KULTUR

Wilfried Schmickler: Mäandern zwischen Tiefsinn und Irrsinn

us; 16.03.2025, 12:15 Uhr
Fotos: Ute Sommer --- „Ich glaube trotz allem an eine Zukunft der Zuversicht-Wir schaffen das“, lautete das Resümee des Künstlers.
KULTUR

Wilfried Schmickler: Mäandern zwischen Tiefsinn und Irrsinn

us; 16.03.2025, 12:15 Uhr
Waldbröl - In seinem Programm „Herr Schmickler bitte!“ lud der Kabarettist Wilfried Schmickler ein zu einem verbalen Parforceritt durch eine Welt gesellschaftlicher Schieflagen, sozialer Ungerechtigkeiten und der Auswüchse modernen Lifestyles.

Berlin oder Hamburg hätte er stante pede abgesagt, aber auf den Auftritt in seinem „allerliebsten Lieblingswaldbröl“ wegen einer profanen Bronchitis zu verzichten, wäre Wilfried Schmickler nach eigenen Angaben nie in den Sinn gekommen. Auch wenn leicht indisponiert präsentierte der verbale Scharfschütze Schmickler den 350 Zuschauern in der ausverkauften Aula des Hollenberg Gymnasiums gestern Abend eine unterhaltsame Mischung tagespolitischer Themen und deren Relevanz, mäandernd zwischen Tiefsinn, Leichtsinn, Hintersinn, Irrsinn, Stumpfsinn und Blödsinn.

 

[Sparsame Bühnenstaffage glich Wilfried Schmickler durch enorme Bühnenpräsenz, wortgewaltige Text-Kaskaden und geniale Rhetorik aus.]

 

Mit den ihm typischen Textkaskaden und Wortwasserfällen skizzierte der renommierte Kabarettist eingangs die moderne Smartphone-Gesellschaft, die von Ängsten wie Fobo (Fear of being offline, Angst etwas zu verpassen) und Fomo (Fear of missing out, Angst nicht dabei zu sein) getrieben werde. Antworten auf Fragen wie diese, ob Friedrich Merz endlich einen Termin bei seinem syrischen Zahnarzt bekommen habe oder ob Sarah Wagenknecht in Wirklichkeit der als Rosa Luxemburg verkleidete Oskar Lafontaine sei, könne man von ihm nicht erwarten, denn er wolle sich heute allenfalls den Ballast von der Seele reden. Schleierhaft sei ihm, warum Menschen beim Surfen im Internet bedenkenlos ihre Daten zur Verfügung stellten, wenn Tec-Giganten wie Musk oder Zuckerberg mit diesen Informationen die Herrschaft über die Welt übernehmen wollten.

 

Alle forderten Wachstum und Wohlstand, aber die Work-Life Balance dürfe keinesfalls aus dem Gleichgewicht geraten, was mit Blick auf die Lebenswirklichkeit in Japan oder Amerika lächerlich wirke. „Oh weh, oh weh-die SPD“ beklagte Schmickler deren mieses Abschneiden bei der Bundestagswahl, „schau an, schau an-der eitle Hahn“ richtete sich an den bisherigen FDP-Chef Christian Lindner, dem zusammen mit den Opfern um die „Schlacht am D-Day“ ein Denkmal gebühre. Auch die Grünen hätten mehr Kröten geschluckt, als sie je über die Straßen getragen hätten, doch „ohne Eingriffe in den destruktiven Umgang mit der Welt wird es keine Zukunft geben“, unterstrich Schmickler. Mit einer wahrhaft apokalyptischen Schmäh-Tirade geißelte er die über 200 gesichert rechtsextremen Organisationen in Deutschland, deren parlamentarischer Arm die AfD sei.

 

Niemand leugne Probleme mit Flüchtlingen, doch keines dieser Probleme rechtfertige es, Menschen im Mittelmeer ersaufen zu lassen. Auch wenn rund zwei Drittel aller Wahlberechtigten Unzufriedenheit an der aktuellen Politik äußerten, schickte der Wortakrobat die Zuschauer mit dem klaren Statement „es gibt keine bessere Verfassung als die Demokratie“ in die Pause. Anschließend lag im zweiten Programmblock der Fokus auf verschmitzt präsentierten Appellen zu mehr Toleranz und Beiträgen zur „Verfreundlichung der Welt“.

 

In amüsanter Episodenform hechelte der studierte Sprachwissenschaftler Gesundheitstrends, atmungsaktiv gekleidete Senioren und Longevity durch, ätzte über „Sitzen als das neue Rauchen“. Sprachlich saukomisch verpackte Sorgen um den Verlust des deutschen Wohlstandsniveaus wurden gefolgt vom Loblied auf den Thermomix, das wichtigste Küchengerät seit Erfindung des Feuers.

 

Dem zunehmend gefeierten Jugendwahn in der „Spaßgesellschaft“ stellte Schmickler das subversive Potenzial des Altenheim-Bewohners „Herbert“ gegenüber, der über eine „solide, aggressive Grundstimmung“ verfüge, die ihn dazu verleite, ab und zu Kondome in die Kollekte zu werfen oder bei Edeka derart ekelhaft in die Fleischtheke zu husten, dass man ihn fürs Verlassen des Ladens beschenke.

 

Die pastorale musikalische Betrachtung zu moralischen Werten wie gut/ böse, richtig/falsch oder freundlich/feindlich krönte Schmickler mit dem drolligen Witz, in dem der Löwe den Atheisten verspeist und sich das Auditorium vor Lachen bog. Nach einem persönlichen Dank an alle ehrenamtlichen Organisatoren vom Förderverein „Waldbröl erleben“ und „Wir für Waldbröl“, die sich für die regionale Kulturlandschaft engagieren, verabschiedete sich der Sprachjongleur von seinem Lieblingswaldbröl mit den Worten: „Ich glaube trotz allem an eine Zukunft der Zuversicht-Wir schaffen das“.

 

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