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Wiehltalbrücke: Neue Teile im großen Puzzle
(lo/8.9.2005-15:50) Oberberg Zwar keine endgültige Klarheit, aber durchaus neue Erkenntnisse brachte der heutige Ortstermin im Wiehltalbrücken- Prozess - Unglücksort wurde kurzerhand zum Verhandlungssaal umfunktioniert neue Beweisstücke sichergestellt.

Der Angeklagte kam auf den letzten Drücker. Auch der fünfte Verhandlungstag im Prozess um den Wiehltalbrückenunfall sollte wie gehabt um 9 Uhr beginnen, doch Mustapha A. stand mit dem Fahrzeug, in dem er saß, im Stau und erreichte erst kurz vor dem offiziellen Auftakt in Begleitung eines Polizeiwagens den Autobahnparkplatz Hömeler Feld.

Von dort aus machte sich der Tross zu Fuß auf in Richtung Wiehltalbrücke, dem Ort des tragischen Unglücks vom 26. August 2004. Zu diesem Zweck wurde die Autobahn 4 heute Morgen komplett gesperrt. Im Gegensatz zur Kinovorführung in der vergangenen Woche (OA berichtete) war dies aber keine Premiere für das Gummersbacher Amtsgericht. Wir hatten im November 2003 schon einmal einen Fall, wo wir einen Ortstermin hatten und die Autobahn halbseitig sperren ließen, berichtete Gerichtssprecher Albert Bartz.
Dass die heutige Besichtung lohnenswert war und durchaus neue Erkenntnisse brachte, zeigte sich schon kurz nachdem man auf der Brücke angekommen war. In einem Baum unmittelbar in Höhe der Unfallstelle hing ein von der Spurensicherung kurioserweise unentdecktes Kunststoffstück, dass von der Verkleidung des Unglücks-Lkw abgerissen worden sein könnte. Die Lage dieses mutmaßlichen Spoilerteils sowie Spuren an Leitplanken und auf dem Asphalt ließen laut der anwesenden Experten Rückschlüsse zu, auf welche Weise der Lkw von der Brücke gestürzt sei. So soll zunächst der Auflieger heruntergefallen und das Führerhaus in die Tiefe gerissen haben.

Außerdem stehe nach den bei der Begehung gesammelten Erkenntnissen ein zum damaligen Zeitpunkt von der Polizei gesichertes Splitterfeld offenbar nicht mehr im Zusammenhang mit dem Unfall. An der Stelle circa 100 Meter vor dem Brückenansatz war von verschiedenen Seiten bislang die erste Berührung zwischen dem Wagen des Angeklagten und dem Lastwagen vermutet worden. Das Unfallgeschehen würde damit näher an die Brücke rücken, erklärte Gutachter Alexander Wiek. Zwischen dem Zeitpunkt des Zusammenstoßes und des Absturzes hätten lediglich zwei bis drei Sekunden gelegen.
Der vom Gericht bestellte Experte Wiek wird am morgigen Verhandlungstag sein Gutachten vorstellen und darin dem Vernehmen nach zu der Erkenntnis kommen, dass der BMW bei dem Zusammenstoß zwischen 90 und100 km/h und der Lkw circa 80 km/h schnell gewesen sein sollen bei Nässe liegt die Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle bei 80 km/h, was frühzeitig und mehrmals ausgeschildert ist. Zudem sei die Geschwindigkeit am Gesamtschwerpunkt des Sattelzuges beim Absturz mit circa 50 km/h höher gewesen als bislang angenommen.

Nach dem Termin auf der Autobahn wurde in einer Autoschlosserei in Wiehl-Bomig der Unfallwagen inspiziert; Kratzspuren an der Front des Autos lassen möglicherweise doch auf einen Leitplankeneinschlag schließen. Zu welchem Zeitpunkt und wie oft BMW und Lastwagen seiner Meinung nach kollidierten, wird Wiek auf der morgigen Sitzung erläutern.
