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„Carmina Burana“ auf Schloss Homburg

rw; 25. Sep 2006, 00:00 Uhr
Oberberg Aktuell
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„Carmina Burana“ auf Schloss Homburg

rw; 25. Sep 2006, 00:00 Uhr
(rw/10.9.2006-16:40) von Richard Witsch
Nümbrecht – Carl Orffs berühmtes Vokal- Instrumentalwerk mit außerordentlicher Besetzung fand großen Anklang.
[Bilder: Richard Witsch --- Carl Orffs "Carmina Burana" begeisterte die Zuschauer auf Schloss Homburg.]

Orff inspirierte sich für dieses Monumentalwerk nach einer Handschrift („Codex Buranus“, 13. Jh.) mit weltlichen Liedern aus dem oberbayerischen Benediktinerkloster Benediktbeuern. Aus den über 250 Liedtexten, die 1947 von Johann Andreas Schmeller herausgegeben wurden, wählte er nur wenige Texte aus, die dadurch in neue Zusammenhänge gerieten. Der mitreißende Rhythmus, die Bildhaftigkeit sowie die vokalreiche Musikalität und einzigartige Knappheit der lateinischen Sprache" faszinierten den Komponisten.

Carl Orff (1895-1982) der niemals Nationalsozialist war, manipulierte Menschen und Ideen, um ungestört schaffen zu können, sich die lästige Politik fernzuhalten und möglichst schadlos in einem Unrechtssystem durchzukommen, von dem er sich mit teurer Münze hatte kaufen lassen, obwohl er es im Innersten verabscheute. Er wollte Karriere in Deutschland machen und er hat dies, wenn auch mit manchen Schwierigkeiten, geschafft. Das nationalsozialistische System hat er sich nicht gewünscht, aber er unternahm auch nichts dagegen (von einigen kritischen Texten in der Oper "Die Kluge" aus dem Jahre 1943 abgesehen).

[Die Liebenden beim "Dulcissime"-Solo der Sopranistin.]

Die Uraufführung der „Carmina Burana“ wurde während des Nationalsozialismus lange hinausgezögert. Die "undeutsche" Musik und der lateinische Text reichten damals aus, um auch auf andere seiner Werke ein schlechtes Licht zu werfen. 1945 wurde Orff von den US-Amerikanern als "gray unacceptable" eingestuft, aber schon 1966 führte man seine „Carmina Burana“ in Israel auf. Seither ist es das am häufigsten aufgeführte oratorische Chorwerk. In diesem fand Orff seine eigene musikalische Sprache. Die 1937 uraufgeführten Carmina Burana begründen Orffs weltweiten Erfolg und zählen zu seinen populärsten Werken.

„Carmina Burana“ in Orffs rhythmisch dynamisierter Fassung (1956) für Chor, zwei Klaviere, Pauken und Schlagwerk mit weit über 300 Projektsängern und Teilnehmern unter der musikalischen Leitung des bekannten Dirigenten Dirk van Betteray und Regie von Ulrich E. Hein fand großen Anklang auf der Freilichtbühne Schloss Homburg. Nach zweiähriger Vorplanung und einem Jahr gemeinsamer Proben konnte dieses großartige Projekt unter Beteiligung von zehn Chören als Gemeinschaftsproduktion des Sängerkreises Oberbergisch Land e.V., Trägerverein Chormusik in Much e.V., WKTheater Waldbröl sowie künstlerischen Profis wie Marianne Haupt (Sopran), Rainer Laumann (Tenor), Arndt Schumacher (Bariton), Marco Fischdick (Schlagzeug), Frank Hoppe (Klavier), Christian Ubber (Klavier) und Sabine Fuchs (Probenrepetition) realisiert werden.

[Auch die Solisten und der Kinderchor überzeugten.]

Als großes Symbol steht über dem ganzen Werk das Glücksrad der Göttin Fortuna. Das ewige Kreisen der Welt zwischen Glück und Unglück, Aufstieg und Niedergang vertonte Orff mit wenigen, immer wiederkehrenden Mitteln in einem großen Chorsatz, der am Anfang und Schluss des Werkes steht. Der Mittelteil besteht aus einzelnen Bildern: "Uf dem Anger" - auf dem Dorfplatz; "In Taberna" - in der Schänke; "Cour d´Amour" - eine liebliche Musik voller Erotik. Zum Höhepunkt des Werkes singen Blanziflor, ein Held der französischen Rittersage, und Helena eine mitreißende Hymne auf die Liebe. Aus einem Konzert ein sinnliches Gesamtkunstwerk zu schaffen war Idee und Anspruch sowohl des Regisseurs als auch des musikalischen Leiters. Aufgrund einer Rahmenbehandlung sollte das Publikum am inneren Erleben des Dichters teilnehmen. Die depressive Rückschau des Dichters auf die Freuden des früheren Lebens spiegelt Orffs fatalistische schicksalsabhängige Sicht.

Der Zuschauer sieht und hört den Dichter, dessen Bilder und Sinnbilder, aber er hat die Möglichkeit neutral zu interpretieren. Die Deutungsfähigkeit des Publikums wird vorausgesetzt: Das Publikum muss beispielsweise selber entscheiden, „ob der protestierende Kinderchor beim „Dulcissime“ der Sopranistin verstört und empört ist über die triebhafte Auslebung eines Erwachsenenlebens oder einfach noch zu naiv um zu verstehen was Liebe bedeuten kann.“

Der erste Einschub erfolgte in Anlehnung an die Frühlingslieder der Orff’schen „Carmina Burana“, denen mittelalterliche Frühlings- und Liebeslieder folgten. Im zweiten Einschub wurde die parodistische Wirtshausszene mit ihrem unheiligen Treiben in Kurzfassung des „Officium lusorum“ („Spielermesse“) fortgesetzt. Wenn die „Allegorie“ Fortuna mit den Ebenen des Lebens Schach „spielt“, erinnert dies an Sebastian Brants „Narrenschiff“ (1494) und verdeutlicht auf diese Weise den Seelenzustand des Dichters. Schließlich wird deutlich, dass auch die „Allegorien“ selbstständig werden, verletzlich sind und sich ebenfalls einem höheren Gesetz unterwerfen müssen, dem Gesetz des Lebens.

[Dirk van Betteray dirigiete die Chöre und das Orchester souverän.]

Dirk von Betteray dirigierte die rund 300 Sänger umfassenden Chöre und das Instrumentalensemble souverän, professionell und mit präzisen Einsätzen. Die Solisten interpretierten, den Szenen adäquat, sauber und gefühlsbetont ihren jeweiligen Part, während die Instrumentalisten den gehobenen rhythmischen Anforderungen gerecht wurden. Das schauspielerische Element und die Kostümierung (Dichter, Allegorien, Die Liebenden) – auch der Kinderchor – kamen, angesichts der zur Verfügung stehenden Mittel, den Bedürfnissen der fragmentarischen Darstellung sinnvoll und künstlerisch imponierend zur Geltung.

Sponsoren, Spender, Firmen, Banken, Gemeinden, Städte, ehrenamtliche Helfer und das Land NRW ermöglichten auch diesmal ein außergewöhnliches Projekt, das im vollbesetzten Zuschauerraum mit Neugierde und Spannung erwartet wurde. Ohne die vielseitige Förderung wäre die Realisierung dieser „Oberberg-Rhein-Sieg-Carmina“ nicht möglich gewesen. Das Publikum honorierte alle Projekt-Beteiligte mit anhaltendem Applaus.




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