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CDU-Chef an der Werkbank: Bei ISE fordert Rüttgers Stufensystem für Azubis
(dr/12.9.2003-21:00) Von Dagmar Reusch
Bergneustadt - Im Rahmen seiner Lehrstellen-Aktion besuchte der Landesvorsitzende der CDU Dr. Jürgen Rüttgers heute die Firma ISE - Bei einer Besichtigung der Lehrwerksatt und anschließendem Gang durch einen ausgewählten Teil des Betriebes kamen er und die mit eingeladenen CDU-Politiker mit den Auszubildenen und deren Ausbildern ins Gespräch.

Der Landtagsabgeordnete Hagen Jobi und Landrat Hans-Leo Kausemann konnten die vorbildliche Ausbildungspolitik des Bergneustädter Unternehmens haunah erleben. Ich habe noch keine Schwielen, erzählte Evgenija Frei, die seit dem 1. September in der Lehrwerkstatt arbeitet. Auch Bundestagstagsabgeordneter Klaus-Peter Flosbach wollte sich ein Bild von der Ausbildungssituation bei ISE machen.
Rüttgers will auf seinen Touren die Unternehmen besuchen, die schon lange junge Leute ausbilden oder sich bereit erklärt haben, mehr Auszubildende einzustellen, als ursprünglich geplant. Ich möchte persönlich den verantwortlich Leuten meinen Dank aussprechen, so der Landespolitiker. Er weiß, wovon er spricht, denn in seiner politischen Karriere war er auch einmal für das Ressort Bildung zuständig.
Auf Kreisebene ist man ebenfalls dabei, die Werbetrommel für mehr Ausbildungsplätze zu schlagen. Klaus-Peter Flosbach, Bundestagsabgeordneter und CDU-Kreisvorsitzender: Im Kreis sind uns 440 offene Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz bekannt; demgegenüber stehen aber nur 118 Lehrstellenangebote. Wir müssen also noch mehr als 300 Stellen finden. Rüttgers sagte, dass ihm bewusst sei, dass diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz findet, in Zukunft arbeitslos sein werden.

Als Unternehmen haben wir eine moralische und soziale Verpflichtung, erklärte ISE-Ausbildungsleiter Joachim Kühlem. Das Unternehmen bildet schon seit Jahren Jugendliche im gewerblichen und im kaufmännischen Bereich aus. Zur Zeit sind es 84 Azubis, die in 14 verschiedenen Ausbildungsberufen in dem Bergneustädter Unternehmen ihre Lehre machen. In der Vergangenheit haben wir immer pro Jahr 20 Neue eingestellt, erläuterte Berthold Otten, gewerblicher Ausbilder bei ISE, der seit 15 Jahren im Werk den jungen Menschen während ihrer Ausbildung zur Seite steht. Dieses Jahr sind wir gebeten worden, noch fünf weitere Ausbildungsplätze zu Verfügung zu stellen. Das hat die Geschäftsleitung zugesagt, so dass wir nun über 20 Azubis im ersten Lehrjahr haben, beschrieb ein anderer Ausbilder, den jetzigen Status Quo. Otten erläuterte, das ein Unternehmen aus der Umgebung schließen musste ISE zwei Auszubildende dieses Unternehmens übernommen hat. Die hätten sonst auf der Straße gestanden. Einer von denen macht bald seine Abschlussprüfung.
Was die Zukunft angeht, so ISE-Ausbildungsleiter Kühlem, wird es bei 25 Azubis pro Jahr bleiben. Die Bergneustädter bilden fleißig aus und gehen damit einer der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben in unserem Land nach - so sieht es Rüttgers.

Der Bergneustädter Zulieferer für die Automobil- und Verkehrsmittelindustrie ist nicht nur in der Erstausbildung seiner Anvertrauten vorbildlich, wer nach der Prüfung übernommen werden will, kann im Unternehmen bleiben, so die Aussage eines Verantwortlichen. Wobei die Übernahme gewerblicher Lehrlinge einfacher ist als die der Kaufmänner, beurteilt es die Personalleiterin Marion Knüppel.
Das Unternehmen versucht, vorausschauend auszubilden und den zukünftigen Bedarf an Fachleuten aus dem eigenen Unternehmen zu rekrutieren. Wir finden es eine tolle Geschichte, wenn die jungen Menschen und Mitarbeiter mit dem Unternehmen wachsen. Wenn die Leistung stimmt, dann gibt es auch Perspektiven, so Gerd Rosendahl, kaufmännischer Geschäftsführer ISE. Gerhard Reuber, ein weiterer der fünf ISE-Geschäftsführer und seit 1951 im Unternehmen, sieht es so: Als ich mit 14 Jahren meine Lehre angefangen habe, dachte ich, dass ich das nicht schaffe. Man muss aber mit Mut in die Zukunft blicken. Und was noch dazu kommt, ich habe immer gerne gelernt; ich lerne jetzt noch jeden Tag etwas Neues und das mit 67 Jahren.

Wir können glücklich sein, dass wir einen Ausbildungsplatz haben, so der Tenor vieler ISE-Auszubildender. Auch die andere Seite sieht das Verhältnis positiv: Wir kommen prima miteinander zurecht, beschreibt Bernhard Kubitzki, der dritte Ausbilder im gewerblichen Bereich, das Verhältnis zueinander. Seit 25 Jahren betreut er Auszubildende und ist selbst mit dem Unternehmen gewachsen, wie er selber sagt.
Leider sieht die berufliche Perspektive vieler Jungendlicher ohne Ausbildungsplatz schlecht aus. Viele junge Menschen seien aber auch oftmals nicht in der Lage, die einfachsten 'Benimm-Dich-Regeln' einzuhalten berichtete Ausbildungsleiter Joachim Kühlem den gesellschaftlichen Notstand. Viele seinen noch nicht einmal in der Lage, drei Stunden bei einer Sache zu bleiben.

Sich dieser Tatsachen bewusst, schlägt Rüttgers vor, im Ausbildungsbereich über ein Stufensystem nachzudenken. Er sieht es als Möglichkeit für Jugendliche, die sich durch Einstellungstests nicht für einen Ausbildungsplatz qualifiziert haben, oder nicht die schulischen Voraussetzungen für bestimmte Ausbildungen mitbringen. Bestandene Teilbereiche einer so gearteten Ausbildung sollten zertifiziert werden. Viele machen ihre praktische Prüfung, bestehen aber nicht die theoretische und haben am Ende ihre gesamte Ausbildung nicht bestanden, weiß der Landesvorsitzende der CDU zu berichten. Er sieht in diesem neuen Konzept einer diffenzierteren Wahrnehmung der Leistungen Einzelner eine Möglichkeit zur Veränderung der Situation und stellt dieses Konzept zur Diskussion.
Denn das etwas besser gemacht werden muss, sagt er selbst, ist allen klar auch im Hinblick auf die Zukunft.


