JUNGE LEUTE
Sensibilisierung, die Schule machen soll
Wiehl - Mit einem Aktionstag inklusive Leistungsschau fand heute am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium das „Herzstück“ des Pilotprojekts zum Katastrophenschutz statt.
Von Leif Schmittgen
Johanna trägt eine schwere Last auf ihren Schultern. Soeben hat ihr Nis-Hanjo Armbröster nämlich eine acht Kilo schwere Sauerstoffflasche angelegt. Sie ist Teil eines Atemschutzgeräts, das unter anderem bei Bränden zum Einsatz kommt. Die Schülerin war nicht etwa bei der Feuerwehr vorstellig geworden, sondern beim Technischen Hilfswerk (THW), das bei Katastrophenfällen andere Hilfsorganisationen unterstützt.
„Das ist ganz schön anstrengend", befindet die 13-Jährige. Sie lauscht gemeinsam mit ihrer Klassenkameradin Emma gespannt den Erklärungen des THW-Helfers Armbröster, der bei der Bundesorganisation ein Bundesfreiwilligenjahr absolviert und den Mädchen die Arbeit seiner Organisation im Detail vorstellt. Mit dabei sind auch die Feuerwehr - dort zeigt Ronnie Müller, wie man mit einfachen Mitteln ausströmendes Wasser kanalisieren kann -, Aggerverband, die Johanniter und das Deutsche Rote Kreuz (DRK).
An der Modulküche erläutert Thomas Stramm (Foto unten) stolz die neueste Errungenschaft des DRK-Kreisverbandes:„Feldküche war gestern, diese modernen Kochmöglichkeiten gibt es in dieser Form erst seit zwei Jahren und ist nach rund anderthalb Stunden einsatzbereit“, berichtet Stramm den staunenden Schülern, die heute Piccolinis probieren durften. Zuletzt kamen die Küchenmodule beim Waldbrand in Lindlar zum Einsatz, um die Hilfskräfte zu versorgen. Einige Meter weiter hat direkt eine ganze Gruppe von Kindern im Einsatzboot der DLRG Platz genommen (Foto rechts) und lässt sich von den Ehrenamtlern das Einsatzgebiet der Hilfsorganisation näherbringen. Dort werden auch fleißig Sandsäcke befüllt, mit denen dann ein Damm gebaut werden kann.
Alle Protagonisten sind Teil einer großen Leistungsschau auf und rund um den Schulhof des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums (DGB) in Wiehl. Diese bildet das „Herzstück“ des Pilotprojekts zum Katastrophenschutz, das seit einigen Wochen am DGB in Zusammenarbeit mit dem Bildungsbüro des Kreises sowie der Stadt Wiehl läuft. Das Ganze wurde initiiert, um den jungen Menschen auch die sinnbildliche Last von den Schultern, zum Beispiel im Falle eines plötzlichen Hochwasserereignisses, zu nehmen und nicht in Panik zu verfallen.
„Wir möchten keine Panik verbreiten, sondern das Gegenteil erreichen“, erläutert Kreisdirektor Klaus Grootens die Intention. Vielmehr sollen die Schüler sensibilisiert werden und wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Anhand eines Hochwassers werde eine lange Ereigniskette ausgelöst, sagt Kreisbrandmeister Julian Seeger. Zum Beispiel folgten darauf häufig Stromausfälle. Außerdem erfuhren die Jugendlichen, welche Lebensmittel man bevorraten sollte, um 24 Stunden im Ernstfall unbeschadet überstehen zu können.
Wir haben gelernt, dass der Strom oft schnell wieder da ist und auch mit technischem Gerät überbrückt werden kann“, weiß Johanna aus dem Erdkundeunterricht mit Lehrer Sandro Strebe. Er hatte den Jahrgang der Klasse 7 in den vergangenen Wochen auf das Thema vorbereitet und auch andere Naturereignisse im Unterricht beleuchtet. Er gab seinen Schülern auch mithilfe des vom Bund herausgegebenen „Ratgebers für Notfallvorsorge“ Handlungsmöglichkeiten mit auf den Weg.
[Ronnie Müller zeigte den Schülerinnen, mit welchen Mitteln man Wasser kanalisieren kann.]
„Wir erreichen mit unseren Maßnahmen einen Großteil der Bevölkerung, aber nicht die jungen Menschen“, meint Grootens. Deshalb kam Birgit Steuer, Leiterin des kreiseigenen Bildungsbüros, ins Spiel, die ihr Netzwerk auditierte und bei Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker offene Türen rannte. „Hier finden sich gute Voraussetzungen für den Pilotversuch“, so Steuer. Das Projekt soll auch andernorts Schule machen und kreisweit installiert werden. „Wir müssen das Thema immer wieder in Erinnerung rufen“, so Julian Seeger. Denn der Mensch neige dazu, unangenehme Dinge zu verdrängen und das Erlernte schnell zu vergessen. In regelmäßigen Abständen sollen deshalb ähnliche Sensibilisierungswochen auch an anderen Schulen etabliert werden.
„Die Leistungsschau hat zudem den Vorteil, dem einen oder anderen die Arbeit in einer Hilfsorganisation schmackhaft zu machen“, spricht der Kreisbrandmeister von einem möglichen positiven Nebeneffekt in Zeiten des Nachwuchsmangels. Die Beteiligten erhoffen sich zudem, dass die Sensibilisierung auch im Freundeskreis der Siebtklässler weitergetragen wird. Genauso wie die oberbergischen Initiatoren nach Baden-Württemberg, wo es bereits ähnliche Projekte gibt, geschielt haben, klopften bereits andere NRW-Kommunen beim Kreisbrandmeister an, um das Modell zu adaptieren. Den Auftakt hatte es Ende April mit einem Vortrag und Gesprächsrunde im Bielsteiner Burghaus gegeben (OA berichtete).
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