LOKALMIX

„Auf Schicht mit…“ dem Regionalforstamt

ls; 02.01.2021, 12:00 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen --- Revierförster Michael Cescotti hat einen abwechslungsreichen Arbeitstag.
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„Auf Schicht mit…“ dem Regionalforstamt

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ls; 02.01.2021, 12:00 Uhr
Gummersbach - OA begleitete Revierförster Michael Cescotti und seine Mitarbeiter während eines Arbeitstages - Borkenkäfer-Problematik erfordert höheren Aufwand - Auch Müllablagerungen bereiten zunehmend Sorgen.

Von Leif Schmittgen

 

Der Arbeitstag von Revierförster Michael Cescotti beginnt morgens um 7 Uhr im heimischen Büro. Rund zwei Stunden ist er damit beschäftigt, Mails von Bürgern zu prüfen und zu beantworten. Dabei gilt es auch, kuriose Anliegen sachlich zu bearbeiten. „Vor einigen Monaten bat mich ein Anlieger um Bewässerung der Wirtschaftswege, da sein Dackel wegen der anhaltenden Trockenheit Lungenprobleme habe und durch zu viel Staub nicht mehr atmen könne“, berichtet der 54-Jährige. Seit 22 Jahren ist er Revierförster im westlichen Gummersbacher Stadtgebiet und könnte von vielen weiteren Merkwürdigkeiten aus dem Schriftverkehr mit Bürgern berichten. Es sind jedoch auch wichtige Anliegen unter den Anschreiben, selbst wenn Cescotti einen starken Anstieg von „Nonsens“ in seinem Postfach registriert „Die Kommunikationswege sind einfacher und schneller als früher, als noch Briefe geschrieben wurden“, vermutet der Revierförster. In jedem Fall wird jedes Anschreiben ernsthaft und seriös beantwortet. „Die Bürgeranliegen stehen an erster Stelle“.

 

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Als Nächstes steht ein Gespräch im Regionalforstamt mit seinen drei zugeteilten Mitarbeitern auf dem Tagesplan. „Wir koordinieren gemeinsam den Dienst und besprechen, was aktuell anliegt“, berichtet Cescotti. Seit der Borkenkäfer aufgrund der anhaltenden Trockenheit weite Teile des Gummersbacher Waldbestandes befallen hat, gilt es die Bäume zu fällen, zu nummerieren und zu vermarkten. Auch wenn es seit einigen Jahren nicht mehr die Aufgabe des Regionalforstamtes ist, diese zu verkaufen, müssen sie erfasst, katalogisiert und für den Endkunden zurechtgeschnitten werden - aber dazu später mehr.

 

[Häufig findet Försterin Hannah Pracht abgestorbene Rinde. Der Borkenkäfer hat in der Region gewütet.]

 

„Der Aufwand hat sich in diesem Jahr verachtfacht, alleine ist die Arbeit nicht mehr zu bewältigen“, berichtet der Förster und nennt damit auch den Grund, warum ihm jüngst drei Mitarbeiter zur Seite gestellt wurden. Bei den sogenannten Hilfskräften handelt es sich um studierte Förster. Weitere Tätigkeiten - wie die eigentlich wichtige Aufforstung  - bleiben trotz personeller Aufstockung derzeit auf der Strecke und müssen später mit Pflanzenbestand aus Baumschulen nachgeholt werden. Nach der morgendlichen Besprechung geht es dorthin, wo das Hauptarbeitsgebiet eines Försters liegt, in den Wald. Oberhalb von Hardt-Hanfgarten liegt das heutige Ziel von Christin Günther und Hannah Pracht, das sie mit ihrem geländegängigen Dienstwagen problemlos erreichen.

 

[Christin Günther markiert die Baumstämme, damit sie nach Ankunft am Zielort noch zugeordnet werden können ...]

 

[...während ihre Kollegin die entsprechenden Nummern notiert.] 

 

„Wir katalogisieren die am Wegesrand abgelegten und bereits zurechtgeschnittenen Baumstämme für den Weitertransport“, erklärt Günther. Während sie mit Spezialgerät Plättchen mit fortlaufenden Nummern auf die Stämme hämmert, notiert ihre Kollegin Pracht die Zahlenfolge auf einem Zettel mit dem Namen des dazugehörigen Waldbesitzers. „Die Daten werden später digitalisiert und sind dann stets abrufbar“. Wie wichtig die Arbeit der Hilfskräfte ist, betont Chef Michael Cescotti vor Ort: „Jeder Waldbesitzer muss akribisch zugeordnet werden, um für sein Holz auch bezahlt zu werden“, ein kleiner Fehler spiegelt sich in der Endabrechnung wider, die oft erst Monate später beim Eigner eintrifft. „Eine Rückverfolgung des in diesen Tagen meist nach China exportierten Holzes ist dann fast unmöglich“, weiß Cesotti aus Erfahrung.

 

 

In seinem Dienstwagen geht es nun weiter über das riesige Wirtschaftswegenetz durch den Wald. An einer Stelle macht Cesotti kurz halt, hier hat es nämlich ein Missverständnis gegeben: Die extern beauftragten Arbeiter haben die Stämme zweier Waldbesitzer am selben Ort abgelegt. Dort betreibt der 54-Jährige nun Gütertrennung, indem er die betroffene Ware mit einer Farbdose markiert (Foto) und klingt dabei emotional. „Der Borkenkäfer hat großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Das Holz wird quasi zum Nulltarif verkauft und zu Spanplatten verarbeitet“. Die Zeiten, in denen sich die nach dem 2. Weltkrieg in der Region angepflanzten Fichten gewinnbringend verkaufen ließen, sind spätestens seit der Trockenheit der vergangenen Jahre vorbei. Die Erklärung liefert Cesotti gleich mit: „Normalerweise wehrt der Baum durch das eigenproduzierte Harz die Schädlinge ab. Da aber kein Wasser im Boden ist, kann der entsprechende Stoff nicht produziert werden und der Baum stirbt ab“.

 

[Fassungslos und wütend ist der Förster über die Dreistigkeit mancher Mitmenschen, ...]

 

[... die rücksichtslos ihren Unrat in der Natur entsorgen.]

 

Bei der Weiterfahrt - inzwischen ist es Mittag - durch Cescottis Revier stößt der Förster auf ein Ärgernis, mit dem er seit Beginn der Pandemie verstärkt zu kämpfen hat: illegale Müllablagerung. Am Wegesrand des Lambachtals liegt allerlei Unrat. „Die Menschen misten während des Lockdowns aus und schmeißen ihren Müll vermehrt in die Natur“, sagt er verärgert und hat kein Verständnis für die Umweltsünden der Bürger. Ihm bleibt aber nichts weiter, als die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs mit der Beseitigung des Unrats zu beauftragen.

 

[Am Computer sucht Moritz Bilsing am Morgen die Waldgebiete,...]

 

[...überträgt die Daten auf einen Tablet-PC...]

 

[... und weiß später vor Ort genau, wo er später die Grenzen für die Waldarbeiter markiert.]

 

Ein Anruf bei Mitarbeiter Moritz Bilsing verrät ihm das nächste Ziel mitten im Wald oberhalb des Ortsteils Strombach: Im Dickicht ist Bilsing mit Tablet-PC und Sprühdose unterwegs, um Grenzen zu markieren. Anhand von Karten enträtselt er den Flickenteppich der Gebietskörperschaften. „Durch Erbengemeinschaften ergibt sich oft ein kurioses Bild“, berichtet Bilsing. Denn die teilweise jahrhundertealten Privatwaldgebiete sind teilweise so zerklüftet, dass mit bloßem Auge keine Eigentumsbestimmung mehr möglich ist. Damit es nicht zu Verwechslungen oder Überschneidungen kommt, werden die Grenzen für die anrückenden Waldarbeiter deutlich gekennzeichnet.

 

[Rolf Kritzler und Michael Cescotti kennen sich seit vielen Jahren.]

 

Nach kurzer Rücksprache der beiden geht es für den Revierförster flugs voran, denn er hat einige Kilometer weiter einen Ortstermin mit Rolf Kritzler, dem Vorsitzenden der Forstbetrieb-Gemeinschaft (FBG) Gimborn. Die FBG ist die Interessengemeinschaft der Waldbesitzer und stellt Finanzmittel zum Beispiel für die Wiederherstellung von Wirtschaftswegen zur Verfügung. Vor Ort begutachtet man die durch den Abtransport von Holz entstandenen Furchen im Boden, die kurzfristig durch einen sogenannten Gräder beseitigt werden. Auf "kurzem Dienstweg" ist die Baumaßnahme schnell beschlossen. „Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend“, so Cesotti. Aus dem Kollegenkreis weiß er, dass eine einfache Abwicklung keine Selbstverständlichkeit ist und dass es deutschlandweit betrachtet  „Querköpfe“ gibt, durch die Prozesse unnötig verlängert werden.  Hier sei es glücklicherweise anders, man ist seit vielen Jahren "per Du“ und besiegelt die Finanzierung von Maßnahmen per Handschlag.

 

 

Schnell geht es im eng getakteten Tagesprogramm weiter. Zu den Aufgaben eines Revierförster gehört auch die Überwachung von laufenden Arbeiten. Mit dem erwähnten Gräder zieht Bau-Maschinist Matthias Stöwer seine Bahnen durch den Wald und füllt die Furchen mit reichlich Splitt. Der Schmallenberger ist als Dienstleister bundesweit unterwegs, dreimal im Jahr kommt er ins Oberbergische. Cescotti erkundigt sich kurz nach dem Arbeitsfortschritt, steigt in sein Auto und braust zur nächsten „Baustellenkontrolle“ auf einem Höhenkopf in der Nähe. Dort steht ein riesiger "Rückzug", wie er in diesen Tagen häufig zum Einsatz kommt.

 

Für den Laien ergibt sich vor Ort ein eindrucksvolles Szenario: In Sekundenschnelle knickt die Maschine 30 Meter hohe Bäume wie Streichhölzer ab. Zuvor per Bordcomputer berechnet, werden die Stämme direkt auf die passende Länge gesägt und die Rinde wird gleich mit entfernt. Mit weiterem Baugerät wird die Ware sofort zum Ablageort transportiert und schließlich auf Lastwagen verladen.

 

 

Die Fahrt zum nächsten Termin mit einem Waldbesitzer dauert, das zu betreuende Revier ist groß. So bleibt während der Autofahrt bis nach Berghausen Zeit zum Plaudern: Vermeintliche Verklärungen seines Berufs durch Heimatfilme und Fernsehserien a la „Försterchristel“ oder „Forsthaus Falkenau“, sieht Cescotti mit Humor. „Das dient der Unterhaltung und hat mit der Realität sehr wenig zu tun“, stellt er klar. Der Zukunft seines Berufes sieht er mit ein wenig Sorge entgegen.

 

 

Die Landschaft der Region, man sieht bereits heute etliche kahle Flächen, wird sich radikal verändern, die Arbeit wird nach Cescottis Einschätzung von der Natur mehr ins Büro verlagert. Am heimischen Arbeitsplatz endet nach einer nachmittäglichen Pause der Arbeitstag des 54-Jährigen dort, wo er begonnen hat: im heimischen Büro in Waldbröl mit der telefonischen Beratung von Waldbesitzern gegen 19:30 Uhr. „Die sind abends am besten zu erreichen“, so der Förster.

 

 

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