JUNGE LEUTE
Ein Crashkurs fürs Erwachsenenleben
Bergneustadt – An der Gemeinschaftshauptschule wurde heute zum ersten Mal ein „Zukunftstag“ veranstaltet.
„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Eine Aussage, die 2015 von einer Kölner Schülerin getwittert worden und anschließend bundesweit durch die Medien gegangen ist. Was folgte, waren nicht nur massenhafte Diskussionen und Zustimmungen über die Generationen hinweg, sondern auch das Bedürfnis, an derartiger Unbildung endlich etwas zu ändern. Auch Juri Galkin und Lorenzo Wienecke, damals selbst noch Schüler, konnten sich mit dem Tweet identifizieren. Entsprechend ihres Mottos „Machen statt meckern” gründeten sie die „Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung“ (IWJB) und riefen 2019 den „Zukunftstag“ ins Leben.
Heute wurde der „Zukunftstag“ an der Gemeinschaftshauptschule in Bergneustadt veranstaltet. Im Rahmen des Projekttages setzten sich fast 100 Schüler mit den Themenbereichen Steuern, Wohnen, Krankenkassen und Finanzen auseinander – und damit mit Fragestellungen, die beim Start ins Erwachsenenleben immer relevanter werden, für die im Schulalltag aber selten Zeit bleibt. „Wie finde ich meine erste eigene Wohnung? Was ist die Schufa? Ab wann muss ich Steuern zahlen und wann muss ich eine Krankenversicherung abschließen? Das sind Themen, die auch für mich aktuell sind“, sagte die 19-jährige Emma Cotter, die heute als Zukunftstagleiterin aus Köln nach Bergneustadt gekommen war.
Der Anstoß zur Durchführung eines derartigen Projekttages kam von der Pädagogin Sonja Braun. Auf Instagram war sie auf das Profil „der_zukunftstag“ gestoßen und nahm – nachdem sich die Lehrerkonferenz einstimmig dafür ausgesprochen hatte – im vergangenen Dezember Kontakt zu der Initiative auf. „Wir versuchen, lebenspraktisch zu arbeiten. Aber es ist etwas anderes, wenn Experten von außen kommen und Wissen vermitteln“, sagte Katrin Rupprich, die den „Zukunftstag“ an der Gemeinschaftshauptschule zusammen mit Braun vorbereitet hat.
Los ging es am Morgen um kurz nach 8 Uhr. Nach einer Einführung seitens Cotter, die den Schülern erzählte, wie es überhaupt zum Projekt kam und welche Ziele damit verfolgt werden, startete die erste von insgesamt vier Workshop-Runden. Geleitet wurden diese von ehrenamtlichen Referenten aus der Praxis: Moira Irle von der Sparkasse Gummersbach sprach über Finanzen, Maurice Kleinert von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young kam aus Dortmund und brachte den Schülern den Themenbereich Steuern näher, über Krankenversicherungen sprach Bernd Maassen von der IKK classic und der Gummersbacher Makler Frank Buschjost von FALC Immobilien beantwortete den Schülern Fragen zum Thema Wohnen. Die Workshops dauerten jeweils 70 Minuten. Die von den Referenten genutzten Präsentationen stellte die Initiative.
[Der Workshop „Krankenversicherungen“ wurde von Bernd Maassen von der IKK classic geleitet.]
Die Bergneustädter Gemeinschaftshauptschule wird derzeit von rund 250 Schülern besucht. „Etwa 80 Prozent unserer Schüler haben einen Migrationshintergrund – ein sehr hoher Anteil“, sagte Rupprich. Unter den Schülern seien auch zahlreiche geflüchtete Kinder und Jugendliche. So würden etwa 70 Schüler den sogenannten DAZ-Unterricht besuchen – und damit „Deutsch als Zweitsprache“ lernen. „Sie müssen nicht nur die deutsche Sprache lernen, sondern auch das System kennenlernen. Umso wichtiger ist es, dass sie mit diesen Dingen in Berührung kommen“, führte die Pädagogin aus.
Besucht wurden die Workshops heute von Schülern der Stufen 9 und 10. „Der Lehrplan ist recht fest. Unser Ziel ist, den Schülern den Einstieg ins Erwachsenenleben zu erleichtern – unabhängig von der sozialen Herkunft“, so Cotter über den „Zukunftstag als Crashkurs fürs Leben“. Froh über den Projekttag zeigte sich auch Schulleiterin Carmen Bloch. So seien den Jugendlichen heute „grundlegende Dinge“ vermittelt worden, die doch vielen unbekannt seien. Die Lehrer und Pädagogen hoffen, dass die Schüler aus dem Projekttag einiges an Wissen mitnehmen – darunter auch, „dass es Experten gibt, die einem bei Bedarf weiterhelfen können“, so Rupprich.
Inzwischen wird der Projekttag jedes Jahr an hunderten Schulen in ganz Deutschland veranstaltet. 2022 fanden zudem erste Projekttage in Österreich statt, in diesem Jahr folgt die Schweiz. Weitere Informationen sind auf der Website des Zukunftstages zu finden.
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