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Nahost-Forum: Nazzal will unabhängige palästinensische Friedensintiative gründen
(om/25.2.2002-19:50) Von Oliver Mengedoht
Wiehl - "Mein Traum ist der von ganz Israel: Frieden, im Nahen Osten so leben wie die Völker in Europa in Frieden mit allen arabischen Völkern", lautete das Fazit von Simon Alfasi, Bürgermeister der israelischen Partnerstadt Jokneam nach dem Nahost-Forum.

So versprach er denn auch gleich, ein solches Forum mit beiden Seiten, mit Israelis und Palästinensern an einem Tisch, auch in seiner Stadt ins Leben zu rufen. Und auch Mohamed Nazzal, der Vertreter der Palästinensischen Generaldelegation in Bonn, nahm offenbar ein bisschen Hoffnung mit nach Hause: "Ich nehme viel Mut mit, dee wenn schon so viele Deutsche so weit weg hier den ganzen Tag zuhören und diskutieren, müssten es bei uns doch noch mehr sein. Ich überlege, mit wem ich spreche, um eine unabhängige palästinensische Friedensbewegung zu schaffen."

Freundeskreis-Vorsitzender Gerhard Hermann und seine vielen Mitstreiter im Verein, die sich für das Treffen eingesetzt hatten, um ein Mosaikstückchen auf dem Weg zum Frieden beizutragen, können wirklich stolz sein auf das Erreichte. Auch Sparkassendirektor Wolfgang-Ludwig Mehren, ebenfalls im Vorstand des Freundeskreises, war begeistert: "Für mich war heute morgen das Stärkste", erinnerte er sich an die Morgenveranstaltung, bei der Alfasi, Abdul-Rahman Alawi (Korrespondent der Palästinensischen Nachrichtenagentur, Abu Dayyeh (Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem) und der Jerusalemer Historiker und Schriftsteller Reuven Moskovitz unter Bürgermeister Becker-Blonigens Moderation über "Verantwortung, Wirtschaft und Arbeit gegen den Krieg" diskutiert hatten.

Alfasi ist überzeugt, dass Arafat den Terror sofort beenden könne: "Das hat er '96 geschafft, das kann er auch heute." Das einzige, was beiden Völkern Frieden bringen könne, sei die Annahme des Mitchell-Plans durch Arafat - "wir wünschen uns nur eine Woche ohne Attentate, dann sind wir bereit, uns zusammenzusetzen und zu reden. Die Mehrheit des israelischen Volkes ist immer noch bereit, einen hohen Preis für den Frieden zu zahlen."

Unbelehrbare gebe es nicht nur hier, erwiderte Nazzal, sondern auch in Israel, "die trotz der ersten Intifada und allem, was sie gekostet hat, nichts daraus gelernt haben. Es gab die Möglichkeit für einen gemeinsamen Friedensprozess, aber mit der Demütigung Arafats erreicht man nichts" Scharon genieße es, wie er mit Arafat umgehe. "Aber es geht nicht um die Person Arafats, er verkörpert etwas, deswegen kämpft unser Volk weiter und unterstützt ihn, weil es weiß, wofür: die Unabhängigkeit."


Hamas und El Dschihad, die beiden größten Gruppen in Palästina, hätten sich erst ab 1987 entwickelt, als Israel die volle Kontrolle über die besetzten Gebiete gehabt habe. "Sie haben zugeschaut, wie diese Gruppen immer größer wurden, um Arafat zu schwächen. Jetzt sind sie eine Gefahr nicht nur für Israel, sondern auch für Palästina", erklärte Dayyeh. Und der israelische Botschafter a.D. Primor war so ehrlich, zuzugeben, dass "es stimmt, in den 80-ern haben wir zugeschaut, um die PLO zu schwächen, obwohl das heute kaum einer bei uns zugeben würde".



So denkt auch Reuven Moskowitz, Historiker und Mitglied der Friedensinitiative aus Jerusalem. Die letzten zwei Wochen hätten gezeigt, dass die Friedensinitiative lebe, "Zehntausende haben haben demonstriert, weil die Besatzung uns tötet." Dennoch glaube er, dass diese Welt, die Israel und Palästina geschaffen hat, dafür Sorge tragen müsse, dass diese zwei Völker dort in Frieden leben können. "Auf die Amerikaner ist kein Verlass, die sind zu einseitig interessiert. Die Europäer müssen ran."

Ex-Botschafter Primor erwartet von den Europäern nicht viel. "Ich bin nicht gegen Einmischung von außen, ich halte sie nur nicht für realistisch." Ben Gurion habe einmal gesagt, der Unterschied zwischen einem Staatsmann und einem Politiker ist, dass der Staatsmann an die nächsten Generationen denkt, der Politiker nur an die nächste Wahl. "Wir brauchen solche Staatsmänner, die auch unbeliebte Beschlüsse fassen, Risiko eingehen. Ich sehe die nicht."
Auf die Zuschauerfrage nach den palästinensischen Flüchtlingen erläuterte Primor, dass der überwiegende Teil Israels sie als direkte Bedrohung empfinde. "Wir sind sechs Millionen Menschen auf einer Fläche von Hessen, davon eine Million Palästinenser. Fünf Millionen Juden also - wenn die vier Millionen Flüchtlinge zurückdürften, wäre das das Ende des Staates Israel, wäre Selbstmord." Die Juden hätten sich aber nicht in den palästinensischen Gebieten niederlassen sollen, "das gebe ich zu, überhaupt sollten wir die Siedlungen dort räumen".

