KULTUR

Mit dem Stampfer werden aus Gullydeckeln Könige

ls; 26.10.2024, 09:00 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen --- Gemeinsam mit Lebensgefährtin Christine Scheid lebt und arbeitet Karl Grunschel in Strombach.
KULTUR

Mit dem Stampfer werden aus Gullydeckeln Könige

ls; 26.10.2024, 09:00 Uhr
Gummersbach - Karl Grunschel fertigt mithilfe einer Baumaschine Kunstwerke aus Straßenschäden - Ateliereröffnung am 2. und 3. November in Strombach (Mit Video).

Von Leif Schmittgen

 

Karl Grunschel hat aus einer Not eine Tugend gemacht. Ärgern sich die meisten Menschen wohl eher über schlechte Straßenzustände und Schlaglöcher, sind diese für den 75-jährigen Gummersbacher ein wahres El Dorado seiner Kreativität. Oftmals kommen dem Künstler nachts die Gedanken, wie man das gesehene weiterentwickeln kann.

 

[Video: Leif Schmittgen --- Impressionen der Arbeit/ Für Tonwiedergabe bitte auf den entsprechenden Button im Video klicken.]

 

Ein vermeintlich schnöder Riss im Fahrbahnbelag entwickelt sich im Kopf zu einem Ast, der viele Blüten trägt. Der Gullydeckel vor dem Haus ist zu einem leuchtenden Planeten geworden und der Kopfsteinpflasterbelag wird zum dreidimensionalen Wegweiser in einem Bild. Sogenannte Lückenbüßer, also kleine Schlaglöcher, werden mit farbenfrohen Elementen versetzt und sorgen für Kontrast in den Bildern Grunschels.

 

Doch wie setzt der Künstler sein Kopfkino in die Realität um? Mit einem sogenannten Stampfer, der eigentlich auf Baustellen zur Untergrundbefestigung zum Einsatz kommt, drückt er Straßen- oder Gehwegschäden auf extrastarkes Büttenpapier. Die entstandene Vorlage wird dann mit schwarzem Acryl eingefärbt, das dient als Grundfarbe und auch als Wetterschutz. Denn die meisten seiner gerahmten Werke befinden sich im Freien, genauso wie die Skulpturen, die aus dem selben Rohling gefertigt werden. So werden - auch plastisch - Könige aus dem Teil eines Gullys sowie umliegenden Abplatzungen. Und das in mehrfacher Ausführung: zunächst als Bildnis und dann in drei verschiedenen Größen von wenigen Zentimetern über Menschenmaß bis hin zum sechs Meter großen Giganten. Der Teil des Abflussdeckels bilden die Krone, aus den übrigen Abdrücken entsteht der Korpus.

 

WERBUNG

„Viele Dinge wiederholen sich, aber kein Kunstwerk gleicht dem anderen“, weiß Grunschel aus über 30 Jahren Berufserfahrung. Begonnen hatte alles bei einem befreundeten Bauunternehmer, der ihm nach einem seiner nächtlichen Geistesblitze die ungewöhnliche Bitte erfüllte, ihm einen Stampfer zu leihen. Erst wollte Grunschel am realen Objekt arbeiten, modellierte seine Vorlagen noch in Holzrahmen. Die Leihgabe war nur von kurzer Dauer. „Irgendwann habe ich mir die Baumaschine zu Weihnachten geschenkt“, sagt der Künstler lachend.

 

[In den Lückenbüßern werden durch kräftige Farben Kontraste erzeugt.]

 

Einen eigenen Spitznamen hat er für das 60-Kilo-Ungetüm, spricht aber während der Arbeit von seinem Frosch, wie das Gerät umgangssprachlich genannt wird, das sei Liebkosung genug. Zerstört habe er noch nie etwas, sondern verarbeite lediglich vorhandene Schäden. Zudem handele er immer gesetzeskonform. Auch wenn wegen des kurzzeitigen Lärms das eine oder andere Mal die Polizei nachfrage, habe er schließlich aber immer großen Zuspruch für sein Wirken erhalten.

 

[Kleine und große Könige zieren die Ausstellung.]

 

Trotz aller Leidenschaft zur Kunst ist sein Umzug von Siegburg nach Gummersbach rein menschlicher Natur. Denn im Stadtteil Strombach lebt Christine Scheid, die sich als Malerin betätigt. Sie ist seit einigen Jahren Grunschels Lebensgefährtin und bei der malerischen Ausgestaltung der Werke arbeiten beide nun auch zusammen. In Kürze stellt das Paar seine Werke im Atelier (Florastraße 15) des Wohnhauses auch dauerhaft der Öffentlichkeit vor.

 

Im Rahmen der Aktion „Offenes Atelier Oberberg“ am 2. und 3. November wird jeweils zwischen 11 und 17 Uhr die Eröffnung gefeiert. Dort stehen auch Werke zum Verkauf. Für reichlich Nachschub ist beim Neu-Gummersbacher jedenfalls gesorgt. „Die Ideen liefern mir die Verkehrsteilnehmer ganz unfreiwillig“, schmunzelt  Grunschel und blickt auf ein großes Schlagloch auf der Straße direkt vor seinem Haus.

BILDERGALERIE

WERBUNG