JUNGE LEUTE

Sich den Traum vom ersten Arbeitsmarkt endlich erfüllt

Red; 29.10.2022, 15:46 Uhr
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Fotos: Sabine Ludwig --- Der Auszubildende Matthias Ertner (li.) fühlt sich bei Bahama in Reichshof sehr wohl. Sein Ausbilder Florian Jürges ist zufrieden mit dem jungen Mann.
JUNGE LEUTE

Sich den Traum vom ersten Arbeitsmarkt endlich erfüllt

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Red; 29.10.2022, 15:46 Uhr
Oberberg - Erst seit 2021 gibt es die Möglichkeit für junge beeinträchtigte Menschen, besonders begleitet eine Ausbildung in einem Betrieb zu absolvieren.

Matthias Ertners Ziel war immer eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Bedingt durch eine psychische Beeinträchtigung war dieser Wunsch jedoch in weite Ferne gerückt. Bis heute: Nun geht der 26-Jährige in eine Ausbildung als Fachkraft für Metalltechnik bei dem Reichshofer Unternehmen Bahama, das Sonnenschirme fertigt und diese national wie international vertreibt. Erst seit 2021 gibt es die Möglichkeit für junge beeinträchtigte Menschen, besonders begleitet eine Ausbildung in einem Betrieb zu absolvieren.

Unterstützung dabei bekam Ertner bei den RAPS gemeinnützigen Werkstätten. Dort war er bisher beschäftigt und hat dort in dreieinhalb Jahren verschiedene Tätigkeiten kennengelernt – in der Haustechnik, im Gartenbereich, der Küche, wie die RAPS mitteilt. Dass er jetzt in die Ausbildung wechseln konnte, hat er dabei nicht nur seiner eigenen Initiative, sondern auch Dennis Ruhr zur verdanken, einem der Jobcoaches bei der RAPS. Ruhrs Ziel: Möglichst viele Beschäftigte im ersten Arbeitsmarkt zu inkludieren. „Wenn ich erkenne, dass jemand die Fertig- und Fähigkeiten besitzt, mache ich ihn auf die Möglichkeit eines betriebsintegrierten Arbeitsplatzes (BIAP) aufmerksam“, so der Jobcoach.

 

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Als Dennis Ruhr auf Michael Reichelt (Anm.d.Red.: Name verändert) zukam, war dieser erst einmal skeptisch, ob er das angesichts seiner psychischen Beeinträchtigung schafft. „Es ist etwas Neues, dem man sich da stellt, aber ich bin froh, dass ich es gewagt habe.“ Geholfen haben ihm dabei die Mitarbeiter bei Kiwis und Brownies, einem Gummersbacher IT-Unternehmen, das ihm erst ein Praktikum und dann einen BIAP-Arbeitsplatz ermöglichte, in dem er so wenig wie möglich Kundenkontakt hat.

Geschäftsführer Ben Braun: „Es war bei ihm schon viel Wissen vorhanden, aber wir haben ihm im ersten Schritt geholfen, sich weitere theoretische Kenntnisse anzueignen.“ Danach sei er gleich in Projekte eingebunden worden, in denen es keinen Kundendruck gibt. „Es hat vom ersten Augenblick gepasst“, sagt der Geschäftsführer. „Er ist sehr fokussiert auf die Arbeit und wir freuen uns besonders, dass auch die Distanz uns gegenüber stark nachlässt.“

 

[Der Auszubildende (li.) mit Ben Braun, Geschäftsführer von Kiwis und Brownies.]


Im Rahmen eines solchen betriebsintegrierten Arbeitsplatzes kann also einerseits der RAPS-Mitarbeiter prüfen, ob er den Anforderungen des Arbeitsmarktes gewachsen ist. Andererseits sieht der auch der Betrieb, ob er den Beschäftigten eingliedern und unterstützen kann und ihm im Anschluss einen festen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anbietet. Denn nicht jeder ist dem Stress gewachsen, so die RAPS in der Mitteilung. Von den 19-BIAP-Mitarbeitern der RAPS werden jetzt drei vollständig in den ersten Arbeitsmarkt wechseln.

„Für mich ist es anstrengend, mit vielen Menschen zu tun zu haben“, erklärt Matthias Ertner sein Problem.  „Wenn es zu viel ist und er an seine Grenzen kommt, wissen wir, dass wir ihm etwas Spielraum lassen müssen“, erklärt Florian Jürges, Ausbilder bei Bahama.

Brandneu ist dabei die Möglichkeit, über den Landschaftsverband Rheinland auch Förderung für den Schritt in die Ausbildung zu erhalten, erklärt Stefan Hannebohn, der für den Integrationsfachdienst „Die Kette“ im Auftrag des LVR arbeitet. Während es schon länger ein Budget für Arbeit gibt, ist das Budget für Ausbildung erst im Jahr 2021 im Angebot. Damit sind Matthias Ertner und Michael Reichelt auch die ersten im Kreis, denen diese Chance zugutekommt.

Wenn ein Unternehmen Dennis Ruhr signalisiert, dass sein Schützling einen Ausbildungsplatz erhält, schaltet dieser Stefan Hannebohn ein. Und der schaut sich im Vorfeld ganz genau an, wie die Bedingungen am künftigen Arbeitsplatz sind. Zum Beispiel: Matthias Ertner wird nicht am bei Bahama üblichen Schichtsystem teilnehmen. „Also muss das Unternehmen auch gewährleisten, dass die Eingliederung trotzdem klappt.“

Je nach Betreuungsaufwand für den Arbeitgeber übernimmt der LVR dann bis zu 100 Prozent des Gehalts, dazu kommen weitere flankierende Maßnahmen. Bei Matthias Ertner wird beispielsweise eine Nachhilfe als ausbildungsbegleitende Hilfe eingeplant, weil das schulische Lernen bei ihm schon einige Zeit her ist. Ausbilder Florian Jürges ist optimistisch, dass sein neuer Azubi es schafft. „Er ist sehr genau, zuverlässig, zeigt große Eigeninitiative und ist wunderbar ins Team integriert“, betont er.

Auch Stefan Hannebohn unterreicht: „Mehr und mehr Firmen stehen der Möglichkeit, Behinderten die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, positiv gegenüber. Denn es rechnet sich nicht nur für sie, sondern in der Regel steigt auch das menschliche Miteinander, die Sozialkompetenz im Unternehmen an.“  Zudem gebe es keinerlei Risiko für alle Seiten: „Wenn es nicht klappt, gibt es auf jeden Fall ein Rückkehrrecht in die Werkstatt.“

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