KULTUR

Spreewaldgurken und Mauerfall

vma; 08.06.2024, 13:10 Uhr
Fotos: Martin Büttner/Burghofbühne Dinslaken --- Humorvoll und einfühlsam erzählt „Good Bye, Lenin!“ die Geschichte der Wende.
KULTUR

Spreewaldgurken und Mauerfall

vma; 08.06.2024, 13:10 Uhr
Gummersbach – Die Burgbühne Dinslaken spielte in der Halle 32 das Stück „Good Bye, Lenin“ von Bernd Lichtenberg in einer Inszenierung von Maja Deliniċ, bei dem nicht nur Spreewaldgurken die Geschichte der Wende zeigten.

Von Vera Marzinski

 

Nicht Ostalgie steht bei „Good Bye, Lenin“ im Vordergrund – auch wenn vehement nach der Spreewaldgurke gesucht wird -, sondern die Suche nach dem, was den Menschen Halt geben kann in einer sich stark verändernden Gegenwart. Das übergreifende Thema des Stoffes ist für die Regisseurin Maja Deliniċ der Prozess der Veränderung, der hier in mehrfacher Hinsicht stattfindet. Jeder Abschied und jeder Verlust bedeute immer auch eine Veränderung der Identität. Ein Teil von ihr werde abgespalten und zurück bleibe eine Lücke. Dabei verarbeite jeder seinen Verlust auf individuelle Art und Weise, so Deliniċ. Das wird auch in dem Stück deutlich.

 

[Alex (Linus Scherz) als Kosmonaut: Siegmund Jähn, der erste Deutsche im Weltraum, ist sein Idol.]

 

Im Leben der Familie Kerner lebt die DDR weiter. Denn kurz vor dem Mauerfall hatte Christiane Kerner (Friederike Bellstedt), verdiente Aktivistin der DDR, einen Herzinfarkt und schlägt erst nach acht Monaten im Koma wieder die Augen auf. Und damit sie sich nicht unnötig aufregt, hilft nur eins: die DDR muss weiterleben! Zumindest auf den zwölf Quadratmetern, in denen die Mutter ihr Krankenbett hat. Besonders Sohn Alex (Linus Scherz) versucht, den alten Zustand aufrechtzuerhalten. Humorvoll und einfühlsam erzählt „Good Bye, Lenin!“ die Geschichte der Wende und ihre Bedeutung für die Menschen. Dabei prallen Euphorie und Zuversicht auf Nostalgie und Depression. Hilfe leistet Alex' Arbeitskollege (und semiprofessioneller Filmemacher) Denis (Markus Penne), der die „Aktuelle Stunde“ wieder aufleben lässt und so die sich bahnbrechende Wahrheit in alternativen Fakten neu erklärt. Außerdem hat Tochter Ariane (Norhild Reinicke) einen neuen Freund, doch Rainer (Matthias Guggenberger) ist Wessi und genau das darf die Mutter nicht merken.

 

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Doch zunächst sahen die Zuschauer in der Halle 32 auf der Bühne erstmal nur die Mauer und davor einen jungen Mann, der offensichtlich die Gespräche der zwei Herren auf der Mauer – die dort wie die Muppets-Opas Waldorf und Statler sitzen - abhört und dies dann auf seiner Schreibmaschine festhält. Es sind weitere Unterhaltungen wie in einem Hörspiel zu hören und dann ein Zeitsprung von 1978 in das Jahr 1989. „Wenn sich um einen herum alles verändert und zu Hause bekommt man gar nichts mit, bleibt die Zeit stehen“, so die aus dem achtmonatigen Koma erwachte Christiane. Sie ist bei Honecker eingeschlafen und mit Kohl aufgewacht.

 

[Für Mutter Christiane (re. Friederike Bellstedt) lassen alle die Vergangenheit wieder aufleben.]

 

Das Lied „Auferstanden aus Ruinen“ wird gespielt und zum Geburtstag gibt es einen Gruß der Parteileitung und ein Ständchen. Riesige Spreewaldgurken und ein DDR-Sandmännchen gehören ebenso zum Bühnenbild wie die Requisiten, die, bis auf eine Bank, alle original aus der ehemaligen DDR sind. Die Mauer auf der Bühne kann in Teilen wie ein Paravent verschoben werden und gibt mal mehr und mal weniger Blicke auf Gegenwart oder Vergangenheit. Um diese aufleben zu lassen, leistet die Familie viel. Und Freund Denis weiß: „Wenn nur ein Detail nicht stimmt, muss man eben die ganze Geschichte ändern!“

 

Ein emotionaler Stoff mit feinem Beziehungsgeflecht innerhalb einer Familie zeigte die Burghofbühne Dinslaken – in weiteren Rollen Arno Kempf als Nachbar und der in den Westen geflüchtete Vater, Christine Schaller als Lara und Christiane Wilke als Nachbarin Frau Schäfer. Die Premiere des Stückes fand im September 2023 statt. 20 Jahre zuvor wurde „Good bye, Lenin“ verfilmt unter der Regie von Wolfgang Becker, der diese Familien- und Zeitgeschichte mit Daniel Brühl und Katrin Saß in den Hauptrollen zeigte. Er hatte außerordentlichen Erfolg im In- und Ausland, beim Publikum wie bei der Kritik und erhielt zahlreiche Preise.

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