LOKALMIX

Über die Armut in einem reichen Land

Red; 07.11.2025, 13:00 Uhr
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Fotos: Manfred Stern --- Das Severinushaus in Lindlar war bis auf den letzten Platz besetzt.
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Über die Armut in einem reichen Land

Red; 07.11.2025, 13:00 Uhr
Lindlar - Vortrag und Diskussion mit dem renommierten Armutsforscher Prof. Dr. Christoph Butterwegge - Der „Runde Tisch für Frieden und Gerechtigkeit“ hatte eingeladen.

Über 100 interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind kürzlich zur Veranstaltung „ Armut und soziale Ungleichheit in einem reichen Land“ von Prof. Dr. Christoph Butterwege im Lindlarer Severinushaus gekommen. Der „Runde Tisch für Frieden und Gerechtigkeit“ hatte den renommierten Armutsforscher eingeladen. Butterwegge ist Autor mehrerer Bücher, er arbeitet auch nach seiner aktiven Zeit als Hochschullehrer an der Uni Köln als Gutachter am regelmäßigen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung mit.  Moderator des Abends war Siegfried Charlier, Buchautor und Supervisor, und Sprecher des „Runden Tischs“.
 

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Butterwegge nannte laut Mitteilung "erschreckende Zahlen" in seinem Vortrag:  Man zählte schon vor der Corona-Pandemie 678.000 Wohnungslose und 41.000 Obdachlose in Deutschland, damit gibt es absolute Armut auch im reichen Deutschland. Es sei genug Geld da, sagte Butterwegge, es sei nur sehr ungleich verteilt: „Die fünf reichsten Familien in Deutschland verfügen zusammen über 250 Milliarden Privatvermögen. Das ist so viel, wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung zur Verfügung hat, und das sind 40 Millionen Menschen.“

Für den wachsenden Abstand zwischen Arm und Reich in Deutschland sieht der Sozialwissenschaftler mehrere Gründe: Erstens die Deregulierung des Arbeitsmarktes, durch niedrigere Löhne können die Unternehmen ihre Gewinne erhöhen. Zweitens die Demontage des Sozialstaates, dafür sei ein besonders krasses Beispiel die Riesterrente, "ein absoluter Flop". Drittens die verfehlte Steuerpolitik: die Mehrwertsteuer wurde auf 19 Prozent erhöht, die Vermögenssteuer ist hingegen seit 1997 ausgesetzt. Menschen mit geringem Einkommen wurden durch die höhere Mehrwertsteuer belastet, Reiche hingegen entlastet, so Butterwegge.  

[Prof. Dr. Christoph Butterwege referierte im Lindlarer Severinushaus.]

 

Seine konkreten Forderungen an die Politik sind unter anderem ein höherer Mindestlohn, die Stärkung der Tarifbindung, Einschränkungen für Leih-Arbeitsverhältnisse und die Zahlung von Rentenbeiträgen auch durch Selbstständige und Politiker. Der Ungleichheits-Forscher, wie er sich selbst bezeichnete, nannte es einen Skandal, dass man einen ganzen Konzern erben könne, ohne Erbschaftssteuer zu bezahlen. Außerdem wurden in den letzten Jahrzehnten in Deutschland alle Kapital- und Gewinnsteuern abgeschafft, wie etwa die Börsenumsatz – und Gewerbekapitalsteuer. Das habe dazu beigetragen, dass es heute in 256 Milliardäre in Deuschland gibt.

Im Anschluss an den Vortrag konnte das Publikum Fragen stellen, außer an Butterwegge auch an die weiteren Referenten des Abends: das waren Wolf Roth von der Schuldnerberatung der AWO, Markus Würtz von der Caritas zum Thema Wohnungshilfe und Stephan Windhausen als Experte für die Anwendung von Sozialgesetzen. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, in der auch deutlich wurde, wie das wachsende Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich zum Erstarken rechtspopulistischer Parteien beiträgt, in Deutschland und in ganz Europa.

 

Ein Video zu der Veranstaltung gibt es hier

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