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Doldinger, Helge und noch mehr Spitzenklasse
(vma/9.5.2002-16:00)Von Vera Marzinski
Wiehl Der "Meister erster Klasse" Klaus Doldinger scharte zehn geniale Musiker um sich und bescherte den Wiehler Jazztagen einen köstlichen Reigen Jazzmusik.


Eine Stilpalette von sphärisch bis funkig, von Softjazz bis Free mit insgesamt elf Musikern auf der Bühne besser konnte der Mittwochabend der 13. Wiehler Jazztage gesponsert von Radio Berg - gar nicht werden. Klaus Doldinger ist sowieso schon eine Klasse für sich. Der Saxophonist, Klarinettist und Komponist ist einer der herausragenden Jazzer der Bundesrepublik. Es ist unmöglich, Doldingers Anzahl an bekannten musikalischen Auszeichnungen und Anerkennungen in Kurzform aufzuführen. Mit seiner erfolgreichen Band "Passport" nahm er in den 70-ern nicht nur einen Platz bei den deutschen Charts ein, sondern auch beim amerikanischen Billboard, Cash Box, Record World und dem Reader's poll bei Down Beat Magazine. Seine CD "Down to Earth" brachte ihm einen Preis bei den German Jazz Awards ein.

Doldingers musikalische Vielfalt ist unverkennbar, besonders sein Gespür fürs Minimale, wodurch er sich nicht in langen und komplexen Arrangements verfängt. Gleichbleibend ist bei Klaus Doldinger immer die reine Lust des Zusammenspiels mit der Band "Passport", die zunächst in der aktuellen Besetzung auf der Bühne stand. Für den Abend in der Wiehltalhalle war eine "Trilogie" geplant Doldinger Special mit "Passport classic", "Passport today" und "Special friends". Seit Gründung von "Passport", 1971, stand Doldinger mit seiner Band in wechselnden Besetzungen schon fast 1000 Mal auf der Bühne. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren konnten Jazzliebhaber schon einmal Doldinger und seine Musik genießen.

Genießen konnte man das facettenreiche Programm auch am Mittwochabend. Allein die hervorragenden Musiker um Doldinger waren schon Garant für ein sagenhaftes Gelingen. Einer davon war Helge Schneider. Der bei den meisten als Komiker bekannte Star ist auch ein renommierter Jazzmusiker. Davon überzeugte er in der Wiehltalhalle wohl jeden. Aber den Klamauk ließ er nicht ganz weg. So zeigte er sich anfänglich als "ein wenig müde" und stellte verschlafen die Fragen: "Wo sind wir hier? Wie heißt das?" Den Duke Ellington "A-train" hätten sie nicht abgesprochen, betonte Helge, bevor Doldinger die ersten Zug-Töne von sich gab und die musikalische Fahrt begann. "Hat ja noch mal jut jejangen", kommentierte Doldinger das erste Stück mit Helge.

Ob Helge auch singen würde? Die Frage stellten sich wohl einige Besucher und Doldinger sprach ihn auch darauf an. Singen würde er nur, wenn er gut gelaunt sei und just in diesem Moment hätte er furchtbar schlechte Laune. Doldingers musikalischer Vorschlag änderte dies jedoch und so ließ sich Helge erweichen. Allerdings nur zum Scatgesang. Dieser käme vom Skatturnier und da der Text zu überladen sei, verkürze man ihn, verriet Helge. Er könne den Text zwar, aber es seien zu viele Wörter drin. So kneiselte er erst ein paar "Dum-di-dums", doch er konnte auch in schön "scatten". Mit viel "Da-bi-du-du-Kaugummi-weg-da-ba-da" und spontanen Griffen in die Tastatur seiner Hammond B 3 brachte er das Publikum zum Rasen.

"Klaus gehts noch?", so Helge ganz besorgt nach dem rasanten Stück. Eine Ballade, deren Komponisten die beiden leider nicht nennen konnten, obwohl Helge lange in seinem Erinnerungen wühlte, ließ ein wenig ausruhen, bevor ein genialer Jazz-Standard präsentiert wurde. Sonny Rollins "St. Thomas" ging runter wie utter in dieser unvergleichlichen Interpretation. Gleichzeitig mit Helge war Schlagzeuger Willy Ketzer auf die Bühne gekommen und zeigte sein Können. Auch Patrick Scales am Bass glänzte hier wieder, der ebenso wie Doldinger ständig auf der Bühne zu finden war. Bei "Passport classic" fiel Bassist Tba aus und so musste Scales die ganze "Trilogie" begleiten.

Remixe aus 70-er Jahre Stücken, die einen neuen Sinn durch die Improvisation bekamen, begeisterten ebenso wie die absolut genial verjazzte Titelmelodie des "Tatort", die aus Doldingers Feder stammt. "The cat from Katmandu" von 1972 hat zwar schon 30 Jahre auf dem Buckel, klang aber überhaupt nicht verstaubt. Wie Filmmusik wirkte auch "Atarxia" nach einer Arrangement-Idee des Keyboarders Roberto Di Goia. Ein Ausflug in die Galaxis mit synthetischen Klängen zog durch die Halle.
Enthusiastisch schwärmte Doldinger von seiner Idee, Freunde der frühen Zeiten zu "featuren". So holte er Schlagzeuger Curt Cress und Keyboarder Christian Schulze zum "Passport classic" auf die Bühne. Zum Quartett vervollständigte Patrick Scales und schon zauberten sie das "Yellow Dreams", welches früher oft im Passport-Quartett gespielt wurde, heraus. Dass die beiden "Passport classic" Musiker immer noch viel drauf haben, davon konnte sich das Publikum ausgiebig überzeugen. Zum Schluss des Ausflugs in alte Zeiten hatte Doldinger mit seinem Sax nicht den geplanten letzten Ton, doch genau solche Momente zeichnen eine brillante Band aus dann klingt es immer noch "einfach genial gut".

Ein besonderes Erlebnis war aber der Song "Sahara Sketches", der zaghaft, nur mit Klaus Doldinger an der Flöte, anfing. Eindrucksvoll der Gesang von Percussionist Biboul Darouiche. Die Percussionisten Biboul Darouiche und Ernst Stoer zelebrierten ihre Einsätze in spielerischer Weise und genau das kam die ganze Zeit positiv rüber: die Musiker von "Passport" haben soviel Spaß am Zusammenspiel, das es eine wahre Wonne ist ihnen zuzuhören und zuzusehen. Deutlich wurde bei Passport, dass die Musik eine hohe Kunst der Konversation ist.

Perfekt ausbalanciert waren auch die Soli. Gerade so lang und üppig, das jeder drauflos spielen und eindrucksvoll seine Kompetenz unter Beweis stellen konnte. Sei es Peter OMara mit Gitarrensoli oder Ernst Stoer mit einer wahrhaftigen Percussion-Salve. Zum guten Schluss kamen alle elf Musiker auf die Bühne Klaus Doldinger (Saxophon), Christian Schulze, Roberto Di Goia (beide Keyboards), Curt Cress, Christian Lettner und Willy Ketzer (Schlagzeug), Peter OMara (Gitarre), Patrick Scales (Bass), Ernst Stoer und Biboul Darouiche (Percussion) und natürlich Helge Schneider (Hammond B 3 und Gesang). Duke Ellingtons "C-Jam-Blues" wurde zum Erlebnis der besonderen Art. Allein die Übergabe der Percussion-Soli beeindruckte nach dem Motto "Du jetzt oder ich?" und es harmonierte in perfektester Weise. Mit diesem Abend hatten die Organisatoren etwas ganz besonderes auf die Bühne gebracht, was auch die Zuschauer mit mehrfachen stehenden Ovationen unterstrichen.














