LOKALES

„Das Kulturleben ist tot“

mkj, lw, ls; 20.03.2020, 16:00 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen (1)/Michael Kleinjung (2) - Das Neustädter SchauspielHaus von Axel Krieger an der Kölner Straße.
LOKALES

„Das Kulturleben ist tot“

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mkj, lw, ls; 20.03.2020, 16:00 Uhr
Oberberg – Veranstalter in der Region haben mit der Coronakrise zu kämpfen und müssen teils ums Überleben bangen.

Von Michael Kleinjung, Leif Schmittgen und Lars Weber

 

Immer noch werden täglich Veranstaltungen abgesagt. Als die Absageflut begann, betraf dies Konzerte, Märkte oder auch Lesungen, die kurz bevor standen. Inzwischen werden auch schon Veranstaltungen im Sommer abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben. Corona trifft Veranstalter besonders hart. Oberberg-Aktuell hat mit Menschen aus der Branche gesprochen.

 

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„Das SchauspielHaus wird alle Veranstaltungen stattfinden lassen“, hieß es noch vor genau einer Woche von Axel Krieger in seinem Newsletter mit den Veranstaltungshinweisen. Doch nur zwei Tage später hatten auch ihn die Ereignisse rund um das Coronavirus eingeholt: „Die Ereignisse haben sich stündlich gewandelt. Obwohl das Theater sehr klein ist, sind Veranstaltungen auch hier nicht mehr zu verantworten.“, hieß es da von Seiten Kriegers. Damit war das Bergneustädter SchauspielHaus mit eine der letzten offenen Kulturstätten im Oberbergischen, die ihre Veranstaltungen absagen mussten. „Als Einzelunternehmen unterliege ich natürlich den gesetzlichen Bestimmungen das Theater zu schließen. Aber ich hätte es auch gemacht, wenn ich nicht aufgefordert worden wäre. Das kann man nicht verantworten“, so Krieger heute. „Im Oberbergischen bin ich das einzige private Theater und damit ein Einzelunternehmen, sodass es mich besonders hart trifft“, erklärt Krieger, der ansonsten noch von einem Förderverein unterstützt wird. „Das ist auch ganz wichtig, dass wir den haben.“

 

[Das Bergneustädter SchauspielHaus von Axel Krieger feierte im vergangenen Jahr sein 25-jähriges und wurde zudem vom Landesmusikrat NRW mit dem Spielstätten-Preis gewürdigt.]

 

„Nicht nur in unserer Region, sondern in ganz Europa ist das gemeinschaftliche Kulturleben tot“, beschreibt Krieger die Situation. „Das gemeinschaftliche Kulturerlebnis, sprich Kino, Theater, Konzerte oder der Museumsbesuch, findet nicht mehr statt. Solange es Kultur gibt, hat es so etwas noch nie gegeben.“ Mit welchen Auswirkungen für das SchaupielHaus? „Eine gewisse Zeit werde ich den jetzigen Zustand sicher überleben. Ich denke und hoffe, dass die angekündigten Fördermaßnahmen der Regierung auch für uns kleinen Krauter so sind, dass es uns einigermaßen hilft. Wenn alles schief geht, gehe ich in die Insolvenz.“ Das Hauptproblem seien, wie bei vielen anderen auch, die laufenden Mietkosten, weshalb er auf ein Entgegenkommen Seitens des Vermieters hofft. Zwei Monate sieht Krieger derzeit als machbar an. „Das auch nur durch Hilfen und nicht durch alleinige Kraft. Da gibt es auch Menschen, die mich permanent unterstützen, wenn die nicht wegbrechen, dann kann ich diese zwei Monate recht gut überstehen. Dann schaffe ich das.“ Danach müsse er weitersehen.

 

Martin Kuchejda ist Chef des Gummersbacher Kulturbetriebes Halle 32, Rüdiger Hockamp organisiert gemeinsam mit seiner Ehefrau in der Firma „Team 3“ Veranstaltungen vom kleinen Flohmarkt bis hin zum Großkonzert. „Den 13. März werde ich so schnell nicht vergessen“, meint Kuchejda. An diesem Tag hatte Bürgermeister Frank Helmenstein - dessen Krisenmanagement er lobt - angeordnet, dass der Kulturbetrieb für zunächst fünf Wochen seine Pforten schließt. „Wir haben bereits in den Tagen zuvor einen Krisenplan erarbeitet, nach welchen Kriterien wir Veranstaltungen überhaupt noch stattfinden lassen können. „Das Alter, Personenanzahl und Art der Veranstaltung haben dabei eine Rolle gespielt“, skizziert der Hallenchef nur einige Teile des Zehn-Punkte-Plans, der an diesem Abend aber hinfällig wurde. „Noch in der Nacht habe ich alle Kollegen informiert“, erinnert er sich. Vom frühen Morgen bis weit nach Mitternacht haben der Chef und seine zwölf Mitarbeiter in einer Krisensitzung am Folgetag besprochen, wie man die kommenden Aufgaben verteilt. Wer sagt den Künstlern Bescheid, wie werden Eintrittsgelder zurückerstattet und wer sagt die gebuchte Betriebsfeier oder Tagung ab? Insgesamt galt es, 134 Veranstaltungen bis 19. April abzusagen. Heute arbeitet die Belegschaft „geteilt“.

 

[Martin Kuchejda (links) und Rüdiger Hockamp.]

 

Etwas anders lief es bei Hockamp: „Für uns kam der Übergang zunächst schleichend, denn die Absagen trudelten bei uns nach und nach ein.“ Man hatte soeben die „Winterflaute“ überstanden und plante bereits für das gesamte Jahr bis hin zum Weihnachtsgeschäft. „Jetzt ist alles passé, der Markt ist total tot“, resümiert der Moderator. Doch wie sieht es wirtschaftlich aus? Martin Kuchejda erwartet nicht bei sich, sondern beim Kulturbetrieb große Probleme in der nahen Zukunft. „Vor allem machen mir unsere Partner und Sponsoren Sorgen. Ich glaube nicht, dass alle unbeschadet diese Krise überstehen.“ Über seine eigene Arbeitsstelle sorgt er sich (noch) nicht. Anders sieht das beim selbstständigen Rüdiger Hockamp aus. „Wie gehen jetzt an die Reserven“, berichtet er. Bis Herbst wird der Moderator laut eigener Einschätzung damit über Wasser bleiben. Beide sorgen sich um die Zukunft, weil diese nicht planbar ist. „Wenn ein Ende in Sicht wäre, könne man sich darauf einstellen“, meint Hockamp.

 

Eine Menge an Veranstaltungen hat auch Markus Missbrandt in den vergangenen Jahren im Oberbergischen auf die Beine gestellt. Unter anderem ist er Vorsitzender des Vereins Gigbox, der Konzerte und Festivals mit lokalen Bands organisiert. Zwei Termine seien Corona bislang zum Opfer gefallen, das „Frühlingsgefühle“-Festival im April und der Musikerflohmarkt im Mai. „Für uns ist das noch kein Beinbruch, es geht dadurch kein Geld verloren.“ Etwas anders sieht es bei seinen eigenen Bandaktivitäten aus. Seine Gruppe Superthousand hat zum Beispiel ein neues Album am Start. Das Geld für die Aufnahmen komme eigentlich über Konzerte rein, wenn Besucher sich auch eine CD oder eine Schallplatte kaufen. Er findet es gut, dass wenn in Zeiten von Corona Bands beispielsweise kleine Konzerte übers Netz streamen. So lege das Virus das kulturelle Leben nicht komplett lahm.

 

Die Tourabsagen im Veranstaltungsbereich treffen auch das Unternehmen Coach Service aus Reichshof, das Bands und Künstlern moderne Busse zur Verfügung stellen, die damit durch ganz Europa fahren. Sämtliche nationale und internationale Größen zählten zu ihrer Kundschaft, so Geschäftsführer Clemens Behle. „Die Situation ist für uns sehr ungewohnt, da wir immer viele Monate im Voraus gebucht werden. Wir sind es auch gewohnt, im Frühjahr eine hohe Auslastung zufahren. Für 2020 war die Nachfrage sogar so groß, dass wir in allen Bereichen stark erweitern, da das ganze Jahr bereits sehr gut ausgelastet war.“ Doch stehen die 100 Busse an allen europäischen Standorten des Unternehmens still. „Je nach Länge des Totalausfalls können die wirtschaftlichen Auswirkungen erheblich sein, wobei wir sehr solide da stehen“, so Behle weiter.

 

Von Covid-19 sei nur der operative Tourneebereich betroffen. Die Produktion laufe normal weiter. „Wir bauen zurzeit 14 Doppeldecker-Busse der neusten Generation. In Kürze werden wir ein ganz neues Produkt vorstellen.“ Vor allem für das Fahrpersonal stehe aber nun vorläufig Kurzarbeit an. Behle musste die Mitarbeiter beruhigen, die am ehesten von den „dramatischen Entwicklungen“ betroffen seien. Dann möchte er sich aber mit seinem Team auf die Stärken des Unternehmens konzentrieren. „Wir analysieren liegengebliebenes Potenzial, optimieren und reformieren Arbeitsabläufe und alles, was im normalen Alltag gerne aufgeschoben wird.“ Zudem werde der Betrieb seine Kapazitäten auch für den Notstand zur Verfügung stellen, wenn sie in Europa benötigt werden.

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