JUNGE LEUTE

Zwischen Krieg, Klimawandel und Inflation

ks; 03.02.2023, 14:25 Uhr
Fotos: KBKO (1), Katharina Schmitz (2), Jan Eckardt (3) --- Jugendforscher Simon Schnetzer (2.v.l.) war in dieser Woche am KBKO zu Gast und hat die Schüler in Workshops begleitet.
JUNGE LEUTE

Zwischen Krieg, Klimawandel und Inflation

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ks; 03.02.2023, 14:25 Uhr
Gummersbach – An dem Kaufmännischen Berufskolleg Oberberg wurde im Januar eine Studie durchgeführt – Unterstützt wurde das KBKO von Jugendforscher Simon Schnetzer.

„Die Uhr wird schon angezeigt. Ich muss noch einen Rundsnap schicken, sonst verliere ich meine 300 Flammen.“ – Eine Aussage, die so oder so ähnlich tagtäglich in deutschen Klassenräumen zu hören sein könnte. Was damit gemeint ist, dürfte allen Anwesenden klar sein – abgesehen von der ältesten Person im Raum, die sich üblicherweise am Pult befindet und unterrichten möchte. „Ich hatte das Gefühl, dass der Abstand zwischen Schülern und Lehrern größer wird, dass wir sie nicht mehr verstehen“, sagte Rainer Gottschlich gestern im Rahmen eines Pressegesprächs nach der Vorstellung der Studie „Wie ticken die Jugendlichen in Oberberg?“.

 

Um dem entgegenzuwirken, nahm der Schulleiter des Kaufmännischen Berufskollegs Oberberg (KBKO) Kontakt zu dem Jugendforscher Simon Schnetzer auf. Bekanntheit erlangt hat der Allgäuer im Oberbergischen bereits 2021, als er im Rahmen der „MorgenMacher“-Studie die Lebenssituation junger Menschen im Südkreis beleuchtet hat (OA berichtete). Mit jeder Corona-Welle sei die psychische Gesundheit stärker strapaziert worden. Damals habe es allerdings die Hoffnung gegeben, dass sich das Leben bald wieder „normaler“ anfühlen werde. „Aber das ist nicht eingetreten. Wir kommen aus dem Krisenmodus nicht raus“, so Schnetzer. Krieg, Klima und Inflation: all das belaste die Jugendlichen – auch psychisch.

 

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Im November hat Schnetzer zusammen mit dem Sozialwissenschaftler Prof. Klaus Hurrelmann die Trendstudie „Jugend in Deutschland – Die Wohlstandsjahre sind vorbei: Psyche, Finanzen, Verzicht“ veröffentlicht. Am KBKO wurde nun eine Schülerstudie durchgeführt. Rund 1.100 Personen und damit mehr als die Hälfte der Schülerschaft des Berufskollegs haben sich an der dazugehörigen Umfrage beteiligt. In vielerlei Hinsicht seien die Erkenntnisse der Trendstudie bestätigt worden. Viele hätten diese Zeit nicht gut verkraftet, seien verunsichert und würden sich jetzt nicht bereit fühlen, in das Berufsleben einzusteigen. „Ich habe noch gar nicht richtig gelebt“ sei ein Satz, der laut Schnetzer immer wieder falle. Umso wichtiger sei es, die Jugend zu begleiten, zu unterstützen – und sie in Kraft und Selbstwert zu führen.

 

Was Gottschlich besonders überrascht, sei der Hilfeschrei der Jugend, aus den sozialen Medien rauszukommen. In Projektgruppen haben die Schüler darüber gesprochen, wie viel Zeit beim ständigen „Online-Sein“ und der Nutzung von Streamingdiensten draufgehe. Auch das Cybermobbing wurde thematisiert. Dabei haben die Schüler erkannt, dass sie auch im heimischen Jugendzimmer nicht vor den Auswirkungen gefeit seien und dabei Zeit verlieren, die sie mit Freunden und Familienangehörigen von Angesicht zu Angesicht oder gar mit einem ehrenamtlichen Engagement verbringen könnten. Verbunden sei für die Jugend damit ein großer Konflikt: dem Wunsch, die sozialen Medien zu verlassen, steht der Verlust der Gruppe gegenüber. „Aber wir haben jetzt die riesen Chance, sie dabei zu begleiten“, so Gottschlich.

 

[KBKO-Schulleiter Rainer Gottschlich (l.) und Jugendforscher Simon Schnetzer beim gestrigen Vortrag.]

 

Am KBKO wird das Ziel verfolgt, die Schule bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Die Schülerschaft in diesen Prozess mit einzubeziehen, sei dabei zentral. Am Mittwoch haben die Schüler ihrer Schulleitung diesbezüglich acht Konzepte vorgestellt. „Das war eine der härtesten Stunden in meinem Leben. Wir durften gar nichts sagen“, erzählte Gottschlich lachend. Viele Schüler wünschen sich, dass der Unterricht künftig digitaler gestaltet, das WLAN verbessert und der Kiosk wiedereröffnet wird. Auch Parkflächen, eine Chillout-Area sowie „lebenswertere Klassenräume“ sind hoch im Kurs. Gottschlich hat die Kritik der Schüler ernst genommen; er sagte nach den Vorträgen: „Ich verspreche euch, dass wir das so angehen werden.“

 

Am Berufskolleg müssen die Schüler nur noch in Prüfungsfächern schriftliche Leistungsnachweise erbringen. „Wir wollten, dass der Druck etwas rauskommt und die Schüler nicht ständig Tests schreiben müssen“, so Gottschlich. Damit würden in den Kursen mehr Freiräume entstehen, die die Jugendlichen und jungen Erwachsenen anders nutzen könnten. Seit dem vergangenen Herbst gibt es am KBKO ein Filmstudio mit Greenscreen. Eingerichtet worden ist es von der Gummersbacher Firma Scarlito. Dort finden Workshops statt, die Schüler drehen eigenständig Erklärvideos. Künftig sollen auch redaktionelle Beiträge sowie Bewerbungsvideos entstehen.

 

[Kameramann Fabian Pütz von Scarlito hat den Vortrag gefilmt.]

 

Mit dem gestrigen Vortrag von Jugendforscher Schnetzer und der anschließenden Präsentation der Konzepte seitens der Schüler ist das Projekt jedoch nicht abgeschlossen. „Wir werden die Schüler weiterhin begleiten – und umgekehrt“, so Gottschlich. Aktuell werde die Studie mit ihren über 400 Seiten aufbereitet. Außerdem soll auf der Website der KBKO ein Monitoring etabliert werden, das (auch Außenstehenden) aufzeigen soll, wie sich die Schule entwickelt. Darüber hinaus soll einmal pro Monat ein Themenradar durchgeführt werden, bei dem sich die Schüler direkt mit ihrer Schulleitung austauschen können.

 

Anmeldungen für das kommende Schuljahr sind am Kaufmännischen Berufskolleg Oberberg bis zum 5. März möglich.

 

Übrigens: „Rundsnaps“ und „Flammen“ gibt es in der App „Snapchat“. Ein „Rundsnap“ wird wie ein „Rundschreiben“ an mehrere Personen gesendet. Ein „Snap“ kann ein Foto oder auch ein kurzes Video sein, das über die App verschickt wird. „Flammen“ erhält man, wenn man über Snapchat intensiv in Kontakt ist und sich täglich „Snaps“ zuschickt. Wird innerhalb von 24 Stunden kein neuer „Snap“ gesendet, gehen die „Flammen“ verloren.

KOMMENTARE

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Tolle Studie,
ja,ja die armen Jugendlichen.
Sie fühlen sich nicht bereit genug, um ins Arbeitsleben einzusteigen!
Sie haben noch nicht gelebt!
Sie sind Druck ausgesetzt!
Und wie will der Schulleiter Chill-Out-Area und lebenswertere Klassenräume
umsetzen/finanzieren?
Für solch eine "Studie" wird Zeit investiert.... die währe besser ins Lernen investiert gewiesen.
Und was sollen Rentner denken wenn sie diesen Artikel gelesen haben?

Arbeitender mit 66 Jahren., 03.02.2023, 16:18 Uhr
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