LOKALMIX
„Erzieher arbeiten nicht nur in der Kita“
Oberberg – Pädagogische Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe fordern bezüglich der Corona-Schutzverordnung eine Gleichstellung mit Fachkräften in Kitas und Schulen.
Von Katharina Schmitz
„Wenn wir im Dienst sind, dann wohnen wir mit den Kindern zusammen. Nähe und Distanz sind bei unserer Arbeit ein großes Thema. Dabei können wir den Abstand nicht so halten wie derzeit zu Erwachsenen“, erklärt die Erzieherin Maike Klement. Sie ist nicht in einer Kindertagesstätte, sondern in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Seit 2015 betreut sie im Reichshofer St. Josefshaus der Caritas-Jugendhilfe-Gesellschaft Kinder ab dem sechsten Lebensjahr, die in einer intensiv-therapeutischen Wohngruppe leben. „Doch im Gegensatz zu Lehrkräften und Erziehern, die in Kindertageseinrichtungen arbeiten, werden unsere Mitarbeiter nicht in der Corona-Schutzverordnung berücksichtigt“, stellt Achim Voss, Pädagogischer Leiter des CJG St. Josefshauses, klar.
[Achim Voss kritisiert die fehlende Gleichstellung der Erzieher in der Corona-Schutzverordnung.]
Derzeit werden von den rund 160 Mitarbeitern des CJG St. Josefshauses in Eckenhagen über 200 bedürftige Kinder und Jugendliche betreut, die zeitweise oder sogar dauerhaft nicht bei ihrer Herkunftsfamilie leben können. Sie haben beispielsweise Gewalt und Missbrauch erfahren, weisen Verhaltens-, Konzentrations- und Leistungsstörungen auf oder leiden unter Entwicklungsstörungen. Neben der Inobhutnahme sowie einem ambulanten Dienst verfügt das CJG St. Josefshaus unter anderem über Tages- und Projektgruppen, stationäre Gruppen sowie eine Förderschule. „An der Schule gelten die gleichen Bedingungen wie an öffentlichen Schulen, doch für alle weiteren Mitarbeiter gilt diese Gleichstellung nicht“, ärgert sich Voss.
Die Kinder wecken und gemeinsam essen, bei den Hausaufgaben helfen, rumalbern, Fingernägel schneiden oder auch mal in den Arm nehmen und trösten: Neben der pädagogischen Arbeit gehören auch ganz alltägliche Aufgaben zu dem Arbeitsalltag der Erzieher. „Wir bieten den Kindern ein Zuhause und eine Familie, auch wenn sie zu ihren Eltern teilweise Kontakt haben. Dieses Zuhause, das ihnen Geborgenheit und eine entspannte Atmosphäre bietet, möchten wir unbedingt erhalten“, sagt Klement, die sich innerhalb eines achtköpfigen Teams um die Kinder in ihrer intensiv-therapeutischen Wohngruppe kümmert.
[Sieben Jungs im Alter von neun bis elf Jahren werden derzeit von Klement und ihren Kollegen betreut.]
Das permanente Tragen von Schutzmasken und das Einhalten von Abständen sei in den stationären Gruppen jedoch utopisch. Mitarbeiter des ambulanten Dienstes würden laut Voss vermehrt über Telefon und Videotelefonie arbeiten: „Doch bei Gefährdungslagen müssen sie die Familien nach wie vor aufsuchen.“ Neben einigen Verdachtsfällen verbuchte die Eckenhagener Kinder- und Jugendhilfe Voss zufolge bislang zwei Corona-Fälle: „Die Kinder befanden sich in Zimmerquarantäne. Zwei Kollegen mussten deshalb in einer Pendelquarantäne arbeiten. Doch wenn ein Team aufgrund von zu hoher Infektionsfälle ausfällt, wer soll dann die Kinder betreuen?“
[Zweimal pro Woche werden die Kinder von der Lehramtsanwärterin
Lisa Schneider besucht.]
Ausreichend Schutzmaterialen stünden den Mitarbeitern zur Verfügung, jedoch würden diese nicht refinanziert werden. Anders gestaltet es sich bei den PoC-Antigen-Schnelltests. „Wir sehen uns nicht in der Lage, diese Mehrkosten zu stemmen. Da sind wir auf die öffentliche Hand angewiesen“, so der Pädagogische Leiter, der sich vor rund zweieinhalb Wochen mit einem Schreiben an Landrat Jochen Hagt wandte, doch bislang keine Antwort erhalten hat.
Im Gegensatz zum ersten Lockdown dürften die Kinder nun regelmäßig von ihren Eltern besucht werden oder manche Wochenenden in ihrem Elternhaus verbringen. Dadurch steige das Risiko von Infektionen. „Um der fehlenden Sicherheit zu begegnen, geben wir den Kindern Besuchslisten mit. Davon erhoffen wir uns, nachvollziehen zu können, welche Kontakte die Kinder hatten“, erklärt Klement. Doch die Angaben würden nicht immer den Tatsachen entsprechen.
[Einige Kinder haben die Möglichkeit, ihre Eltern zu besuchen – doch steigt mit der Anzahl an Kontakten auch das Risiko von Infektionen.]
Problematisch sei außerdem die Umsetzung des Homeschoolings. „Wie bei Eltern stellt das auch für unsere Mitarbeiter eine besondere Herausforderung dar“, gibt Voss zu. Zudem sei die EDV-Ausstattung alles andere als ausreichend, denn derzeit würden die Wohngruppen jeweils nur über einen Laptop verfügen. Zum Teil könnten die Kinder auf private Endgeräte zurückgreifen, doch langfristig müsse die EDV-Ausstattung verbessert werden. „Auch dazu gibt es keine Finanzierung. Hier sind wir auf Spendenmittel angewiesen.“
[Achim Voss und Maike Klement weisen auf eine landesweit laufende Petition zur Unterstützung der Erzieher in der Kinder- und Jugendhilfe hin.]
Landesweit hoffen die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe auf einen besseren betrieblichen Gesundheitsschutz und haben diesbezüglich eine Petition ins Leben gerufen. „Uns geht es nicht um eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern der Altenhilfe und Krankenpflege. Uns geht es um die Gleichstellung pädagogischer Fachkräfte in Kitas, Schulen und der Kinder- und Jugendhilfe“, fasst Voss zusammen. Neben einem präventiven Gesundheitsschutz über Schutzkleidung und PoC-Antigen-Schnelltests fordern die Betroffenen außerdem, bezüglich der Corona-Schutzimpfung priorisiert zu werden – ebenso wie die Pädagogen in Kitas und Schulen. So findet Klement deutliche Worte: „Erzieher arbeiten nicht nur in der Kita, sie arbeiten auch für den Schutz von Kindern.“
KOMMENTARE
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Alle Erzieherinnen und Erzieher sollten gleich behandelt werden!
Also gleiches Recht für alle!
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