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Zwei Leserbriefe zum vorzeitigen Ende des Konzerts auf dem FH-Campus

Red; 8. Jul 2008, 00:00 Uhr
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Zwei Leserbriefe zum vorzeitigen Ende des Konzerts auf dem FH-Campus

Red; 8. Jul 2008, 00:00 Uhr
(Red./23.6.2008) Nina Eckardt und Meike Deutschmann äußern sich kritisch zum Abbruch des Konzerts durch das Ordnungsamt der Stadt Gummersbach.
„Es gibt Städte, da ist richtig was los. Und es gibt Gummersbach", heißt es in einem bekannten Internetportal für Studenten. Diesem scheinbaren Vorurteil versuchten zwei engagierte Informatikstudenten mit einem - in Internet und Radio angekündigten - Open Air Konzert auf dem Campus der FH entgegen zu wirken. Diese Rechnung hatten sie jedoch ohne einige Spaßbremsen und "Lehrer Lämpel"-Verschnitte gemacht.

Bereits zur „unchristlichen“ Zeit um 19:30 Uhr hagelte es erste Beschwerden einiger Anwohner, die sich zuvor mehr oder weniger unauffällig selbst ein Bild von der Lage gemacht hatten. Immer wieder fuhren einzelne ältere Herrschaften am Campusgelände vorbei und beäugten mit strengen Blicken das, was dort vor sich ging. Bei einem als Volksfest deklarierten Blasmusik-Festival hätte sich sicher niemand beschwert. Als schließlich die Polizei auftauchte, wurden die rockigen Klänge von einem der Beamten - sehr objektiv - erst einmal als "schrecklich" bezeichnet. Ein Kommentar, den man sich sicher hätte verkneifen können. Schließlich mag auch nicht jeder Blasmusik, doch wird diese vor allem im Zuge der so genannten "Volksfeste" toleriert.

Mehr Toleranz hätten sich die Veranstalter von "Gummerpalouza" und die Bands, die teilweise von weiter her angereist waren, um auf dem Campus zu spielen, sicher auch gewünscht. Es handelte sich ja um ein einmaliges Ereignis und nicht um eine dreitägige Dauerbeschallung. Der freundliche Herr vom Gummersbacher Ordnungsamt beendete das Festival bereits um 21 Uhr mit der Begründung, dass die Veranstaltung die zulässige Lautstärke überschreite, ohne die tatsächliche Dezibel-Zahl gemessen zu haben. Seine Angaben beruhten lediglich auf Schätzungen. Aber mache Menschen verfügen ja bekanntlich über ein geniales Gehör.

Die Veranstaltung war dem Ordnungsamt selbstverständlich vorher gemeldet worden. "Wo bin ich hier gelandet?", fragen sich ehemalige Studenten der FH in einem Lied, in dem die Stadt Gummersbach als Studienort scharf kritisiert wird. Diese Frage stellte ich mir auch, als ich im Auto Richtung Heimat saß, wo zugunsten der Jugend auch mal ein Auge zugedrückt wird. Meiner Meinung nach hat Gummersbach von Seiten der Bürger ebenso wie von Seiten der Beamtenschaft am vergangenen Freitag Negativwerbung betrieben. Lediglich die Berichterstattung war fair und objektiv, was ich an dieser Stelle loben möchte. Gummersbach sieht mich jedenfalls so schnell nicht wieder.


Nina Eckardt, Kürten


Die Gummersbacher Bürger sollten sich nicht wundern, wenn Freizeitaktivitäten rund um den FH-Campus von jungen und jung gebliebenen Leuten eingestellt werden, Initiativen einschlafen und der Stadt Gummersbach den Rücken kehren. Laut Landesimmissionsschutzgesetz NRW dürfen Feiern bis 22 Uhr durchgeführt werden. […] Es hätte durchaus gereicht, die Lautstärke zu verringern, statt die gesamte Party um 21 Uhr auflösen zu lassen, weil sich Anwohner der „Kleinen Bergstraße“ beschwerten.

Wer zugegen war, konnte sich überzeugen, dass das Music-Happening sehr wohl organisiert war ("Dixie´s" are waiting). Welche Botschaft wollen wir den jungen Erwachsenen mit auf den Weg geben: Eure Musik ist spinnert und deshalb Aus und Schluss und das sofort? Der Lautstärkeregler der PA-Technik geht in beide Richtungen und so sollte sich die Toleranz der Anwohner auch drehen lassen.

Die Stadt Gummersbach möchte sich zukünftig wohl überlegen, ob sie noch einmal dem Drängen einiger Anwohner auf Beendigung einer Musik-Session auf dem Campus nachgeben wird, eine Stunde vor Einhaltung der Nachtruhe. Im nächsten Jahr stehen die Kommunalwahlen an, für eine angeblich offene Stadt mit Aktivitäten rund um das Steinmüller-Gelände einschließlich Campus (für den man sich doch ausdrücklich in der Presse rühmt), ist die Maßnahme der sofortigen Beendigung der Schuss ins Aus.

Gummersbach wird zur „Schlafstadt“ verdammt bleiben, wenn jegliche Aktivität radikal, ja martialisch, unterbunden wird mit Polizei und Ordnungsamt; es geht auch von Seiten der Stadt "leiser", ohne den großen Auftritt des Steckerziehens. Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen ist nicht der Anreiz auf Leben und Arbeiten in einer Stadt, deren Bürger ihre Vorstellungen von Vergnügen ausleben möchten, wie Wilhelm Busch noch immer gerne zitiert wird: "Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden".


Meike Deutschmann, Gummersbach


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