KULTUR
Die Welt der Idiotie und die Marktmacht von Rentnern
Gummersbach - Mit "Schnee, der auf Ceran fällt"brachte der Kabarettist Torsten Sträter gestern die Stimmung in der SCHWALBE arena zum Brodeln.
Von Ute Sommer
Nach rund eineinhalb Jahren Bühnenpause durch Corona und einem euphorischen Begrüßungsapplaus lagen sich das Publikum und der Mann mit der Mütze vom ersten Moment an bildlich in den Armen. "Schön, dass Sie da sind, ich hab nicht daran geglaubt.“ Ohne sich mit weiteren Präliminarien aufzuhalten ging Kult-Comedian Torsten Sträter gestern Abend in der SCHWALBE arena von Beginn an steil, klopfte Sprüche, drechselte Wortspiele, schraubte an Begriffen und nahm seine Zuhörer mit auf einen zweieinhalbstündigen Rundgang durch die schräge Welt der Idiotie.
Roter Faden? Wird definitiv überbewertet. "Klar ist Corona der Elefant im Raum, doch macht euch locker. Wir sind ja alle geimpft", empfahl er Impfgegnern auf TikTok die Fresse zu halten und Katzenvideos anzuschauen. Nach eigenen Angaben hat der Sprücheklopfer das Handwerk des Herrenschneiders gelernt, in Wirklichkeit aber ist er ein thementechnischer Pürierstab, der Situationen und Stichworte aufnimmt, sie zerkleinert, raspelt, zerquetscht und zu Brei verarbeitet, um sie anschließend in einem anderen Zusammenhang wieder zum Leben zu erwecken.
Der Begriff Götterspeise beispielsweise bewirke komplett falsche Vorstellungen, sei nichts anderes als eine vibrierende Masse steifen Glibbers aus gehobeltem Schwein, mit dem Geschmack grün. In detailreichen Bildern zeichnete der gebürtige Dortmunder die urkomische Kopfgeburt von Odin, der obersten Gottheit der nordischen Mythologie, der an seinem runden Eichentisch in Walhalla eine Runde Wackelpudding für alle bestellt. Weiter ging es mit Telefon-Storys vom Erben des Imperiums, der allerdings gerade 18 geworden sei und nicht mehr als Programmpunkt herhalten wolle. "Dem hab ich echt nix beigebracht, außer was er nicht essen soll". So wie die Bockwurst auf der Autobahnraststätte, die mindestens seit 1984 in der Brühe treibe.
Also stattdessen die Episode von der Heizkörpermesse in Wuppertal, wo der leicht pullundrige Abteilungsleiter noch "bei de Brigitte ausse Buchhaltung bei geht“. Kuriose Details aus der Terra Incognita der Umsatzsteuervoranmeldung, seine Begegnung mit dem dörrfleischartigen Extrembergsteiger Reinhard Messner und die Marktmacht von Rentnern, derentwegen Mercedes heute schon Windschutzscheiben mit neun Dioptrien einbaue. "Ich schweife ab", rief sich der überaus reflektierte Blödsinns-Cocktailshaker in regelmäßigen Abständen zur Ordnung, ließ sich durch spontane Zurufe aus dem Publikum aber gern auf gedanklichen Abwegen führen. "Wenn ich was höre, friere ich daran fest. Ist Sex-Appeal ein Tuwort?“
Zum Brüllen komisch auch die Klangmalereien, mit denen der Komiker das säuselnde Motorengeräusch seines Ford Mustang, den kötzelnden Ton einer Pumpkaffeekanne oder den höllischen Lärm beim Autobahn-Überholvorgang von "irgendeinem Karl-Heinz und seiner Feststoffrakete" demonstriert. In der weiteren Tour de Force scheute sich der Spaßmacher und Schirmherr der Deutschen DepressionsLiga e. V. nicht, seine Flugangst und Depressionen schnörkellos, aber leicht verpackt zur Sprache zu bringen, holte sie aus der Ecke der Tabuthemen, machte sie en passant öffentlichkeitsreif. Selbstironisch beschrieb er die Wirkung des Tranquilizers Tavor, "der einen integeren Mann mühelos in einen Sack Getreide verwandelt".
"Schnee, der auf Ceran fällt" beschreibt der Maestro selbst als "epische Exkursionen über Moral und Verstand". Ein Konzept, für das sich sein Publikum mit tosendem Beifall bedankte.
KOMMENTARE
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Es war ein fantastischer Abend, welcher von Frau Sommer à point zusammengefasst wurde.
Lieber Typ Sträter, herzlichsten Dank für diesen kurzweiligen Abend.
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