LOKALMIX
„Der Wohlstand in unserem Land ist in Gefahr“
Oberberg – IHK-Geschäftsstellenleiter Michael Sallmann hat die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage vorgestellt – Die Wirtschaft kommt nicht aus der Krise.
In diesem Jahr war immer wieder vom „Herbst der Reformen“ die Rede – doch viel passiert ist bislang nicht. Deutschlands Wirtschaft scheint nach wie vor auf „wackeligen Beinen“ zu stehen, die Sparkassen rufen die Alarmstufe Rot für den Mittelstand aus und die aktuelle Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass jeder dritte Betrieb 2026 Personal abbauen will. „Wir sind weiterhin mittendrin in der Wirtschaftskrise“, sagte Michael Sallmann, Leiter der Geschäftsstelle Oberberg der IHK Köln, am Montag bei einem Pressegespräch. Thema war die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Köln, die auch einen Blick auf die oberbergischen Unternehmen wirft.
Vor einigen Monaten gab es noch einen gewissen Hoffnungsschwimmer, bekam die neue schwarz-rote Bundesregierung von den Unternehmen doch Vorschusslorbeeren. Doch die Frühjahrs-Hoffnung ist mittlerweile völlig verpufft, was sich auch in den Zahlen niederschlägt. „Die Lage verschärft sich immer mehr“, machte Sallmann deutlich. Ob das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Ende des Jahres um 0,1 Prozent steige, gleich bleibe oder leicht ins Minus rutsche, „spielt im Grunde genommen keine Rolle.“ Auch Anfang November bestehe noch die Gefahr, dass die deutsche Wirtschaft das dritte Jahr in Folge schrumpft. „Wir bewegen uns zwischen Rezession und maximal Stagnation – und haben weiterhin eine Vertrauenskrise in Sachen Politik“, sagte der IHK-Chef.
Besonders besorgniserregend ist die Lage in der Industrie. Und diese „Lage trifft uns im Oberbergischen ganz besonders“, sagte Sallmann. „Das ist eine Industriekrise, anders als bei Corona.“ 44 Prozent der Unternehmen aus diesem Sektor berichten von einer schlechten Geschäftslage. Auch die Kapazitätsauslastung ist auf ein neues Tief gefallen. „Bei 56 Prozent sind die Auftragseingänge gesunken“, sagte Sallmann. Und die „fehlenden Auftragseingänge von heute sind die sinkende Kapazitätsauslastung von morgen.“ Geld würden die Unternehmen aber erst ab einer Kapazitätsauslastung von etwa 75 Prozent verdienen. Besonders betroffen ist der Maschinenbau. Aufgrund der Zölle und der Unkalkulierbarkeit von Preisen sei der „Absatz von Maschinen in der Welt fast unmöglich“ geworden.
Als größten Risikofaktor für den wirtschaftlichen Erfolg sehen die Unternehmen aber die Inlandsnachfrage (63,4 Prozent), gefolgt von hohen Arbeitskosten (54,9) sowie den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (48,7). Der Fachkräftemangel wird hingegen nicht mehr so hoch bewertet. „Das spielt keine so große Rolle mehr“, sagte Sallmann. Ändern dürfte sich das aber, wenn die Wirtschaft wieder anspringt. Mehr als ein Viertel der Unternehmen plant, den Personalstand zu reduzieren – wobei es hier weniger um Kündigungen geht als darum, offene Stellen nicht mehr nachzubesetzen. Nur in wenigen Branchen, wie dem Bau, vor allem dem Tiefbau, oder auch personenbezogenen Dienstleistungen, zeigt sich eine leicht positive Tendenz.
Auch im Oberbergischen hat sich die Geschäftslage seit dem Frühjahr deutlich verschlechtert. Nur 19 Prozent der Unternehmen melden eine „gute Lage“, (Vorumfrage: 17 Prozent); 43 Prozent berichten hingegen von einer „schlechten“ Lage (Vorumfrage: 31 Prozent). Auch die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate sind pessimistischer: 31 Prozent erwarten eine „schlechtere“ Entwicklung, nur 15 Prozent eine Verbesserung. Die Investitionsbereitschaft ist weiter gesunken: 43 Prozent planen geringe Investitionen (Vorumfrage: 36 Prozent), nur 18 Prozent eine Erhöhung (Vorumfrage: 22 Prozent). Schwach sieht es auch mit Blick auf die Beschäftigung aus: nur acht Prozent planen mit mehr Personal, 34 Prozent wollen Stellen abbauen.
Die Zahlen zeigen, wie kritisch die Lage ist. Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 liegen die Erwartungen bei den Unternehmen im Bereich der IHK Köln unter dem Nullpunkt. „Das ist in dieser Form noch nicht da gewesen und langsam wirklich bedrohlich“, sagte Sallmann. Und die Lage habe sich mittlerweile der schlechten Erwartung angepasst. Bei vielen Unternehmen würden die Reserven schmelzen und über Finanzierung nachgedacht werden, die Insolvenzen bundesweit und auch im Oberbergischen steigen. „Wie viele Warnrufe aus der Wirtschaft braucht es noch? Wir haben es hier schwarz auf weiß: Den Unternehmen geht es immer schlechter, die Deindustrialisierung ist in vollem Gange und die Politik schaut zu“, sagte Sallmann. „Der Wohlstand in unserem Land ist in Gefahr!“
Nach wie vor seien die fesselnde Bürokratie, die umfangreichen Regulierungen und Dokumentationspflichten das größte Hemmnis – dicht gefolgt von den hohen Energiekosten und den Unklarheiten rund um die Energiewende. Dazu kommen die Unwägbarkeiten im internationalen Handel, insbesondere bezogen auf die USA und China. Seitens der Bundesregierung gebe es zwar Ankündigungen, aber was fehlt seien mutmachende Signale. „Es gibt viele Fragezeichen, ob das, was bisher beschlossen oder angekündigt worden ist, eine Trendwende bewirkt“, sagte Sallmann. „Ohne Reformen gibt es aber keine Trendwende, sondern geht es tiefer in den Keller!“
Was es nun brauche, sei politische Klarheit – so etwa bei der Energiewende. Der IHK-Chef spricht etwa über den Netzausbau, den Ausbau regenerativer Energien und Gaswerke als Back-ups. Außerdem müsse es spürbare Veränderungen bei der Infrastruktur und der Bürokratie geben. Und Sallmann spricht auch über die Sozialversicherungssysteme. Häufig sei Thema, dass die Mitarbeiter den Unternehmen gar nicht zu teuer seien, aber dass die Unternehmen zu viel für ihre Mitarbeiter zahlen müssten – so etwa an die Renten- oder auch Krankenversicherungen. Viele Jahrzehnte sei verpasst worden, an das Thema ranzugehen. „Das ist ein politisches Minenfeld“, sagte Sallmann. Aber jetzt müssten „Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden“, sonst werde das Problem noch größer.
Die Konjunkturumfrage zum Herbst 2025 wurde vom 9. bis zum 24. September bei rund 2.300 Unternehmen aus dem IHK-Bezirk Köln durchgeführt. In die Auswertung sind Antworten von 597 Unternehmen eingeflossen. Aus dem Oberbergischen haben sich 109 Unternehmen an der Umfrage beteiligt; 46 Prozent davon kommen aus der Industrie. Die ausführlichen Ergebnisse des Konjunkturberichts zum Herbst 2025 sind auf der Website der IHK Köln zu finden.
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