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Elektronikmarkt ‚Pluto’ kommt in die Gummersbacher Innenstadt

mho; 14. Apr 2007, 00:00 Uhr
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Elektronikmarkt ‚Pluto’ kommt in die Gummersbacher Innenstadt

mho; 14. Apr 2007, 00:00 Uhr
(mho/31.3.2007-14:50) Von Martina Hoffmann
Gummersbach - Im Ratssaal der Stadt Gummersbach schlugen die Wellen hoch. Ausschüsse tagten und vertagten sich, Gutachten wurden erstellt, bevor ein neuer Discounter in der Innenstadt die Baugenehmigung erhielt.
[Bilder: Martina Hoffmann --- Kommunalpolitik live gestalteten die Schüler des Grotenbach-Gymnasiums.]

„Ich kann ihrer Argumentation folgen, sie lassen dabei nur den Einzelhandel aus den Augen, vielleicht sollten sie das in ihrer Fraktion noch einmal zur Sprache bringen“, fordert Vorsitzender Schneider von der SAD im Gummersbacher Rat. Bürgermeister Frank Helmenstein ist von dem Szenario und dem Engagement begeistert, denn es geht hier nicht um das Steinmüllergelände oder die Gummersbacher Innenstadt, sondern um ein Planspiel für Schüler, um Begriffe wie Flächennutzung, Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt das Nachvollziehen von kommunalen Entscheidungswegen.

Cordelia Henkel, Erdkundelehrerin am Grotenbach-Gymnasium, war auf das Projekt des Wissenschaftsladens in Bonn gestoßen. „Hier können die Jugendlichen ihr Wissen mal ganz praktisch anwenden und auch die Entscheidungsfindung eines Stadtrates nachvollziehen.“ Das Fächer übergreifende Projektangebot steht unter dem Motto: Nachhaltiges Lernen. Kooperationspartner ist die Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW, mit der man bereits an 29 anderen Schulen das Projekt Planspiel „Fläche nutzen, statt verbrauchen“ durchführte.

[In den einzelnen Fraktionen berieten die Schüler die Thematik und stimmten schließlich über "Pluto" ab.]

Inhaltlicher Hintergrund des Projekts ist der hohe und zunehmende Flächenverbrauch in den Kommunen. Die Idee des Spiels: Schülerinnen und Schüler konstituieren sich als Rat einer Kommune. Sie bilden Fraktionen, setzen Ausschüsse ein und simulieren als handlungsfähiges Kommunalparlament einen Ratsbeschluss. Als Ratsantrag werden verschiedene Spielszenarien wie etwa der fiktive Elektronikmarkt „Pluto“ auf der Grünen Wiese oder ein interkommunales Gewerbegebiet vorgeschlagen.

Diese Vorschläge diskutieren die Schüler unter flächenrelevanten- und finanzpolitischen Aspekten, und stimmen abschließend in einem Ratsbeschluss darüber ab. „Zur Vorbereitung haben wir uns nicht nur mit Flächennutzung beschäftig, sondern auch mit der Struktur eines Rates. In der vergangenen Woche haben wir auch eine Ratssitzung besucht, um uns das einmal anzuschauen“, berichten die Schüler der 9a aus dem Grotenbach-Gymnasium.

Dass die Schüler dann auch im echten Ratssaal tagen konnten, war noch einmal ein Motivationsschub. Wie die `alten Politikerhasen` diskutierte man das Für und Wider, und sparte auch nicht mit kleinen Seitenhieben an die Adresse des politischen Gegners. „Sie müssen mittelfristig denken, was das an Steuermehreinnahmen für die Stadt bedeutet, Kollege Schumacher“, entgegnet da der Fraktionsvorsitzende Klose dem Bedenkenträger Schneider. In Rats-, Fraktions- und Ausschusssitzungen wird der Antrag, einen Pluto Elektronikmarkt im Grüngürtel der Stadt zu platzieren, erörtert.

Dabei sind jedem einzelnen Teilnehmer seine eigene Vita und Parteizugehörigkeit vorgegeben. So hat es die geschiedene Frau Fuhrmann, (49), Erzieherin und Mutter von Zwillingen, schwer, dem allein stehendem Naturmuffel und Handwerker Krause die Wichtigkeit von Grünflächen klar zu machen. Der Liberale Peters setzt auf freien Wettbewerb, während der Vertreter der CUP auf Wirtschaftsförderung pocht.

„Gar nicht so einfach da eine richtige Entscheidung zu treffen“, sind sich die Protagonisten einig. Projektleiterin Anke Valentin vom Wissenschaftsladen Bonn lobt das hohe Niveau der Diskussion: „Offensichtlich haben die Schüler die Diskussion in der Stadt um das Steinmüllergelände verfolgt, denn erst einmal lehnten sie die Anträge ab und erarbeiteten einen Kompromiss der sehr viele ökologische und wirtschaftliche Aspekte beinhaltete“, zeigte sie sich beeindruckt.

[Direktor Michael Effner und Konrektorin Beate Will waren von dem Engagement ihrer Schüler sehr angetan.]

Mit dem Ergebnis, einen mehrgeschossigen `Pluto Markt` in der Innenstadt zu platzieren, konnte dann ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden. Dass das in der echten Politik nicht an einem Vormittag zu bewerkstelligen ist, war jedem schnell klar. „Aber manchmal dauert es doch sehr lange, bis etwas entschieden wird“, bemerkte Tim Gottwald. Mit der Erklärung, dass es sich bei den Rats- Fraktions- und Ausschussmitgliedern ja um ehernamtlich Tätige handelte, die Politik zumeist in ihrer Freizeit betrieben, gab man sich dann zufrieden.

Lehrerin Henkel, Direktor Michael Effner und Konrektorin Beate Will waren vom Einsatz der Schüler begeistert. Die waren mit Ernst bei der Sache, sietzten sich sogar in den Ratssitzungen und nahmen mit Sicherheit eine Menge an Erfahrung mit nach Hause. Nachdem nun 30 NRW-Schulen das Planspiel durchgeführt haben, wird es als Lehrmaterial aufgearbeitet und den Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt. „Ich würde das Projekt sehr gerne wiederholen. Es war für alle eine tolle Erfahrung“, wirbt Cordelia Henkel um Nachahmer. Interessierte Lehrer und Kommunen können sich bei der unter www.lag21.de informieren.



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