JUNGE LEUTE

„Politik muss weniger belehren und mehr erklären“

pn, pra; 15.01.2025, 16:30 Uhr
Fotos: Mika Härtel/Peter Notbohm ---- Wolfgang Bosbach (CDU) nahm sich 90 Minuten Zeit, um mit Schülern über Demokratieförderung und die Gefahren für die Demokratie zu sprechen.
JUNGE LEUTE

„Politik muss weniger belehren und mehr erklären“

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pn, pra; 15.01.2025, 16:30 Uhr
Gummersbach – Das langjährige CDU-Bundestagsmitglied Wolfgang Bosbach diskutierte mit Schülern des Lindengymnasiums über Demokratie.

Von Mika Härtel und Peter Notbohm

 

Die Besuche von Politikern am Lindengymnasium in Gummersbach haben bereits Tradition. Vor einem halben Jahr war NRW-Innenminister Herbert Reul zu Gast (OA berichtete), im Mai 2023 die Europaabgeordnete Sabine Verheyen (OA berichtete) und im Jahr davor die oberbergischen Kandidaten für die damalige Landtagswahlen (OA berichtete). Am Mittwoch diskutierte mit CDU-Politiker Wolfgang Bosbach nun das nächste politische Schwergewicht mit den Oberstufenschülern des Gymnasiums über das Thema „Demokratieförderung in Politik, Gesellschaft und Schule“. Die Schule hat sich in diesem Schuljahr die Demokratieförderung auf die Fahnen geschrieben und plant zur anstehenden Bundestagswahl im Februar auch eine Juniorwahl durchzuführen.

 

Die Veranstaltung war im Unterricht von den beiden Leistungskurslehrern Daniela Meier und Joachim Weischet vorbereitet worden. Der Kritik, dass die Schule damit der CDU im Wahlkampf eine Plattform biete, schob Weischet einen Riegel vor: „Der Termin wurde bereits im Oktober vereinbart, als noch keine Neuwahlen im Raum standen. Wir wollen unserem gesonderten Auftrag nachgehen, den Schülern zu vermitteln, was Demokratie bedeutet und sie über das Thema Politik informieren.“

 

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Bosbach (Foto) war sofort in seinem Element. Der ehemalige Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag skizzierte kurz seinen eigenen Werdegang und wie er in die Politik gekommen ist. Hiernach stieg der Bergisch Gladbacher in seinen knapp halbstündigen Vortrag ein, in dem er mehrere Themen anriss. Anschließend diskutierte er unter Moderatorin von Maja Lehmann, Schülerin der Q2, für eine Stunde mit den Schülern. Ganz nach seinem Leitbild „Zahlen, Daten, Fakten“ begann er mit einigen Statistiken, wonach in Deutschland sich etwa 23 Prozent der Bürger für Politik interessieren würden.

 

Dass die Zahl derjenige, die auch Mitglied einer Partei sei, in den vergangenen Jahren auf 1,5 Prozent gesunken sei, nannte er „einen traurigen Befund, denn Demokratie lebt von vielen Meinungen“. Der Schule komme dabei eine wichtige Rolle zu: „Sie hat nicht nur die Kernaufgabe der Wissensvermittlung, sondern ist auch ein sozialer Ort, an dem wir lernen, wie wir miteinander umgehen und wie wir diskutieren.“ Dabei sei die Hautfarbe, Religion oder die Frage, ob man eingebürgert wurde oder schon von Geburt an deutscher Staatsbürger ist, vollkommen egal. Er befürwortete eine Diskussion über Lehrinhalte an Schulen: „Der Umgang mit den sozialen Medien und einordnen zu können, was uns dort alles begegnet, ist heute genauso wichtig wie früher historische Daten auswendig zu lernen.“

 

Nach den Erfahrungen der Nazi-Zeit ist es aus seiner Sicht ein Privileg, dass man in Deutschland in einer Demokratie leben dürfe: „Weltweit haben die meisten Menschen nicht dieses Glück.“ Die Demokratie zeichne aus, dass es Minderheitenrechte gebe, die von der Mehrheit nicht überstimmt werden können, „außerdem muss in unserem System die Minderheit immer die Gelegenheit haben, die Mehrheit zu werden“, so Bosbach.

 

[Die Diskussionsrunde wurde von Schülerin Maja Lehmann (li.) moderiert.]

 

Die Themen Rechtsruck und Extremismus verband er auch mit seiner eigenen Geschichte. Er sei in einem sehr religiösen Elternhaus aufgewachsen, sein Vater habe in Russland an der Ostfront gekämpft. Nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft, habe sich sein Vater oft gefragt „wie die Nazis überhaupt ein so zivilisiertes Volk verführen konnten“. Das habe auch ihn inspiriert, politisch aktiv zu werden, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Er habe derzeit keine Sorgen, dass dies geschehen könnte, warnte aber zugleich: „Die Nazis sind auch durch eine demokratische Wahl an die Macht gekommen. Ich glaube aber, dass wir unsere Lektion aus der Vergangenheit gelernt haben.“

 

Die antidemokratischen Parteien würden zwar europaweit stärker werden – Deutschland bilde hier keine Ausnahme - ein Verbotsverfahren gegen die AfD hält er dennoch nicht für ratsam. „Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, wenn die Partei vom Bundesverfassungsgericht geprüft wird und dort gewinnen würde“, sagte der Politiker, der auch bei den beiden gescheiterten NPD-Verbotsverfahren dabei war.

 

Meinungsstark gab sich Bosbach auch bei der Frage, was passieren müsse, damit die Bürger wieder mehr hinter der Demokratie stehen: „Die Politik muss weniger belehren und mehr erklären, warum manche Entscheidungen getroffen werden und manche nicht. Das ist mühsam, aber wichtig für die Akzeptanz.“

 

[Daniela Meier (v.l.n.r.), Joachim Weischet, Wolfgang Bosbach, Maja Lehmann, Markus Niklas und Sigrid Höffken freuten sich über die rege Beteiligung der Schüler an der Diskussionsrunde.]

 

Ein weiteres Thema, das aus der Schülerschaft aufgegriffen wurde: Ist Elon Musk mit seinem sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter) eine Gefahr für die Demokratie? Auch hier nahm der Rechtsanwalt eine klare Position ein: Solche Plattformen würden dann demokratiegefährdend werden, wenn der Algorithmus bestimmte Meinungen sowie Informationen herausfiltert oder unterdrückt. Das führe zu einem verzerrten Bild der Demokratie. Wichtig aus seiner Sicht: „Wissen! Denn Wissen schützt uns auf falsche Wege umgeleitet zu werden.“ Man dürfe sich nicht nur über eine Quelle informieren, sondern müsse sich ein eigenes Bild immer über mehrere Quellen machen.

 

Zum Abschluss ermunterte er die Schüler, sich ebenfalls politisch zu engagieren: „Ich freue mich über jeden, der nicht kritisiert, sondern seinen eigenen Beitrag leistet. Demokratie funktioniert nicht ohne Demokraten. Bei allen Problemen, die wir haben, ist es immer noch ein Glück, in Deutschland geboren zu sein. Uns geht es besser als den meisten auf der Erde, aber das ist keine Selbstverständlichkeit.“

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