LOKALMIX
„Güllewürste“: Bauern wehren sich
Oberberg – Ab dem 1. Februar 2025 gilt die Pflicht zur streifenförmigen Ausbringung von flüssigen Wirtschaftsdüngern auf Flächen mit Grünland – Die Landwirte der „Mittelgebirgsallianz“ wollen aber auch an den sogenannten Breitverteilern festhalten.
In der Nähe der Reichshofer Ortschaft Wildberg ist auf einem Höhenpunkt von rund 467 Metern ein Megalith zu finden: der „Dreiherrenstein am Hofe Kamp“. Seit mehreren Jahrhunderten soll er dort schon stehen und als historischer Grenzpunkt zwischen den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland Pfalz, dabei insbesondere zwischen den Landkreisen Oberberg, Olpe und Altenkirchen dienen. Am Montag fungierte der Grenzstein als Treffpunkt für die „Mittelgebirgsallianz“, einer Initiative der Landwirte aus dem Oberbergischen, Südwestfalen und dem Westerwald.
Eigentlich hatten die Landwirte der „Mittelgebirgsallianz“ vor, über die Gülleausbringung mit sogenannten Breitverteilern im Mittelgebirge zu informieren und gleichzeitig an die heimischen Landtagsabgeordneten zu appellieren, sich für die Änderung im Gesetz in Ausnahmefällen auf Grünland einzusetzen – denn ab dem 1. Februar 2025 sei es für alle Landwirte verpflichtend, den Wirtschaftsdünger Gülle auf Grünland bodennah und streifenförmig auszubringen. Verbunden sei damit aber nicht nur eine „aufwendige Technik“, wie Franz Bellinghausen als Vorsitzender der Kreisbauernschaft Oberberg sagte, sondern auch eine „erhebliche Kostensteigerung“.
Inzwischen soll NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen angekündigt haben, dass es für ein Jahr probeweise zumindest eine Ausnahme ab 2025 geben soll. „Aber wir hoffen auf eine weitere unbefristete Zulassung“, sagte Bellinghausen. Seit einhundert Jahren – wenn nicht gar noch länger – sei es dem Vorsitzenden zufolge üblich, die Gülle mit Breitverteilern auszubringen. Ziel der neuen gesetzlichen Vorgabe sei es, Ammoniakemissionen und damit die Feinstaub- und Klimabelastung zu reduzieren. Doch dieses Ziel könne auch – so hätten es wissenschaftliche Untersuchungen in Bayern bereits belegt – mit der herkömmlichen Technik der Breitverteiler erreicht werden. Voraussetzung dafür sei, dass die Gülle ausreichend verdünnt werde. Konkret gehe es um einen Trockensubstanzgehalt der Gülle bis zu 4,6 Prozent.
[Haben sich am „Dreiherrenstein am Hofe Kamp“ getroffen: (v.l.) Franz Bellinghausen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Oberberg, Michael Richard, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Olpe, und Josef Schwan, Vorsitzender des Kreisverbandes Altenkirchen.]
Die Gesetzesänderung dürfte die Betriebe im Bergland härter treffen. „Es ist ein Unterschied, ob man unten im Rheinland arbeitet oder hier. Im Bergland haben wir eine andere Form von Landwirtschaft“, sagte Michael Richard, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Olpe im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband. Anders sei die Arbeit für die Landwirte nicht nur aufgrund des Wetters oder der hiesigen Hanglagen, sondern auch, weil es im Bergland viele strukturschwache Gebiete gebe. Im Oberbergischen würde das auf 20 bis 30 Prozent der landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen zutreffen. Gerade die würden in der Regel von kleinen Familienbetrieben genutzt werden.
Viele könnten das Geld für die neue Technik gar nicht aufbringen. Für ein Fass mit einem Fassungsvermögen von etwa 15.000 Litern seien plus Verteiler mindestens 120.000 Euro fällig, erklärte Bernd Schnippering als Kreislandwirt des Oberbergischen. Dazu kämen noch die Kosten für einen größeren Schlepper. „Da wird der ein oder andere Betrieb in die Knie gehen“, meinte Bellinghausen. Dazu komme, dass unter der neuen Technik die Qualität des Futters leiden könne. „Insbesondere bei trockener Witterung birgt die streifenförmige Gülleausbringung die Gefahr, dass die ausgebrachten Güllestreifen nicht in den Boden einsickern“, argumentierten die Bauernvertreter. Bei der Ernte könnten sie dann als sogenannte „Güllewürste“ in den Silo gelangen und das Tierfutter verunreinigen.
[Durch die streifenförmige Ausbringung soll der Kontakt der Gülle mit der Atmosphäre reduziert werden – wodurch die Luft weniger stinken soll. Doch dadurch könne laut Wilhelm Kühn, Vorsitzender des WLV-Kreisverbandes Hochsauerland, auch das Futter für die Ernte verschmutzt werden – im Gegensatz zum Acker, wo die Gülle im Oberboden eingebracht werden kann und somit nicht mehr zu sehen ist.]
Die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg hätten die alternative Ausbringtechnik bereits zugelassen. Damit werde den dortigen Landwirten eine technische Wahlmöglichkeit gegeben. Eine Lösung, auf die auch die Landwirte in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hoffen. Aus dem Oberbergischen nahm der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Berger an der Veranstaltung teil. Die Problematik, mit der die Bauern konfrontiert seien, sei ihm schon lange bekannt. Doch Berger sprach auch über die europäische Gesetzgebung und gab zu, dass es da schwierig sei, auf Landesebene gegenzustimmen. Doch die Ausnahmeregelung für ein Jahr sei die Möglichkeit gewesen, die beim Landesministerium gesehen worden sei. Trotzdem: „Wir müssen den Landwirten helfen“, sagte Berger.
Neben der Gülleausbringung tauschten sich die Landwirte gestern mit den politischen Vertretern auch über die Umsatzsteuerpauschale für Landwirte aus, die nicht zuletzt die kleineren Betriebe hart treffen würde. Gesprochen wurde außerdem über den Wolf. Bellinghausen befürchtete, dass sich die Wolfspopulation in den kommenden Jahren extrem ausweiten, die Anzahl der Risse bei Nutztieren erheblich steigen und es in der Region mehr sesshafte Rudel geben wird. Als Beispiel brachten die Landwirte Schweden ins Spiel, wo es für die Wölfe eine Obergrenze gebe. Würden dort geschätzt weniger als 500 Wölfe leben, geht der Deutsche Bauernverband davon aus, dass in Deutschland bis zu 3.300 Wölfe leben würden. Weitere Themen waren bei dem gestrigen Treffen auch die Dieselsteuer und die Bürokratie.
[Der „Dreiherrenstein am Hofe Kamp“, an dem sich die Landwirte der „Mittelgebirgsallianz“ mit den politischen Vertretern getroffen haben, gilt als Grenzpunkt zwischen den Landkreisen Oberberg, Olpe und Altenkirchen.]
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