024, 17:00 Uhr
Gummersbach - Anträge der SPD und Grünen werden im zuständigen Ausschuss abgelehnt - Neue Fahrradschutzstreifen für Bernberg - Gummersbach nimmt an kreisweitem Verleihsystem teil - Neue Fahrradboxen am Bergischen Hof.

Von Peter Notbohm

 

Immer mehr Menschen steigen vom Auto auf das Rad um – auch im Oberbergischen. Doch wie viel Mobilitätswende kann und will die Stadt Gummersbach in den kommenden Jahren leisten? Der Ausschuss für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Mobilität musste sich diese Woche gleich mehrfach mit dem Thema Radverkehr beschäftigen. Nicht alle Vorschläge und Anträge wurden dabei durchgewunken.

 

So wird die Kreisstadt sich zwar an einem kreisweiten Fahrradverleihsystem beteiligen und zudem neue abschließbare Fahrradboxen im Bereich des Bergischen Hof/Hebekeuser aufstellen, ein SPD-Antrag auf Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft für fußgänger- und fahrradfreundliche Städte, Gemeinde und Kreise in NRW (AGFS) wurde aber genauso abgelehnt wie ein Antrag der Grünen auf Verbesserung der Radwegeinfrastruktur in Gummersbach. Kommen sollen auf den Hauptverkehrsachsen in Bernberg Fahrradschutzstreifen.

 

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Verwaltung fehlt das Personal

 

Bereits im Sommer 2021 hatte die SPD erstmals den Vorschlag eingebracht, der AGFS beizutreten. Damals war der Vorschlag abgelehnt worden, weil aus Reihen der Verwaltung die Meinung vertreten wurde, dass die Voraussetzungen für einen Beitritt nicht vorlagen bzw. in Kürze umsetzbar seien. Angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre wagte Oliver Kolken (SPD) nun erneut einen Vorstoß. „Inzwischen erfüllen wir viele Voraussetzungen.“

 

Die 2.500 Euro Mitgliedsbeitrags bezeichnete er als „stemmbar“ und auch die Voraussetzung, fünf Euro pro Einwohner in die Förderung der Nahmobilität dauerhaft in den Haushalt einzustellen sieht er bereits erfüllt: Für Verbesserungsmaßnahmen für den Radverkehr, die Ertüchtigung von Bushaltestellen und die Schulwegsicherung plane die Stadt bis 2026 über 700.000 Euro zu investieren. Zudem verfüge Gummersbach mit Francis Jovan bereits über die geforderte Stelle, die sich um die Nahmobilität kümmert.

 

Ressortleiter Jovan sieht die Mitgliedschaft kritischer: Sie sei ein auf zunächst sieben Jahre beschränktes Zertifikat, das einen fortlaufenden Prozess verlange. „Dafür benötigen wir finanzielle und personelle Ressourcen.“ Zwar habe Gummersbach vieles bereits in die Wege geleitet und erfülle viele Kriterien, trotzdem würden andere Projektstädte deutlich machen, dass die Kreisstadt nicht über die personellen Ressourcen verfügt, um die notwendigen Projekte auch weiter abwickeln zu können. Das habe auch ein informatives Gespräch mit der Kommission gezeigt. „Die Aufgabensteigerung würde uns als Verwaltung enorm fordern.“

 

Kurt Uwe Dick (CDU), selbst leidenschaftlicher Radfahrer, lobte die Grundidee des Antrags zwar, sprach aber auch von einer Kosten-Nutzen-Rechnung: „Die Stadt hat bereits ein sehr gutes Radverkehrskonzept erstellt. Die Frage ist aber, was bringt uns diese Mitgliedschaft am Ende. Aufgrund der Topografie des Bergischen wird der Radverkehr nicht so exorbitant zunehmen, dass sich das so positiv auf die Umwelt auswirken wird.“

 

Unterstützung gab es dagegen von Andreas Dißmann (Grüne): „Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, dass junge Menschen vom Mofa auf das E-Bike umsteigen. Kreisverkehre kosten ein Vielfaches und binden Personal. Vielleicht sollten wir die Prioritätenliste einmal überprüfen.“ Mit Stimmen der CDU und FDP sprach sich der Ausschuss letztlich gegen den SPD-Antrag aus. Scharfe Kritik äußerte am Wochenende der ADFC Oberberg, der der CDU wegen der Ablehnung das Brechen von Wahlversprechen vorwarf.

 

Rathaus sieht sich nicht zuständig für interkommunale Radtrassen

 

Ebenfalls keine Mehrheit (Gegenstimmen von CDU und FDP, Enthaltung Linke) fand der Grünen-Vorschlag, die Radwegeinfrastruktur auf Basis des bestehenden Radverkehrskonzepts hinsichtlich der Zielplanung und der Umsetzung deutlich zu verbessern. Joachim Scholz (Grüne) warb dafür, ein von den Autostraßen abgetrenntes Radwegenetz auf Alternativrouten zu etablieren: „Wir benötigen eine bessere Führungsform, um den Radverkehr zu integrieren.“ Der aktuelle Ansatz sei nicht zielführend, weil der Radverkehr nur bei Tempo 30 auf den Straßen sinnvoll integrierbar sei. „Schutzstreifen gaukeln nur eine Sicherheit vor, daher müssen wir die Verkehrsströme bewusst und intelligent trennen.“

 

Uwe Winheller, Fachbereichsleiter Stadtplanung, Verkehr und Bauordnung bei der Stadt Gummersbach, sah die Stadt in dieser Frage nicht zuständig. Der Antrag unterstelle aus seiner Sicht Möglichkeiten, die nicht existieren. Vielmehr werde der Radverkehr auf kommunaler, auf Kreis- und auf Landesebene geplant. Gerade bei Außerortsverbindungen sei aber Straßen.NRW zuständig. So werde man einen Fahrradstreifen auf der Dieringhausener Brücke, der laut Potentialanalyse die einzige sinnvolle Trasse in Richtung Wiehl sei, in den nächsten Jahren nicht erleben.

 

Der Straßenlastträger des Landes haben sich noch nicht einmal am Mobilitätskonzept des Kreises beteiligt. „Die Potenziale, über die hier geredet wird, sind vollkommen neue Wege.“ Es sei ein Dilemma, dass Straßen.NRW Bedarfspotentiale nur im urbanen Raum sehe, „aber das ist ein Punkt, an dem wir nicht vorbeikommen. Als Stadt können wir nicht Aufgaben übernehmen, für die wir nicht zuständig sind und die wir auch nicht stemmen können“, so Winheller. In den Bereichen, wo man zuständig sei (Bernberg, Niederseßmar) werde die Verwaltung aber am Ball bleiben.

 

[Symbolfoto: Diana auf Pexels ---- Der in Bernberg geplante Fahrradschutzstreifen soll keinen farbigen Belag bekommen.]


Schutzstreifen für Bernberg, aber nicht in rot

 

Eine dieser Maßnahmen sind Fahrradschutzstreifen, die auf der Hauptverkehrsachse vom Albrechtsplatz bis nach Hesselbach auf der Mühlenstraße, der Lindenstockstraße und der Dümmlinghauser Straße – jeweils bergauf - eingerichtet werden sollen; ebenso am Nord- und Südring. Diese mit einem roten Fahrbahnbelag besonders hervorzuheben, lehnt man im Gummersbacher Rathaus nach Prüfung durch Ordnungsamt und Polizei allerdings ab. Eine Rot-Einfärbung sei nur an konkreten Gefahrenstellen sinnvoll.

 

Auch das im Rahmen der StVO-Novelle eingeführte Verkehrszeichen „Überholverbot von einspurigen Kraftfahrzeugen“ könne man nicht aufstellen lassen. „In nicht einsichtigen Kurven gilt in Deutschland Überholverbot. Das Aufstellen dieser Schilder würde ein gesetzlich nicht zulässiges Doppelverbot bedeuten“, erklärte Francis Jovan. Die Schutzstreifen wurden mehrheitlich mit den Stimmen von CDU, FDP und Linke bewilligt. SPD und Grüne (eine Gegenstimme) versagten ihre Zustimmung aufgrund der fehlenden Einfärbung.

 

Neue Fahrradboxen für die Innenstadt

 

In den nächsten Wochen wird die Stadt sechs neue abschließbare Fahrradboxen im Bereich des Bergischen Hof/Hebekeuser aufstellen. Das machte Gummersbachs Klimaschutzmanager Felix Borscz öffentlich. Die Anlage ist Teil des Projekts „OFT! – Oberberg fährt im Takt!“ und wird die erste, die rein digital buchbar ist. Auch die anderen Standorte in Dieringhausen, im Rathaus und in Derschlag sollen digital nachgerüstet werden. Die Maßnahme wird vom Bund gefördert, den Eigenanteil übernimmt der Oberbergische Kreis, sodass auf die Stadtkasse keine Kosten zukommen. Mit der Nutzung der Fahrradboxen ist man im Rathaus sehr zufrieden. Lediglich in Derschlag habe man mit Vandalismus zu kämpfen. Die Stadt habe bereits mit einer verstärkten Vergitterung reagiert und wolle zudem für eine bessere Beleuchtung des Standorts sorgen, so Jovan.

 

Foto von Diana ✨: https://www.pexels.com/de-de/foto/autos-strasse-verkehr-reise-9170366/ Foto von Diana ✨: https://www.pexels.com/de-de/foto/autos-strasse-verkehr-reise-9170366/ Foto von Diana ✨: https://www.pexels.com/de-de/foto/autos-strasse-verkehr-reise-9170366/ [Symbolfoto: Valeriia Miller auf Pexels ---- Das aus Großstädten bekannte Fahrradverleihsystem soll auch in mehreren oberbergischen Kommunen kommen.]

 

Gummersbach nimmt an kreisweitem Fahrradmietsystem teil

 

Bürger aus acht oberbergischen Kommunen (Bergneustadt, Engelskirchen Gummersbach, Hückeswagen Lindlar, Morsbach Reichshof und Wipperfürth) können demnächst rund um die Uhr und das ganze Jahr Miet-E-Bikes buchen. Das aus Großstädten bekannte Fahrradmietsystem soll nun auch im Oberbergischen Kreis im Rahmen der Förderung der nachhaltigen Mobilität etabliert werden. Es soll eine Ergänzung des ÖPNV für „die letzte Meile“ sein, aber auch den touristischen Verkehr abdecken.

 

Im Gummersbacher Stadtgebiet sollen feste Stationen entstehen, an denen die E-Bikes geladen werden können. Geplant sind zudem virtuelle Stationen (Rathaus, Niederseßmar, Gustavstraße, Weststraße), an denen die GPS-getrackten Fahrräder ebenfalls abgestellt werden können, sodass kein Wildparken entstehen kann. Einen Anbieter gibt es noch nicht. Für das Ausleihen soll es eine Grundgebühr und eine Abrechnung nach gefahrenen Kilometern oder nach Zeiterfassung erfolgen – auch ein Monatsabo sei eine mögliche Lösung. „Ein sehr sinnvolles Projekt, das wir gerne umsetzen wollen und für den Bürger attraktiv ist“, so Jovan. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt und wird zu 80 Prozent durch den Oberbergischen Kreis gefördert. Der Eigenanteil der Stadt Gummersbach (inklusive des Tiefbaus und des benötigten Stroms) beläuft sich bis 2027 auf 65.000 Euro.

KOMMENTARE

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Leisten??? Die Verwaltung der Stadt Gummersbach will einfach nicht. Man hört und liest immer davon, was nicht geht. Es ist schon bemerkenswert, dass eine Kreisstadt Gummersbach über keine fahrradfreundliche Anbindung bzw. Stadtquerung Richtung Marienheide, Strombach und Niedersessmar einschl. der Kreuzung Bergischer Hof verfügt.

PL, 25.06.2024, 09:17 Uhr
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