Bilder: Michael Kleinjung --- Betretene Gesichter bei den VfL-Akteuren nach der deutlichen Niederlage gegen die HSG Wetzlar.
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Große Chance leichtfertig aus der Hand gegeben
Gummersbach Der VfL Gummersbach unterliegt am Nachmittag der HSG Wetzlar mit 30:35 (13:18) und offenbart dabei erneut erhebliche Abwehrschwächen - Kurtagic-Team steht jetzt vor schwierigen Aufgaben.
Von Bernd Vorländer
VfL Gummersbach HSG Wetzlar 30:35 (13:18).
Diese Szene aus der Anfangsphase hatte Symbolcharakter für das gesamte Spiel. Borko Ristovski im VfL-Gehäuse konnte beim Spielstand von 4:6 einen der wenigen Schüsse aus dem Rückraum, diesmal von Wetzlars Michael Müller parieren und jagte dem in Richtung der Gummersbacher Abwehr abprallenden Ball hinterher. Das Spielgerät bahnte sich jedoch den Weg durch drei Akteure des VfL hindurch - zu Michael Müller. Der Gummersbacher Keeper stand inzwischen neben seinen blau-weißen Kollegen und Müller versenkte das Leder im leeren Tor. Kopfschütteln auf den Rängen und der Beginn eines aus Sicht der Gastgeber sehr schwachen Spiels. 40 Minuten lang fuhren die Gäste ordentlich Schlitten mit den immer noch abstiegsbedrohten Hausherren und schalteten erst zum Ende hin bei einer beruhigenden Elf-Tore-Führung einige Gänge zurück.

[Seine Einstellung stimmte: Jörg Lützelberger bei einem seiner acht Tore.]
Dabei wäre für den VfL bei einer Leistung aus den Heimspielen gegen Göppingen oder Melsungen durchaus mehr drin gewesen gegen solide, aber keineswegs überragende Gäste, bei denen auch Steffen Fäth zu überzeugen wusste, der noch 2010 vom VfL als Fehleinkauf bezeichnet und weitertransferiert worden war. Doch ein erschreckendes Abwehrverhalten, gepaart mit einiger Unerfahrenheit und uninspirierten Mannschaftsteilen sorgten dafür, dass der VfL letztlich chancenlos war. Bezeichnend: Dreimal zeigten die Schiedsrichter in der ersten Hälfte ein Zeitspiel gegen Wetzlar an, dreimal klingelte es kurz danach im Gummersbacher Gehäuse. Es war, als ob einige Spieler plötzlich abschalteten, weil sie den Ballgewinn schon als erledigt betrachteten, statt jetzt die Konzentration hoch zu halten.

[2010 war Steffen Fäth vom VfL nach Wetzlar gewechselt - und zeigte seine Qualitäten.]
Eine Überzahl in der Mitte der ersten Hälfte brachte drei Gegentore, ohne dass man selbst verwandelt hätte. Ein letztes Beispiel: Sechs Sekunden waren im ersten Abschnitt noch zu spielen, als Wetzlar nach einem Gummersbacher Torgewinn Linkshänder Daniel Valo in Position brachte, der mit einem Wurf aus dem Stand in den Torwinkel verwandelte. Es waren diese Aussetzer, die dem VfL das Genick brachen und für die auch der heute beste Spieler im blauen Dress, Jörg Lützelberger, keine Erklärung hatte. Wir bringen in der Deckung nicht das, was man in unserer Situation zeigen muss, fiel das ernüchternde Fazit des Kämpfers aus. Während er sich neben Fredrik Larsson und Adrian Pfahl die Bestnote nicht nur aufgrund des Einsatzes, sondern auch seiner Torquote verdiente, fielen andere Spieler stark ab.
Raul Santos mag sehr gute Anlagen haben, doch fehlt ihm noch die Kaltschnäuzigkeit, was bei seinem Alter aber auch nicht verwunderlich ist. Christoph Schindler war sehr bemüht, hatte insgesamt jedoch nicht seinen besten Tag. Vedran Zrnic vergab anfangs zwei gute Chancen und blieb fortan auf seiner rechten Seite wirkungslos. Beide Torhüter zeigten erneut, dass die Gummersbacher Deckungsproblematik zwischen den Pfosten beginnt.
Das Spiel indes ist schnell erzählt. Nach einem ersten Abtasten und einem 4:6 enteilten die Gäste bis zum 6:11 (19.). VfL-Coach Emir Kurtagic nahm die Auszeit und fortan lief es richtig gut für sein Team, das innerhalb von vier Minuten beim 11:12 wieder dran war. Doch der Schlendrian war einfach nicht aus der Abwehrarbeit zu vertreiben, so dass die Hessen zur Halbzeit wieder deutlich vorne lagen. Nach dem Wechsel war die Frage über den Sieger recht schnell beantwortet. Über 13:21 (33.) und 18:25 (44.) trat Wetzlar nach dem 19:30 (47.) auf die Bremse und der gebürtige Oberberger auf der Wetzlarer Bank, Kai Wandschneider, gab allen Akteuren Spielpraxis. Derweil waren die rund 50 mitgereisten HSG-Fans längst zum Feiern übergegangen. Der VfL steht jetzt vor schwierigen Aufgaben beim Tabellenzweiten Rhein Neckar Löwen und anschließend daheim gegen den Tabellensechsten aus Hannover.

[Adrian Pfahl traf achtmal und erfüllte damit die Erwartungen.]
Während VfL-Trainer Emir Kurtagic vor allem den Kräfteverschleiß der englischen Woche für die Leistung seiner Mannschaft verantwortlich machte, wird sich mancher Beobachter gefragt haben, ob sich alle VfL-Spieler der Tabellen-Situation wie auch der großen Chance bewusst waren, sich mit einem Erfolg gegen die HSG viel Luft im Abstiegskampf zu verschaffen. In der Deckung fehlten der letzte Biss und die Galligkeit, ohne die man solche Spiele nicht für sich entscheiden kann. Was hatte der Torwart-Titan Oliver Kahn nach einem verlorenen Spiel seines FC Bayern im September 2003 auf Schalke in die Mikrofone gesagt: Eier, wir brauchen Eier.
Trainerstimmen:
Emir Kurtagic: Das war ein verdienter Sieg der HSG, die über 60 Minuten gut agiert hat. Natürlich war die Abwehr das Hauptproblem, weil wir nicht aggressiv genug waren. Nach 35 Minuten war die Partie schon gegessen. Wir haben gegen Melsungen und Großwallstadt viel Kraft gelassen, das konnte man heute merken.
Kai Wandschneider: Natürlich war dieses Spiel keines wie jedes andere. Das hatte für mich als jemand, der hier viele Handballer kennt, einen besonderen Touch. Ich bin mit meiner Mannschaft sehr zufrieden, wusste aber nicht, ob die Kraft reichen würde und wäre vorher auch mit einem Punkt zufrieden gewesen. Aber wir waren stark in der Deckung hatten mit Marinovic einen starken Keeper und mit Steffen Fäth und Daniel Valo ein gutes Rückraum-Duo. Das tut unserer Moral sehr gut, ehe jetzt sieben Spieler zu diversen Nationalmannschaften fahren.

[Daniel Valo war auf HSG-Seite von der Gummersbacher Deckung nie in den Griff zu bekommen.]
VfL Gummersbach
Borko Ristovski 1.-16. und 51.-60.
Aljosa Rezar 17.-50.
Jörg Lützelberger (8)
Adrian Pfahl (8/1)
Fredrik Larsson (5)
Michal Kopco (3)
Vedran Zrnic (2)
Raul Santos (2)
Christoph Schindler (1)
Barna Putics (1)
Dennis Krause
Jan-Lars Gaubatz
Nemanja Mladenovic (n.e)
Andreas Heyme (n.e.)
Robin Teppich (n.e.)
Kentin Mahé (n.e)
HSG Wetzlar
Nikola Marinovic
Nikolai Weber (n.e.)
Daniel Valo (7)
Tobias Reichmann (6)
Jens Tiedtke (5)
Steffen Fäth (5)
Kevin Schmidt (4/3)
Michael Müller (3)
Adnan Harmandic (3)
Fannar Fridgeirsson (1)
Christian Rompf (1)
Alois Mraz
Moritz Zörb
Zuschauer: 2.105
Schiedsrichter: Christian Moles/Lutz Pittner
Siebenmeter: 1/4 1/3 (Pfahl verwandelt Schmidt scheitert an Rezar).
Zeitstrafen: 8:8 Minuten (Kopco , Schindler, Lützelberger, Santos Schmidt, Fridgeirsson, Mraz, Fäth)
Beste Spieler: Lützelberger, Pfahl Valo, Harmandic, Fäth
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