LOKALMIX

Aus für Notfall – oder Telefonseelsorge? Diakonie droht harter Einschnitt

lw; 15.05.2025, 15:37 Uhr
Foto: Kirchenkreis An der Agger ---Die Synode ist das oberste Entscheidungsgremium des Kirchenkreises.
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Aus für Notfall – oder Telefonseelsorge? Diakonie droht harter Einschnitt

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lw; 15.05.2025, 15:37 Uhr
Oberberg – Bei der Synode des Kirchenkreises An der Agger stehen schwierige Entscheidungen auf der Tagesordnung – Da immer weniger Kirchengeld reinkommt, muss weiter gespart werden.

Von Lars Weber

 

Die Notfallseelsorge, das Haus für Alle, die Schuldnerberatungsstelle, die Flüchtlingsberatungsstelle, die Telefonseelsorge, die Gehörlosenseelsorge, die Fachberatungsstelle Wohnungsnot und die Kurberatung für Mutter/Vater/Kind sowie Pflegende: All diese diakonischen Angebote des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger sind teils seit Jahrzehnten in der Gesellschaft verankert. Viele Ehrenamtliche und einige Festangestellte tun ihren Dienst, helfen in Notlagen, beraten, wenn man nicht weiterweiß, weisen Wege aus der Lebenskrise.

 

Das alles steht nun vor einer unsicheren Zukunft. Denn dem Fachbereich Diakonie des Kirchenkreises, aber auch der Verwaltung, steht ein harter Einschnitt bevor, über den am Freitag, 23. Mai, ab 17 Uhr im evangelischen GemeindeCentrum Hackenberg in Bergneustadt von der Kreissynode entschieden wird. Schon heute erläuterten Superintendent Michael Braun, Assessor Pfarrer Dr. Oliver Cremer, Leiter des Diakonierats, Pfarrerin Birgit Iversen-Hellkamp als Leiterin der Sonderseelsorgen, Heiko Cordes als Leiter der Finanzabteilung und Sprecherin Judith Thies die Sachlage im Kreiskirchenamt.

 

„Wäre in den vergangenen vier Jahren niemand aus der Kirche ausgetreten, müssten wir hier heute nicht sitzen“, sagte Braun, was bereits deutlich macht, warum der Kirchenkreis ran muss an seine Finanzen und Angebote. 2023 ist die Kirchensteuer um sieben Prozent zurückgegangen. Und für den Kirchenkreis An der Agger, für den das Ortskirchensteuerprinzip gilt, bedeuten weniger evangelische Oberberger damit auch weniger Finanzkraft. Aktuell entfallen von dem Geld 21 Prozent auf den Kirchenkreis, 79 Prozent fließen in die 21 Gemeinden. Für das Jahr 2025 beträgt der Fehlbetrag 850.000 Euro, bis 2028 steige dieser voraussichtlich auf 1,1 Millionen Euro. Dazu tragen neben der Steuerentwicklung die höheren Rückstellungen für Pensionen sowie die inflationsbedingt steigenden Personalkosten bei.

 

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Nun ist die Entwicklung freilich nicht neu. Es ist bereits die dritte Sparrunde aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen. Bereits 2022 waren durch den Pfarrstellenplan 2030 rund 1,6 Millionen Euro an Einsparungen beschlossen worden. Im vergangenen Jahr beschloss die Synode zusätzlich eine Reduzierung der Mittel für die Vereinte Evangelische Mission (VEM) um 170.000 Euro. Die Einsparungen, über die nun diskutiert werden musste, hätten offenkundig einen größeren Effekt auch auf den nicht-gläubigen Teil der Gesellschaft – sämtliche diakonischen Angebote werden konfessionsunabhängig angeboten und auch genutzt. Bei der Telefonseelsorge allein gibt es jährlich 8.000 Anrufe. Die Notfallseelsorge, die gemeinsam mit der katholischen Kirche agiert (Ökumenische Notfallseelsorge Oberberg), hatte 2024 rund 170 Einsätze.

 

Man merkt im Gespräch: Leicht fällt es niemandem, über diese Szenarien zu sprechen. „Natürlich braucht es Menschen, um gute Dinge zu tun, aber man braucht eben auch Geld“, sagte der Superintendent. Zusammen mit Dr. Cremer, Cordes, Iversen-Hellkamp und Thies skizzierte Braun, wie die vergangenen Monate verlaufen sind. Zunächst habe man sich die Verwaltungsausgaben angeschaut. Dort soll es gelingen, rund die Hälfte der einzusparenden Summe zu realisieren. Das soll zum Beispiel passieren, indem Sachkosten reduziert werden, indem sich Trägeranteile an andere Institutionen verschieben oder durch Änderungen am eigenen Stellenplan. Zum Beispiel soll eine Koordinierungsstelle für die Jugendarbeit wegfallen, die den Mitarbeitern vor Ort in den Gemeinden einiges an Arbeit abgenommen habe. „Dieser Stellenanteil fällt weg“, so Braun, der betont, dass an der Jugendarbeit in den Kirchengemeinden selbst nicht gespart werde.   

 

Der Diakoniebereich sei der letzte Bereich gewesen, der sich angeschaut wurde – auch wenn es aus christlicher Sicht sehr schwergefallen sei. Es habe viele Gespräche gegeben, viele Vor-Ort-Besuche und man sei zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Sinn mache, an sämtlichen Angeboten „wie mit dem Rasenmäher“ ein bisschen zu kürzen. Man verliere so überall an Qualität. „Damit werden wir den Menschen nicht gerecht“, sagte Braun. Also wurde die Entscheidung getroffen, dass Angebote gänzlich wegfallen werden, „dabei sind alle Angebote richtig und gut“.

 

So wurde eine Prioritätenliste erstellt, die als Grundlage für die Beschlussvorschläge für die Synode dienen. Klarheit gibt es nur bei der Krankenhausseelsorge in Waldbröl, die wegfallen wird, wenn die Mitarbeiterin bis 2027 in den Ruhestand gegangen ist. Es wird nicht die einzige Stelle bleiben, die nicht nachbesetzt wird. Der Superintendent wird deutlich: „Es werden Arbeitsplätze wegfallen“. Auch wenn man durch einen Zeithorizont bis 2028 die Möglichkeit hat, diesen Abbau sozialverträglich zu gestalten.

 

Kreissynodalvorstand, Diakonierat und Verwaltungsleitung haben nun fünf Szenarien entwickelt, die der Synode vorgelegt werden, und mit denen ein Haushaltsausgleich erreicht werden könne. Zwei dieser Vorschläge kommen einem Kahlschlag des Diakoniebereichs gleich, dem ein Großteil der Angebote zum Opfer fielen. Übrig blieben je nach Vorschlag nur die Notfallseelsorge beziehungsweise die Trägerschaft für das Haus für Alle zusammen mit der Schuldnerberatung. „Wir würden auf das Niveau von vor 20 Jahren zurückfallen.“ Verzichten wiederum die Kirchengemeinden selbst auf Geld, könnten mehr Angebote erhalten bleiben. Hieße aber auch, dass die Kirchengemeinde vor Ort anders wirtschaften müssen.

 

Ob die Aufgabe der jeweiligen Angebote durch den Kirchenkreis gleichbedeutend mit dem Verschwinden sein wird, steht in den Sternen. Teils werden die Leistungen nicht allein zur Verfügung gestellt, auch Übertragungen sind möglich. Allerdings: Momentan wird im gesamten sozialen Sektor gespart und es fehlt an Geld. Möglich also, dass Angebote wie die Telefonseelsorge ersatzlos wegfielen.

 

„Es wird keine leichte Entscheidung werden. Niemand soll denken, dass etwas nicht wichtig wäre“, sagte Braun mit Sicht auf die Synode. Mut mache ihm, dass ein gestriges freiwilliges Treffen, an dem Synodale, Pfarrerinnen und Pfarrer, aber auch Abteilungsleiter und Ehrenamtliche teilnahmen, den Zusammenhalt aller gezeigt hätte. Es sei ein gemeinsames Ringen darum, wie evangelische Kirche in Oberberg zukünftig aussehen kann und was sie zu leisten imstande ist. Eine Tendenz bei der Entscheidungsfindung sei indes noch nicht abzusehen. Getroffen wird die Entscheidung bei der Synode in Bergneustadt von 110 stimmberechtigten Mitgliedern. Hier geht es zu der Einladung.   

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Michel, 15.05.2025, 21:17 Uhr
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