LOKALMIX
Abgehängt in Oberberg
Oberberg – Während auf Bundesebene über 5G und hohe Breitbandgeschwindigkeiten diskutiert wird, müssen einige Oberberger zum Telefonieren ihr Haus verlassen – Leben in zwei Welten.
Von Katharina Schmitz
„Wenn die Leute wegziehen, braucht sich keiner wundern“, sagt Ute Müller aus der Gummersbacher Ortschaft Liefenroth. Seit Jahren kämpfen die Anwohner für einen Breitbandanschluss. „Im Schnitt verfügen wir über eine 2.800er Leitung. Damit können wir nicht streamen. Wir können nicht ins Homeoffice gehen und wir können kein Online-Banking nutzen. Wir können fast gar nichts machen“, ärgert sich Müller. Ans Telefonieren sei in ihrem Wohnzimmer und in ihrer Küche nicht zu denken. Im Arbeitszimmer habe sie etwas Empfang. Noch besser sei die Verbindung auf Müllers Balkon: „Eine meiner Nachbarinnen muss sogar vors Haus gehen, um telefonieren zu können.“
[Ute Müller und ihre Nachbarn sind durch die schlechte Netzabdeckung extrem beeinträchtigt.]
Eigentlich hätte Liefenroth mit seinen rund 30 Haushalten im vergangenen Sommer an das Breitbandnetz angeschlossen und die Anwohner mit mindestens 50 Mbit/s versorgt werden sollen (OA berichtete). Doch zuvor hatte die Telekom bezüglich des Breitbandausbaus im Förderprojekt „Kreismitte“ einen reduzierten Auftrag erhalten. „Ursprünglich war Liefenroth in den Fördermaßnahmen eingebunden, aber dann sind wir vergessen worden“, erinnert sich Müller. Mittlerweile wurde ein Kabel bis zur Ortschaft verlegt. Der Anschluss der Haushalte wurde laut Müller jedoch immer noch nicht vorgenommen: „Wir glauben nicht mehr an Zusagen. Jetzt wurden wir sogar in der Planung zurückgestellt, weil das Großbauprojekt des Kreises Vorrang habe. Dafür habe ich auch Verständnis, aber wir gucken hier in die Röhre.“
Landesweit verfügen dem Kompetenzzentrum Gigabit.NRW zufolge fast 66 Prozent der Haushalte über einen Breitbandanschluss von mindestens 1.000 Mbit/s. Fast jeder dritte Haushalt nutzt einen Anschluss von mindestens 400 Mbit/s. Eine Anschlussqualität von mindestens 30 Mbit/s steht landesweit 98 Prozent aller Haushalte zur Verfügung. Anders sieht dies im Oberbergischen aus: Nur rund 20 Prozent der Haushalte profitieren von einem Breitbandanschluss von über 1.000 Mbit/s. Ein Drittel der Haushalte hat Zugang zu 400 Mbit/s. Knapp zwölf Prozent der oberbergischen Haushalte verfügt noch nicht mal über einen Anschluss von 30 Mbit/s.
Gravierende Unterschiede gibt es auch zwischen den Städten und Gemeinden sowie innerhalb der oberbergischen Kommunen. In Reichshof steht der Bevölkerung beispielsweise höchstens ein Anschluss von 100 Mbit/s zur Verfügung. EU-Maßstäben zufolge ist die Kommune nach Angaben des Kreises damit flächendeckend unterversorgt. Nümbrecht dagegen ist einen anderen Weg gegangen. Der Breitbandausbau in den insgesamt 92 Ortschaften des Nümbrechter Gemeindegebiets wird mit Glasfaseranschlüssen bis direkt in die Gebäude realisiert.
[Besonders leiden jüngere Jahrgänge unter einer schlechten Netzabdeckung. So sind Homeschooling und die sonst übliche Kommunikation über Smartphones und die sozialen Medien deutlich erschwert.]
Laut dem Vollmerhausener Thorsten Rinker ist man durch fehlende Netze erheblich benachteiligt: „Ich bin nicht ins Homeoffice gegangen, aber als mein Bruder eine Telefonkonferenz hatte, mussten alle mit ihren Geräten aus dem Internet.“ Acht Kinder leben in der Straße. Arbeitsblätter seien ausgedruckt und anschließend in die Schule gebracht worden. „Das Versenden per Mail war nicht möglich. Durch das Homeschooling wurden die Kinder extrem benachteiligt. Das hat uns schwer zu schaffen gemacht“, schildert Rinker, der in Vollmerhausen lebt.
Doch im Gegensatz zu anderen Haushalten in Vollmerhausen seien die Anwohner in seiner Straße benachteiligt worden: „Uns wurde erklärt, dass wir zur Ortschaft Liefenroth gehören würden – während unser direkter Nachbar eine 100.000er Leitung nutzt.“ Im Januar wurde ein weiterer Schaltkasten montiert, der Rinker und die weiteren Haushalte in seiner Straße nun mit schnellerem Internet versorgt. Teilweise profitieren davon sogar einige Haushalte im rund einen Kilometer entfernten Liefenroth.
[Mittlerweile wurde ein Glasfaserkabel bis nach Liefenroth verlegt, jedoch steht dessen Anschluss nach wie vor aus.]
Für die Betroffenen stellt eine Breitband-Unterversorgung gravierende Nachteile dar. Manch einer dürfte sich dabei an Szenarien erinnern, die rund 20 Jahre zurückliegen. Für den Oberbergischen Kreis handelt es sich nicht zuletzt um einen Standortnachteil. Laut Kreisverwaltung sei der Breitbandausbau ein absolutes Vorrangthema und würde in jeder Kommune vorangetrieben werden. Ziel sei, eine möglichst flächendeckende Abdeckung mit schnellem Internet zu erreichen. Aufgrund der Ausdehnung des Kreisgebietes und der mitunter kleinteiligen Siedlungsstruktur sei der Kreis jedoch auf Fördermittel von Bund und Land angewiesen.
Das Großbauprojekt „Kreismitte“ mit den Kommunen Gummersbach, Marienheide, Lindlar und Reichshof gehöre der Kreisverwaltung zufolge bundesweit zu den größten Projekten im geförderten Breitbandausbau. Bezogen auf die Fläche und die zu verlegenden Streckenkilometer sei es landesweit sogar das größte Projekt. Eigentlich hätte der Ausbau im vergangenen Sommer fertiggestellt werden sollen. Doch die Auswirkungen der Pandemie hätten auch die Arbeit vor Ort beeinträchtigt. Unter anderem sei es zu Lieferengpässen gekommen. Insbesondere habe es am technischen Equipment zur Bestückung der Verteilerschränke gemangelt. Die Tiefbauarbeiten seien vollständig abgeschlossen, ergänzende Anschlussarbeiten stünden noch aus. Allerdings komme es immer noch zu Problemen in der Anbindung und Aufschaltung einzelner Subnetze. Aktuell plant die Kreisverwaltung Mitte des Jahres mit einem Abschluss des Projektes. Wann eine flächendeckende Versorgung Oberbergs erreicht wird, kann der Kreis nicht seriös benennen.
KOMMENTARE
1
"Fast jeder dritte Haushalt nutzt einen Anschluss von mindestens 400 Mbit/s"
Krass, wir haben nur 50mbit, würde gerne schnelleres Internet haben.
2
Same here, mehr als 100mbit gibt es nicht. Wann sich das ändert, kann oder will der Anbieter nicht sagen.
Thomas Döpp, 22.02.2021, 20:28 Uhr3
Ich wohne in der Hohler Straße, keine fünf Minuten Fußweg vom Kaufland enternt, und bekomme trotzdem nur Internet mit 16 MBit/s. Dabei sollten es laut der Karte der Telekom eigentlich schon lange 250 MBit/s sein. Die Telekom weiß wohl selbst nicht wo sie bereits Breitband verlegt hat und wo nicht. Oder die Bandbreite ist so gering bemessen, dass nur wenige Teilnehmer angeschlossen werden können. Meine Mutter erhält sogar statt den bestellten 16 MBit/s nur knapp 4 MBit/s, dabei wohnt sie direkt an der Vollmerhauser Straße, nicht weit vom Toom entfernt. Aber leider sind am nächstgelegen DSLAM keine Ports mehr frei. Neuland halt.
Andre, 22.02.2021, 22:40 Uhr4
Ich frage mich , wo die Zahlen herkommen.
An meinem Anschluss bin ich ja noch gut bedient, ich habe immerhin 6 mbit......
Aber es ist wie immer, erst einmal die Städte. Da kann man mehr einnehmen. Die auf dem Land wohnen sind doch selber schuld.
5
Marienheide, Karlsbach: Hier sind es maximal 2mb, trotz externer Antenne. Seit einem Jahr sollte es schnelleres Internet geben. Pustekuchen. Der Betrag für den Vertrag 50mb wird aber abgebucht. Die reinste Frechheit. Leider gibt es keinen Wettbewerb:-((
Michael Peter, 24.02.2021, 20:53 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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