HANDBALL

„Was wir hier geschaffen haben, ist unfassbar geil“

pn; 22.01.2023, 02:30 Uhr
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Fotos: Thomas Wirczikowski, Michael Kleinjung ---- Lukas Blohme gehörte in der Hinrunde zu den stärksten Außen der Liga.
HANDBALL

„Was wir hier geschaffen haben, ist unfassbar geil“

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pn; 22.01.2023, 02:30 Uhr
Gummersbach – VfL-Rechtsaußen Lukas Blohme spricht im großen OA-Interview über die Ziele für die Rückrunde, das Abschneiden der Deutschen Nationalmannschaft bei der WM und warum er fast beim Ballett gelandet wäre - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.

Von Peter Notbohm

 

OA: Herr Blohme, Handball-Deutschland ist im WM-Fieber. Haben Sie sich das Sportdeutschland-Abo ebenfalls zugelegt oder verfolgt man als Profi die Spiele weniger intensiv?

 

Lukas Blohme: Tatsächlich habe ich es mir selbst noch nicht zugelegt. Aber natürlich gucke ich mir die Spiele regelmäßig an, vor allem die des deutschen Teams. Aber auch die, wo die Jungs aus unserer Mannschaft dabei sind. Das klappt natürlich nicht immer. Wir trainieren momentan zwei Mal am Tag und dann wird das um 18 Uhr manchmal schwierig, wenn man noch etwas einkaufen und kochen will. Selbstverständlich versuche ich aber viele Spiele zu gucken.

 

OA: Wie bewerten Sie die Spiele der deutschen Mannschaft bislang und was trauen Sie ihr im weiteren Turnierverlauf zu (Anm.d.Red.: Das Interview wurde vor dem Beginn der Hauptrunde geführt)?

 

Blohme: Ich glaube, die Jungs haben in der Gruppenphase eindrucksvoll gezeigt, dass sie wieder da sind, wo sind den nächsten Jahren auch hinwollen. Eben oben angreifen und um Titel spielen. Ich denke, dazu haben sie auch schon jetzt die Möglichkeit. Vor dem Turnier wusste ja niemand so richtig, wo diese Mannschaft steht. Mit 4:0 Punkten in die Hauptrunde einzuziehen, ist eine gute Ausgangssituation. Auch wenn die Niederlande bislang überzeugt hat, hätten wir dort auf wesentlich bessere Mannschaften treffen können. Deshalb denke ich, dass der Viertelfinaleinzug auf jeden Fall machbar ist. Ich drücke den Jungs, insbesondere Julian Köster, natürlich die Daumen, dass sie das auch schaffen.

 

[Die Spiele des deutschen Teams bei der WM in Polen und Schweden verfolgt Lukas Blohme sehr genau und äußert sich auch zu seinen eigenen Ambitionen auf das Nationaltrikot.]

 

OA: Wer sind denn Ihre Turnierfavoriten?

 

Blohme: Die Skandinavier sind natürlich immer vorne dabei. Dänemark hatte zwar keine ganz schwere Vorrundengruppe, ein Torverhältnis von plus 45 nach drei Spielen ist aber auch nicht so verkehrt. Auch die Schweden machen einen guten Job und haben den Heimvorteil im Rücken. Ich habe Ausschnitte aus der Arena gesehen, wo die Nationalhymne gesungen wurde. Da hat man die Melodie gar nicht mehr gehört, sondern einfach nur den Gesang der gesamten Arena. Das ist ein Gänsehautmoment, der so eine Mannschaft tragen kann. Auch Frankreich gehört immer zu den Favoriten, dazu können Island und Deutschland überraschen und auch die Niederlande spielt bislang ein gutes Turnier.

 

OA: 102 Tore, davon 97 aus dem Feld, bei einer Quote von 73,4 Prozent. Nicht wenige Fans hätten Sie angesichts dieser Zahlen auch gerne im Nationaltrikot bei diesem Turnier gesehen. Gab es Kontakt zu Alfred Gislason oder war das überhaupt kein Thema für Sie?

 

Blohme (grinst): Das war ehrlicherweise kein Thema, mit dem ich mich großartig beschäftigt habe. In meinem ersten Bundesligajahr habe ich vor allem versucht, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Und das ist mir zu Beginn der Saison tatsächlich auch gar nicht so gut gelungen. Da war meine Quote gar nicht so gut, hat sich irgendwann aber gebessert. Insgesamt kann ich mit meiner Hinrunde sehr zufrieden sein, sowohl mit meiner Quote als auch mit den Toren. Ich bin unfassbar stolz, den Schritt in die Bundesliga geschafft zu haben, weil ich darauf auch lange hingearbeitet habe.

 

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Natürlich haben Freunde, Familie und Außenstehende meine Leistungen gesehen und wollten mich im 35er-Kader sehen. Da muss man aber auch ein bisschen Realität walten lassen. Die zwei Wochen Regeneration haben meinem Körper gutgetan und ich will versuchen, an die Hinserie anzuknüpfen. Am Ende liegt es am Nationaltrainer, ob ich irgendwann eingeladen werde. Wenn es einmal so weit sein sollte, wäre das natürlich die größte Ehre, die man als deutscher Spieler kriegen kann. In erster Linie bin ich erst einmal stolz, dass es so gut läuft und solch ein Thema überhaupt im Raum steht.

 

OA: Ein Aufreger dieser WM waren sicherlich die Aussagen von Christian Schwarzer zur Nominierung von Frauen-Schiedsrichtergespannen für die Männer-WM. Wie bewerten Sie diese Kritik?

 

Blohme: Ich fand die Aussagen sehr schwierig. Gerade das Gespann Kuttler/Merz empfinde ich von der Kommunikation her in der Bundesliga als sehr angenehm. Für mich ist das eine schwierige Aussage, dass Männer Männer und Frauen Frauen pfeifen sollen. Ich glaube in unserer Gesellschaft sind wir schon länger über den Punkt hinweg, dass man das so kategorisieren sollte. Ich bin beileibe nicht der einfachste Spieler auf dem Feld, aber mit den beiden komme ich viel besser klar, als mit vielen ihrer männlichen Kollegen. Sie haben es sich absolut verdient, bei dieser WM zu pfeifen.

 

OA: Kommen wir zum VfL Gummersbach: Am 13. Januar war der Start der Wintervorbereitung. Wie läuft das Training ohne die Nationalspieler derzeit ab?

 

Blohme: In der ersten Woche haben wir vor allem einige Tests gemacht. Jeder Spieler hatte individuelle Laufpläne und einen Kraftplan für die freie Zeit. In der zweiten Woche ging es nun darum, den Fokus auf das Pokalspiel gegen Lemgo zu legen. Natürlich sind wir derzeit relativ wenige und unsere Schlüssel- und Führungsspieler fehlen momentan, aber das ist auch eine Chance für die Jungs dahinter und vor allem für die jungen Spieler aus der Reserve. Im Hinblick auf die Zukunft ist so eine Phase daher sicherlich nicht unwichtig.

 

OA: Geschont wird die Mannschaft von 'Goggi' Sigurdsson also nicht?

 

Blohme: Nein, überhaupt nicht. Wir trainieren derzeit zweimal täglich und das auch sehr intensiv. Aber das gehört zu so einer Vorbereitung auch dazu und 'Goggi' hat da auch ein gutes Feingefühl, wann er die Intensität im Hinblick auf Pokal und das erste Ligaspiel runterschrauben muss. So viel Zeit ist bis dahin auch nicht mehr. Ich würde aber behaupten, dass unsere Trainingssteuerung nahezu perfekt ist.

 

[Die Arbeit von VfL-Coach Gudjon Valur Sigurdsson lobt Blohme in den höchsten Tönen.]

 

OA: Wie viel Anteil hat Sigurdsson Ihrer Meinung nach an der starken Hinserie? Wie würden Sie seine Arbeit als Trainer beschreiben?

 

Blohme: Er hat einen sehr großen Anteil. Jeder, der mich fragt, weiß dass ich von unserem Trainer ein Riesenfan bin. Gerade als Außenspieler kann ich von so einem ehemaligen Weltklasselinksaußen extrem viel lernen. Zudem haben wir immer noch ein sehr bundesligaunerfahrenes Team und auch für 'Goggi' ist es das erste Jahr als Trainer in der Bundesliga. Wir haben immer noch Phasen, wo wir nicht das spielen, was wir möchten. Das hat vielleicht mit Nervosität zu tun, ist aber auch ganz normal für so ein junges Team. Da nimmt 'Goggi' uns sehr gut den Druck und die Unsicherheit, gerade weil er als Spieler alles schon einmal erlebt hat.

 

OA: Die Mannschaft hat eine starke Hinrunde fast ohne Ausreißer nach unten gespielt und war mit vielen Topteams ebenbürtig. Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass es eben nicht nur um den Klassenerhalt geht?

 

Blohme: Wir sind sehr glücklich mit dem, wo wir stehen und hätten sogar noch mehr Punkte holen können. Ich denke da an die Spiele in Göppingen oder beim BHC. Aber auch Magdeburg hatten wir Zuhause am Rande einer Niederlage. Es war kein einziges Spiel dabei, wo wir uns abschlachten lassen haben. Das schlechteste Spiel war gegen Hannover, aber selbst dort hatten wir eine starke Aufholjagd. In erster Linie ist das 'Goggis' Verdienst, der uns im Training und Spiel taktisch extrem gut einstellt und auch eine sehr gute Kommunikation hat. Generell herrscht eine hervorragende Chemie im Team. Jeder aus dieser Mannschaft hat es wahrscheinlich selten erlebt, dass ein Team so gut funktioniert. Es gibt einfach gar keine Probleme untereinander. Es ist eher so, dass jeder der einen lockeren Spruch auf Lager hat, genau weiß, dass er auch mal einen einstecken muss. Und das sieht man dann auch auf dem Feld. Als jüngstes Team der Liga können wir unbeschwert auftreten und machen uns vielleicht auch nicht so einen Kopf wie andere.

 

OA: Haben Sie Angst eine ähnliche Rückrunde wie der HSV Hamburg vergangene Saison zu erleben, der nach einer starken Hinrunde nur noch fünf Spiele gewann?

 

Blohme: Überhaupt nicht. Auch wenn uns die Erfahrung in der Bundesliga noch fehlt, weiß jeder bei uns in der Mannschaft, welche Qualitäten und Stärken wir haben. Keine Frage, zunächst zählt der Klassenerhalt, aber wenn wir jetzt zur Jahreswende 18 Punkte gesammelt haben, wollen wir das möglichst auch fortsetzen. Ob das funktioniert, kann natürlich niemand sagen. Es wird auch davon abhängen, ob wir von Verletzungen verschont bleiben und wie die Nationalspieler wiederkommen. Am Ende des Tages kommt es drauf an, wie wir auf dem Spielfeld agieren und da sehe ich uns genauso stark wie in der Hinrunde. Jeder will daran anknüpfen und darauf arbeiten wir hin.

 

[Im vergangenen Jahr schied der VfL Gummersbach im DHB-Pokal gegen den HC Erlangen aus. In diesem Jahr soll erstmals seit der Saison 2009/10 wieder der Einzug ins Final Four gelingen.]

 

OA: Sie haben das Pokal-Viertelfinale gegen Lemgo bereits angesprochen. Wie sehr brennen Sie, aber auch die Mannschaft, nach dem Aus gegen Erlangen vergangene Saison auf dieses Spiel?

 

Blohme: Ich glaube, wir hatten es letztes Jahr schon verdient, haben uns seitdem mannschaftlich aber noch einmal ein Riesenstück weiterentwickelt. Dazu ist das Final Four zum ersten Mal in Köln – und das vor 19.500 Fans. Das ist DAS Handballevent auf nationaler Ebene. Ich durfte es als Kind und als Flensburger Reservespieler schon in Hamburg erleben. Aber ich glaube, wenn man selbst auf dem Feld steht und dann auch noch als VfL Gummersbach nur 45 Kilometer entfernt spielen dürfte, ist das ein Ansporn für jeden. Unser Torhüter Fabian Norsten hat sich erst einmal angeguckt, wie eine volle LANXESS arena aussieht. Wir brennen auf das Spiel gegen Lemgo und wollen es dieses Jahr besser machen. In der Hinrunde haben wir gezeigt, dass wir jeden in dieser Liga schlagen können, wenn wir an unser Leistungsmaximum kommen. Das wollen wir am 4. Februar auch zeigen und den VfL nach 13 Jahren wieder ins Final Four bringen.

 

OA: Lukas Blohme wirft den VfL Gummersbach bei der Köln-Premiere zum DHB-Pokalsieg! Wie klingt diese Überschrift für Sie?

 

Blohme: Wenn diese Überschrift am Ende in der Zeitung steht, werde ich natürlich unfassbar stolz sein. Wenn da ein anderer Name steht, ist mir das aber auch egal (lacht). Wenn wir am Ende die Chance haben, dieses Ding zu holen, werden wir einen ähnlichen Ausnahmezustand wie beim Aufstieg erleben. Das ist aber noch Wunschdenken. Vorher wartet noch ein Spiel auf uns, um überhaupt nach Köln zu dürfen und im Final Four sind da auch nochmal zwei Spiele zu absolvieren. Aber natürlich wäre es gelogen, wenn man da nicht schon mal drüber nachdenkt und sich ein paar Sachen ausmalt. Zunächst liegt unser voller Fokus aber auf Lemgo und wenn dieses Spiel gewonnen sein sollte, können wir über andere Dinge reden und davon träumen, was in Köln alles passieren könnte – vor dann vielleicht sehr vielen VfL-Fans.

 

OA: Sie haben nach dem Aufstieg ihre Vertragsverlängerung bis 2025 bekanntgegeben. Ihre Verlobte lebt mittlerweile auch hier und spielt beim HC Gelpe/Strombach. Können Sie sich vorstellen, noch lange hierzubleiben und langfristig sesshaft zu werden?

 

Blohme: Ich bin 2019 in der Saison nach dem Abstieg nach Gummersbach gewechselt und habe mich bewusst für ein neues Umfeld entschieden. Ich habe mich schon in Hamm sehr wohl gefühlt, wusste aber, dass es auch beim VfL sehr familiär zugeht. Ich hätte mir damals allerdings nicht ausmalen können, dass der Wohlfühlfaktor hier noch einmal deutlich größer als in Hamm ist. Dass meine Verlobte nun nach mehreren Jahren Fernbeziehung hergezogen ist, führt vielleicht auch noch einmal zu einer Leistungssteigerung, weil ich hier nun alles beisammen habe.

 

Ich war noch nie ein Spieler, der irgendwohin gewechselt ist, weil er mehr Geld verdienen wollte, sondern bin immer noch der, der mit vier Jahren angefangen hat, Handball zu spielen, weil ich Spaß daran hatte. Auch wenn mein Papa sagen würde: „Lukas du warst so schlecht, dass ich dich zum Ballett schicken wollte“ (lacht). Jeder junge Handballer hat das Ziel in den großen Arenen bei den Topvereinen zu spielen. Was wir hier in Gummersbach geschaffen haben, ist unfassbar geil. Das ist ein Projekt, das stetig nach oben geht und gerade weil ich den Aufschwung mitmachen durfte, bin ich umso stolzer darauf. Gar keine Frage, dadurch dass meine Verlobte und ich uns hier sehr wohlfühlen, können wir uns vorstellen noch viele Jahren hierzubleiben. Wenn alles passt, ist das auch gar nicht so unrealistisch.

 

KOMMENTARE

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Lukas ist ein wunderbarer Handballer der in die Nationalmannschaft gehört.

Lothar, 22.01.2023, 09:20 Uhr
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