LOKALMIX
Auf dem steinigen Weg zum autarken Dorf
Wiehl – Oberholzen stellt sich für die Zukunft auf – Staatssekretär Oliver Krischer schaute gestern persönlich vorbei – Projekt „Lebendige Scheune“ soll in diesem Jahr fertig werden.
Von Lars Weber
In der vergangenen Woche machte sich die Bewertungskommission des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ auf den Weg, um nach und nach alle 19 Teilnehmer-Orte zu besuchen. Nicht dabei war in diesem Jahr Oberholzen. Schaut man auf die Projekte, die sich dort entwickeln und teils bereits in der Umsetzung sind, kann aber festgehalten werden: Zukunft hat Oberholzen. Und das haben die engagierten Einwohner gestern bei einer Veranstaltung gezeigt, zu der der Verein IglO, Bündnis90/ Die Grünen (Orts- und Kreisverband), das Klimabündnis Oberberg, der Verein Nove, das Oberbergische Kräuterhaus und Solawi Oberberg eingeladen hatten. Zu Gast waren dabei nicht nur die Bundestagsabgeordnete Sabine Grützmacher und die Grünen-Landtagskandidaten Uwe Söhnchen und Marc Zimmermann, der auch moderierte. Gekommen war auch Oliver Krischer, seit 2021 parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck.
Die Interessengemeinschaft Lebendiges Oberholzen (IglO) um Jürgen Körber verfolgt seit einigen Jahren große Pläne für das Dorf, um es in Sachen Energie und auch Ernährung autarker zu machen. Strom sollte über ein Dorfsolarprojekt, Wärme über ein dorfeigenes kaltes Nahwärmenetz, Lebensmittel über eine Solawi (Soziale Landwirtschaft), Mobilität über gemeinsam genutzte Fahrzeuge erreicht werden. Ein LEADER-Förderungsantrag auf eine Umsetzung aller Projekte auf einmal mit der Unterstützung von Nove scheiterte.
IglO blieb aber hartnäckig. Nun befindet sich das Projekt „Lebendige Scheune“ mit LEADER-Förderung in der Umsetzung. Zugleich wurde ein Dorfauto über andere Fördermaßnahmen angeschafft. Ein Förderungsantrag für eine Machbarkeitsstudie für ein Kaltnahwärmenetz im Altbestand läuft. Trotz großer und für die Antragsteller teils unverständlicher Bürokratiehürden, auf die Barbara Degener von IglO bei ihrem Vortrag einging, befindet sich in Oberholzen also einiges in Bewegung.
Der neue Kräutergarten
Ines Pack vom Oberbergischen Kräuterhaus stellte den neuen Kräutergarten vor, der am Gebäude angelegt wurde. „Früher wuchsen Kräuter überall dort, wo sie gebraucht wurden.“ Viele von ihnen seien aber nach und nach aus der Landschaft verschwunden oder werden nicht mehr erkannt. Genau da soll der Kräutergarten Abhilfe schaffen. Durch ihn sollen Interessierte lernen, wie beispielsweise Salbei, Kamille oder Fenchel aussehen, wo sie wachsen oder wie sie im Körper wirken und wobei sie helfen können. Auch wer Tipps für den eigenen Kräutergarten haben möchte, sei in Oberholzen richtig. Angedacht seien auch Kooperationen mit Schulen, so Jürgen Körber.
Staatssekretär Krischer (auf dem Foto gemeinsam mit Grünen-Landtagskandidat Marc Zimmermann) lobte das Engagement in Oberholzen. „Es ist klasse, was hier schon passiert ist.“ Er hob vor rund 40 Besuchern hervor, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn sie auch in den Orten umgesetzt wird, wenn Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer kommen oder auf Nahwärme gesetzt wird. Tatsächlich sei dabei weniger Geld oder die Förderung das Problem, „sondern die bürokratischen Hürden“. Diese Blockaden abzubauen, seien das Gebot der Stunde. Auch im Hinblick auf die fatalen Abhängigkeiten bei der fossilen Energie von Russland. „Die nächsten zwei Winter werden eine große Herausforderung“, sagte Krischer.
Einen Ideenkatalog, wie die Energiewende gerade auch im ländlichen Raum weiter vorangetrieben werden kann, überreichte Manfred Fischer von Nove dem Staatssekretär. Denn bislang kommen nur sieben bis acht Prozent des Stroms im Oberbergischen aus regenerativen Energien, so Fischer. Nove steht für „Nutzung oekologisch verträglicher Energiesysteme“. Der Verein setzt sich für die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie die Aufklärung und Weiterbildung im Bereich der ökologisch verträglichen Energiesysteme und des Umweltschutzes ein. Eine Idee des Katalogs griff Krischer sogleich auf. Noch sei es nicht erlaubt, den eigenen Strom, den die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugt, auch an den Nachbarn zu liefern. Solche Modelle sollten künftig aber möglich gemacht werden, meinte Krischer.
In einem weiteren Vortrag informierte Sebastian Klein über die Idee der Solidarischen Landwirtschaft. Für Musik sorgte das Quartett JazzBar91, das aus Musikern der Hochschule für Musik und Tanz in Köln besteht.
Lebendige Scheune
Das Projekt „Lebendige Scheune“ wurde gestern im Rahmen der Veranstaltung vorgestellt. Sie soll ein multifunktional nutzbarer öffentlicher Raum werden. Innen sind bereits einige Bereiche zu erkennen, so der Versammlungsraum für etwa 30 Menschen, der auch für Lesungen oder kleine Konzerte genutzt werden soll. Die Scheune wird darüber hinaus Toiletten haben, ein Büro, eine Küche und sie wird auch die Solawi-Verteilstation beherbergen. Zukünftig soll die Scheune auch als Zentrale für das angestrebte Kaltnahwärmenetz und für eine Dorfsolaranlage dienen, beschreibt Jürgen Körber. Die Arbeiten an der Scheune begannen im Herbst 2021. Seitdem sind schon mehr als 120 Stunden Eigenleistung eingeflossen. Im Moment muss der Verein auf einige Termine bei Handwerkern warten. Körber hofft, die Scheune im Herbst eröffnen zu können. Die Nutzung der Scheune ist dem Verein für die nächsten zwölf Jahre vom Besitzer vertraglich zugesichert.
KOMMENTARE
1
Hallo,
von Arbeitskollegen wurde ich auf den "Oberholzen Artikel" angesprochen.
Ich denke, es sollte doch manches einmal im Klartext geschrieben werden dürfen:
Von den genannten 40 Besuchern waren nur sehr wenige Oberholzener anwesend, von daher kann von einem Konsens in Dorf, speziell zu den Energiethemen, keinerlei Rede sein.
Autarkie ist eine feine Sache, aber Stromerzeugung, hier Photovoltaik, die sich nur mit extrem hoher Förderung zu einer blass-schwarzen Null rechnet ist gelinde gesagt Kokolores.
Idee des "kalten Nahwärmenetzes":
Um hier im Dorf die 20 vorhanden Häuser anzuschliessen sind erhebliche (auch private) Investitionen über die Anlage selbst hinaus erforderlich.
Zuletzt: Das "Dorfauto" wird nur von Rentnern genutzt, alle andern müssen regelmässig zur Arbeit.
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