LOKALMIX
„Nicht durchdachter Aktionismus“
Oberberg - Risikopatienten sollen in den Apotheken ab Dienstag kostenfrei FFP2-Masken erhalten - Oberbergs Apotheker sind verärgert.
Von Katharina Schmitz
„Dass in den Apotheken ab dem kommenden Dienstag kostenfrei FFP2-Masken ausgegeben werden sollen, haben wir durch die Medien erfahren – so wie jeder andere Bürger auch. Und ich weiß nicht, wie wir das innerhalb von drei Tagen organisieren sollen“, sagt Dr. Andre Vicariesmann, Inhaber der Severinus- und der Herz-Jesu-Apotheke in Lindlar. Aus der am Mittwoch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgestellten „Verordnung zum Anspruch auf Schutzmasken zur Vermeidung einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ geht hervor, allen potentiellen Risikopatienten Zugang zu kostenlosen beziehungsweise vergünstigten FFP2-Masken zu ermöglichen. So sollen noch im Dezember über 60-Jährige sowie Menschen mit Vorerkrankungen oder Risikoschwangerschaften drei kostenfreie Masken erhalten.
[Sven Schliwa, Inhaber der Hubertus-Apotheke in Gummersbach, hat in diesem Jahr bislang fast 1.400 KN95-Masken sowie rund 600 FFP2-Masken verkauft.]
„Doch das ist noch nicht mal mit der Apothekerkammer in Düsseldorf besprochen worden“, erklärt Sven Schliwa, Inhaber der Gummersbacher Hubertus-Apotheke, der die Kammer gestern Morgen hilfesuchend kontaktierte. Er schätzt, dass er bis Januar allein für seine Stammkunden rund 15.000 Masken benötigt. „Derzeit haben wir noch 700 Masken. Das würde vielleicht für drei Tage reichen“, sagt der Gummersbacher. Obwohl die FFP2-Masken erst ab Dienstag, 15. Dezember, kostenfrei ausgegeben werden sollen, steigt die Nachfrage laut Vicariesmann jetzt schon: „Allein gestern haben wir schon über 100 Anfragen erhalten. Das ist ein Schnellschuss, ein nicht durchdachter Aktionismus – aber keine praktikable Lösung!“
Derzeit sei nicht mal klar, ob die Apotheken die Masken durch das Land erhalten oder selbst beschaffen sollen. Und auch die Preise hätten sich Schliwa zufolge noch nicht ganz normalisiert: „Man muss bedenken, dass es sich bei den Masken im vergangenen Dezember um ein Nischenprodukt gehandelt hat. Zwar sind mittlerweile viele Produkte auf dem Markt, doch Masken aus seriösen Quellen wird es nur bedingt geben.“ So vermutet er, dass auch viele betrügerische Unternehmen unter den Anbietern seien. Und Vicariesmann, der bei der Beschaffung nicht mit tausenden Euro in Vorleistung gehen möchte, ergänzt: „Ein CE-Siegel kann man auch kaufen.“
Ungeregelt sei auch die Ausgabe der Masken. Zwar könne das Alter des Kunden durch das Vorzeigen des Personalausweises belegt werden, doch gäbe es den Apothekern zufolge kein Dokument, das bescheinigt, ob man ein potentieller Risikopatient sei. So bestehe ein hohes Missbrauchspotential. Erst im Januar soll die Ausgabe durch fälschungssichere Coupons erleichtert werden, die von den Krankenkassen verschickt werden sollen. „Das alles verlangt einen hohen bürokratischen Aufwand. Letztendlich werden dadurch Gelder verschleudert, die an anderer Stelle sinnvoller investiert wären – und nicht in Masken, die derzeit rund drei Euro kosten“, sagt Vicariesmann.
[Nicht nur bei der Hubertus-Apotheke befürchten die Mitarbeiter ab kommenden Dienstag einen Ansturm auf die FFP2-Masken.]
Als problematisch wird auch die Art der Verteilung der Masken gesehen. „Die Risikopatienten sollen sich so gut es geht schützen, aber jetzt sollen sie sich auf den Weg machen, um an Masken zu kommen. Wenn das alles in die Hose geht, dann geht das auf Spahns Konto“, ärgert sich Vicariesmann über diese Unklarheit. Schwierig bis unmöglich sei für viele Risikopatienten zudem das Erreichen einer Apotheke. Sie sind auf die Unterstützung von Angehörigen oder Nachbarn angewiesen. Fraglich ist für Schliwa außerdem, wie die Abrechnung der herausgegebenen Masken erfolgen soll. Er hofft in den kommenden Tagen nicht nur auf weitere Masken, sondern vor allem auf Informationen. Diesbezüglich wird er die Kunden ab kommenden Dienstag bei kostenfreier Herausgabe der Masken um das Vorlegen von Personalausweis und Krankenversicherungskarte bitten. So habe er zumindest die Möglichkeit, der zuständigen Behörde zu belegen, an wen er bereits Masken herausgegeben hat: „Wenn denn dann mal klar ist, wer überhaupt dafür zuständig ist.“
Zwischenruf: Der Masken-Irssinn
KOMMENTARE
1
Ich frage mich inwiefern ich einen Rechtsanspruch ggü. der Apotheke durchsetzen kann und wer dafür haftet, wenn ich mich mit Corona bekomme weil ich in der vor Ort Apoteke keine Maske bekommen haben.
Wusgrud, 12.12.2020, 09:14 Uhr2
"Diesbezüglich wird er die Kunden ab kommenden Dienstag bei kostenfreier Herausgabe der Masken um das Vorlegen von Personalausweis und Krankenversicherungskarte bitten."
Wenn der diese Daten ohne gesetzliche Regelung aufzeichnet könnte er gegen die DSGVO verstoßen und könnte erhebliche Finanzielle Kosten nach sich ziehen!
3
Nicht nur diese Maskenaktion ist nicht durchdachter, purer Aktionismus; eigentlich so gut wie ALLES was zur Zeit passiert, passiert nicht aus nachweislich wirksamen Maßnahmen, sondern aus purem Aktionismus, getrieben von einer maßlos übertriebenen Angst das Falsche, oder gar nichts zu machen. Manchmal ist eben weniger einfach mehr ...!
Rolf Gelhausen, 12.12.2020, 10:16 Uhr4
Heißt dass ich kann alle Apotheken abfahren und mir überall kostenlose Masken holen? Ich bin Risikopatientin und mein Lungenarzt gibt mir bestimmt eine Bescheinigung dafür, aber die Apotheken können nicht prüfen, wieviele Masken ich schon woanders geholt hab.
Glückskekslady, 12.12.2020, 13:33 Uhr5
"Wenn das alles in die Hose geht, dann geht das auf Spahns Konto“.
Auf dem Konto hat sich inzwischen so riesig viel angesammelt, da kommt es auf das Wenige auch nicht mehr an!
6
Zunächst einmal: Dass es FFP2 Masken für besonders gefährdete Menschen kostenlos geben soll, war seit längerem bekannt. Ich erhielt die bevorstehende Bereitstellung nicht durch die Medien, sondern bereits auf
meine Rückfrage am 01.12.2020 vom Bundeskanzleramt. Über die Qualität der Masken äußerte sich Herr Spahn infsofern, dass der Bedarf vor allem aus inländischer Produktion gedeckt werden soll - das würde logischerweise bedeuten, dass keine in Apotheken lagernden FFP2 Masken ausgegeben werden sollen, sondern von der Regierung an die Apotheken geliefert wird!?
Grundsätzlich sehe ich die fast kostenlose Bereitstellung von FFP 2 Masken als sehr sinnvoll an und lange überfällig (ich forderte diese seit Juni von der Bundesregierung für alle Risikogruppen).
7
An Herrn Spahns fachlicher Kompetenz zweifele ich allerdings jeden Tag mehr. Hoffentlich klappt's dann wenigstens bei der Organisation rund um die Impfungen besser. Zum Schluss einTipp an Herrn Schliwa: Es ist möglich, die Bundesregierung / Herrn Spahn zu kontaktieren um Klarheit zu bekommen!
Cornelia Lang, 12.12.2020, 19:49 Uhr8
an Glückskekslady: Ihr Kommentar ist ein Beispiel für den in breiten Teilen der Gesellschaft herrschenden Egoismus! Ich gehöre auch zur Risikogruppe, der Gedanke mir mehr als die zustehenden Masken zu "beschaffen" ist einfach unsozial.
Cornelia Lang, 12.12.2020, 19:56 Uhr9
Zunächst würde ich als Apotheker/in ein Schild ins Fenster kleben:Aus organisatorischen Gründen FFP-2-Masken für Menschen ab 60 Jahre und Risikopatienten ab Januar erhältlich.Wir bitten um Verständnis.
Und dann sollte der Verband Herrn Spahn kräftig auf die Füße treten,denn solche Hau-Ruck- Aktionen vermindern die Akzeptanz der Maßnahmen neuerlich.
Außerdem Kommentar 1:Sie sind ja ein besonders schlaues Wesen.Wie haben Sie sich als Risikopatient/in denn bisher geschützt?Ich habe jedenfalls schon ewig FFP-2-Masken,und bisher kann ich die mich Umgebenden im Fall des Falles auch nicht verklagen?,falls ich infiziert werde...
Liebe Apotheker,laßt euch nicht veräppeln und wehrt Euch gegen diesen „Überfall“!
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