HANDBALL
"Natürlich werden wir ein Ausbildungsverein sein"
Gummersbach – VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler im Interview über einen harten Sparkurs, Schuldenabbau, sportliche Chancen und Neuzugänge - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Bernd Vorländer
OA: 2019 war für den VfL Gummersbach extrem schwierig: Abstieg und Neuaufbau in der 2. Liga. Was hat dieses Jahr mit Ihnen gemacht und wohin rollt der VfL-Express 2020?
Schindler: Es war und ist schwierig. Sportlich natürlich, aber eben auch finanziell. Ich wurde im vergangenen Sommer alleiniger Geschäftsführer und konnte mir erstmals einen kompletten Einblick über die Finanzen und den Schuldenstand verschaffen. Was folgte, war eine Mammutaufgabe und hat uns extrem gefordert. Aber ich bin mit dem vergangenen halben Jahr sehr zufrieden.
OA: Was heißt das konkret?
Schindler: Wir haben finanziell Dinge umgesetzt, an die wir Monate vorher nicht zu hoffen geglaubt hatten – nämlich einen Großteil der Schulden abzubauen und extrem Kosten zu reduzieren. Wenn wir das nicht durchgeführt hätten, würde es den VfL heute nicht mehr geben, wir standen ziemlich nah am Abgrund. Sportlich haben wir Lösungen gefunden, die größtenteils zufriedenstellend waren, auch wenn die beiden letzten Spiele im Dezember das Bild etwas getrübt haben. Aber die Stimmung rund um den VfL ist gut, die Fans halten uns die Treue, wir haben noch nie so viele Dauerkarten verkauft. Der VfL ist heute gesünder, als viele Jahre zuvor. Allerdings werden wir auch weiterhin sehr hart arbeiten müssen. Es stehen in den kommenden Wochen Gespräche an, die zeigen werden, was sich der VfL in der Saison 2020/21 leisten kann. Der Etat bestimmt darüber, inwieweit wir Verträge der Spieler verlängern, bzw. neue Akteure holen können.
OA: Der VfL hat eine ruhmreiche sportliche Vergangenheit. Wird man künftig eher ein Ausbildungsverein sein?
Schindler: Dass wir in diese Saison mit zehn Kaderspielern aus dem eigenen Nachwuchs gegangen sind, ist natürlich auch begünstigt durch die finanzielle Situation und den Abstieg. Das ist für den einen oder anderen aber auch eine riesige Chance. Eigener Nachwuchs oder auch junge Spieler von außerhalb – das wird für den VfL auch in den kommenden Jahren von großer Wichtigkeit sein. Natürlich werden wir ein Ausbildungsverein sein, so wie die Hälfte der Vereine in der 1. Liga. Ich finde das nicht schlimm. Wir werden den Bereich des Scoutings noch mehr wertschätzen müssen, um frühzeitig Talente aufzuspüren, denn hochkarätige fertige Spieler werden wir nicht holen können.
OA: Ist es sinnvoll, wenn der VfL Gummersbach am Ende dieser Saison aufsteigen würde? Die Chance ist ja immer noch da.
Schindler: Wir alle haben den Wunsch, den VfL irgendwann wieder in der Ersten Liga zu sehen – lieber gestern als heute. Ich muss aber ganz deutlich sagen: Meine oberste Priorität ist nicht die Liga, in der wir spielen, sondern den VfL weiter zu konsolidieren, seriös zu arbeiten und nur so viel Geld auszugeben, wie wir zur Verfügung haben. Wenn das dann bedeutet, dass man keine Mannschaft zusammenstellen kann, die aufsteigt oder sich in der Ersten Liga behaupten kann, dann ist das die bittere Pille, die wir schlucken müssen. Ich bin nicht dafür verantwortlich, Erstliga-Handball in Gummersbach zu garantieren, sondern den VfL am Leben zu erhalten und zu neuer Stärke zu führen. Die Fehler der Vergangenheit, nämlich regelmäßig mehr Geld auszugeben, als man einnimmt, haben fast dazu geführt, dass es den VfL nicht mehr gegeben hätte.
OA: Was ist heute anders, als im vergangenen Sommer?
Schindler: Wir setzen auf größtmögliche Transparenz, auch in finanziellen Dingen. Wir sprechen viel mit unseren Sponsoren und werden in Kürze auch die Öffentlichkeit informieren. Nur soviel vorab: Wir haben Personalkosten im Millionenbereich eingespart und müssen trotzdem immer sehen, wie wir den Kopf über Wasser behalten. Dass man dann auch irgendwann keine Zugehörigkeits-Berechtigung mehr in der Ersten Liga hat, leuchtet, denke ich, jedem ein. Ich versuche es mal auf den Punkt zu bringen: Wenn diese Region Erstliga-Handball sehen will, dann muss man Erstliga-Handball auch finanzieren. Wir versuchen das Geld der Sponsoren, ohne die Profi-Handball nicht möglich ist, bestmöglich und transparent einzusetzen. Die Fragen nach dem Schuldenstand, nach Etat und den daraus resultierenden sportlichen Möglichkeiten hört man berechtigterweise immer wieder – und wir wollen die Geheimniskrämerei beenden.
OA: Wer in Gummersbach über finanzielle Realitäten und sportliche Konsequenzen Klartext redet, muss mit Gegenwind rechnen. Die Erfolgsstory des VfL in der Vergangenheit lässt manchen träumen.
Schindler: Ich bin jetzt zehn Jahre in Gummersbach – als Spieler, Sportdirektor und Geschäftsführer. Ich weiß, wie emotional verbunden viele Menschen mit dem VfL sind. Und mir wäre nichts lieber, als dass der VfL bald wieder gegen Kiel und Flensburg um Punkte spielen würde. Aber das Ganze muss nachhaltig und seriös ausgestattet sein. Es wird immer Kritiker geben, gerade nach einem Abstieg. Doch wer die Zahlen kennt, wird mir recht geben, dass unser Weg alternativlos ist. Und dazu gehört, dass wir unsere Akademie deutlich mehr als früher zeitlich wie finanziell unterstützen. Es hilft uns sportlich, aber auch bei der Identifikation von Fans und Sponsoren für die Mannschaft.
OA: Sportlich haben nicht alle Neuzugänge eingeschlagen, von Filip Ivic dürften Sie sich mehr versprochen haben?
Schindler: Filip Ivic war ein Transfer, in der Hoffnung, zusammen mit Matthias Puhle das mit Abstand beste Torhüter-Gespann der Zweiten Liga zu stellen. Das ist so nicht eingetroffen. Filip hat in keinem Spiel der Hinserie das zeigen können, was wir von ihm erwartet haben, was er aber auch selbst von sich erwartet. Wir haben dann gemeinsam mit dem Spieler entschieden, dass es im Sommer nicht mehr gemeinsam weitergeht. Aber wir sind auch insgesamt mit den Torhüterleistungen nicht zufrieden und erwarten eine klare Leistungssteigerung in der Rückrunde.
OA: Benötigt der VfL angesichts zahlreicher junger Spieler nicht einige erfahrene Leitwölfe, um dem Team mehr Struktur und Selbstvertrauen zu geben?
Schindler: Das stimmt, uns fehlen Führungsspieler, die auch vorweggehen. Wir haben das nach dem Abstieg auf mehrere Schultern verteilt, aber wir werden versuchen, da noch mal die eine oder andere Stellschraube im Kader zu drehen. Der Ausfall von Alexander Hermann und Robin Haller ist natürlich auch die Chance für andere Spieler, sich in der Rückserie zu zeigen. Die Mannschaft, das möchte ich betonen, ist absolut intakt. Die neuen Spieler sind hervorragend integriert worden, die Truppe hat einen sehr guten Charakter.
KOMMENTARE
1
Man kann über CS ja sicher geteilter Meinung sein, aber was er hier im Interview sagt, hat meines Erachtens Hand und Fuß! Seine Absichten sind gut und richtig, vieles hängt halt am Geld und die finanzielle Konsolidierung geht vor! Die Sünden der Vergangenheit müssen bestraft/getilgt werden.
Bin mal gespannt was Handballkenner Reniar hier kommentieren wird!?
2
Dieses Interview wird erst genau dann was wert sein, wenn Herr S seinen Worten Taten folgen lässt und der Öffentlichkeit nach 29 Jahren Blindheit und kompletter Intransparenz einmal wirklich aufzeigt, was beim VfL Fase ist! Andernfalls kann man genau dieses Gespräch nehmen und vergleichen mit den alljährlichen Resumees in den vergangenen Jahrzenten. Wechselnde Köpfe, gleiche Worte. Nur wird man sich daran gewöhnen, dass nunmehr von zweiter Liga und nicht von Beletage etc. die Rede ist. Aber Altlasten, unmenschlichen Schuldenabbau, Existenzkämpfe, Hochfahren der Jugenunterstützung sind Worthülsen, die keiner mehr hören kann! Tun Soe endlich was Herr S! Sonst nennt man Sie auf und ab der Agger vermutlich Punxsutawney Phil und wartet kopfschüttelnd auf das nächste Resümee vom nächsten GF
3
Leider immer wieder dieselben Worte wie in der Vergangenheit.
Sportlich und in der Aussendarstellung geht es faktisch bergab.
4
Nicht immer war ich ein Freund von C.S.. Dies hat sich aber schon seit einiger Zeit geändert. Ich finde dieses Interview sehr gut. Es zeigt deutlich, das hier nicht an den Tatsachen vorbei argumentiert wird. Im Gegenteil. Sehr authentisch und mit dem richtigen Anspruch für die kommenden Jahre.
Jedem sollte klar sein, in welcher schwierigen Lage der VFL immer noch sich befindet. Und persönlich finde es sehr gut, das C.S diesen Weg gehen wird und geht. Und natürlich sollten die Firmen im Oberbergischen sich explizit klar sein, ohne massive finanzielle Unterstützung ,wird es nicht so einfach sein, in die erste Liga aufzusteigen und die Klasse zu halten. Ferner ist die Entschuldung ein sehr wichtiger weiter Baustein. Ich selber habe C.S meine volle Unterstützung zugesagt.
5
Lieber Michael, bin ich bei dir. Großes ABER: die fehlende Tat macht den Redner zum Schwätzer!
Daher sind wir mal gespannt, was den großen Ankündigungen folgt...
6
In der ehemaligen DDR und später in der gemeinsamen Bundesrepublik ist er als Jugendhandballer beim HC Bad Liebenwerda groß geworden. Dann Profi bei Cottbus, Altenholz, THW Kiel, Balingen, Dormagen und dann zum Schluss der VfL. Seit Juli 2017 ist er für den VfL in der sportlichen und später auch für die finanzielle Situation in der Verantwortung. Welche Erfolge hatte er in den 2,5 Jahren? 2 Trainer entlassen. Mehrere Fehler beim Einkaufen von neuen Spielern. Abstieg aus der Bundesliga. Neues Imagekonzept für den VfL? Welche Jugendspieler haben sich in seiner Zeit aus der Akademie in die erste Sieben des Bundesligateams oder heutigen 2. Ligateams gespielt? Fynn Herzig, das größte Talent aus der Akademie wird aktuell mit Spielen in der 2. und 3. Liga verheizt.
reniar, 29.01.2020, 07:34 Uhr7
Ich glaube Herr Schindler, hat eine große Gruppe an Entscheidern hinter sich. Sonst wäre er schon lange nicht mehr verantwortlich für das sinkende Schiff VfL. Aufbruch hat etwas mit Machen zu tun und nicht mit Reden. Beim Machen hängt es leider beim VfL schon seit Jahren. Nicht schon seit 2,5 Jahren.
Nachhaltigkeit beginnt in der Jugendarbeit. Wer nur andere Kinder für seine Akademie abwirbt und nicht selber ausbildet, ist leider nur ein „Klauer“. Durch ein neues innovatives Jugendkonzept für unsere Handballregion hätten auch die vielen Breitensportvereine etwas davon. Dann würden auch wieder Spieler wie Heiner Brand aus unserer Region kommen. So ist alles nur eine Frage der Zeit.
8
Wieder mal nur bla, bla , bla.
Mit wem ist denn der VfL abgestiegen? Wer hat denn den 18.000,-- Euro Torwart verpflichtet?
Wer hat den Haller verpflichtet? Wer hat denn zwei Trainer bezahlt?
Viel Geld ausgegeben für eine völlig unnütze Werbeaktion mit der Pommesgabel?
War es nicht der GF Christoph Schindler? Nein , es waren alle anderen schuld, nur er nicht!!!
9
Karnevalshochburg Gummersbach
, 30.01.2020, 17:43 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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