LOKALMIX

Das „Come In“ schließt: A Song to Say Goodbye

lw; 25.11.2024, 16:04 Uhr
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Fotos: Michael Kleinjung & Lars Weber --- Laden ein zu den letzten Partys im Come In: Uwe Kurth (li.) und DJ Harsha.
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Das „Come In“ schließt: A Song to Say Goodbye

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lw; 25.11.2024, 16:04 Uhr
Bergneustadt – OA wirft zusammen mit DJ Harsha und Uwe Kurth einen nostalgischen Blick zurück auf 34 Jahre Diskobetrieb in der Othestraße – Generationen von Musikliebhabern gingen ein und aus – Ende des Jahres endet diese Ära.

Von Lars Weber

 

„Was wollen wir Freitagabend machen?“ Über Jahre hinweg stellte sich diese Frage im Freundeskreis eigentlich nicht. Natürlich sollte es wieder ins Come In nach Bergneustadt gehen. Wie schon die Woche zuvor, und die Woche davor. Als Rock- und Metalfans gab es im Oberbergischen nur diese Alternative, um die Nacht zu harten Gitarren zum Tage zu machen. Klar ging es auch mal nach Köln. Aber am Ende kehrten wir stets in den Schoß des Come In zurück. Das Ritual stets gleich: Einen Fahrer bestimmen, der alle einsammelt, auf dem Weg einmal über den „Glückshügel“ in der Dörspestraße fahren, Geschäftsführerin Mona am Eingang grüßen – und alle Sorgen vergessen.

 

Seit fast 35 Jahren hält das Come In in Bergneustadt in der oberbergischen Diskotheken-Landschaft die Stellung. Andere Clubs machten auf, schlossen wieder und verschwanden auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung. Der kleine, alternative Club in der Othestraße blieb – bis jetzt. Uwe Müller, den meisten besser bekannt als DJ Harsha, hat angekündigt, Ende des Jahres mit 67 Jahren in die wohlverdiente Rock-Rente zu gehen. Natürlich soll dies nicht geräuschlos geschehen – mehrere Partys stehen bis dahin noch an. „Für die letzte Party am 28. Dezember haben sich schon Freunde aus ganz Deutschland angekündigt“, sagt Harsha, der zusammen mit Schwager und Geschäftspartner Uwe Kurth im Gespräch mit OA auf das Come In zurückblickt. Ob die Türen der Disko nochmal wieder öffnen, hängt an der Nachfolgersuche, die aktuell auf Hochtouren läuft.

 

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Bevor Harsha in das Diskogeschäft einsteigt, war er elfeinhalb Jahre Altenpfleger. „Das machte mir auch Spaß“, sagt er rückblickend, zumal er in dem Beruf auch seine spätere Frau kennengelernt hat. Sein Leben wird aber schon damals von Musik bestimmt. Jedes zweite Wochenende, wenn er frei hatte, legte er unter anderem im „Papa Roots“ in Bielstein oder anderen Läden wie dem „Wiesawie“ in Gummersbach als DJ auf. Lange vor Spotify oder der Hochzeit des Musikfernsehens hatten DJs eine ganz andere Bedeutung als heute. „Wir waren Wegbereiter für Musik, die sonst niemand kannte“, sagt Harsha.

 

[Uwe Müller alias DJ Harsha grüßt bald zum letzten Mal aus dem Eintrittsbereich seiner Diskothek.]

 

Als er über eine Zeitungsannonce stolpert, in der die ehemalige „Kajüte“ in Bergneustadt beziehungsweise das spätere „Pink Cadillac“ zu mieten war, werden seine Gedanken, seinen eigenen Laden aufzumachen, plötzlich konkret. „Ich wollte mich auf jeden Fall abheben. Damals gab es allein sieben Diskos im Kreis, und die liefen alle!“ Er entscheidet sich für einen alternativen Ansatz. „Für Mainstream und Charts gab es andere Läden.“ Er kündigt seinen Altenpfleger-Job und eröffnet am 1. Juni 1990 das Come In. „Wenn das nicht klappt, werde ich eben wieder Altenpfleger“, denkt er sich damals. Ohne große Werbung macht er vor 34 Jahren das erste Mal die Tür auf. Sein guter DJ-Ruf eilt ihm aber voraus. „Die Gäste standen Schlange!“ Das Experiment Disko ist erfolgreich. So sehr, dass Harsha 1992 auch die „Box“ in Wiehl übernimmt.

 

Vielleicht kannte man nicht alle Gäste mit Namen. Aber irgendwie bildeten alle Grüppchen und Cliquen im Come In eine große Gemeinschaft. Irgendwann wusste man, wer sich wieder mal „River runs red“ von Life of Agony wünschte oder „Freak on a leash“ von Korn – und überließ ihnen die kleine Tanzfläche mit dem großen Spiegel, der das Come In etwas größer machte, als es eigentlich ist. Das bot Zeit, um vielleicht ein bisschen zu flirten oder auch am zehnten Abend hintereinander eben jenes Mädchen nicht anzusprechen, das man so toll fand. Naja. „Vielleicht ja nächsten Freitag.“

 

 

„Wir wollten unser Ding durchziehen“, sagt Harsha. Mit „Wir“ meint er das Team, das er über die Jahre hinweg im Come In begrüßen durfte. Dazu gehörte Mona Aschoff, die von der Aushilfe später als Restaurantfachfrau zur Geschäftsführerin des Come In und auch zu einem prägenden Gesicht der Disko wurde. Auch wenn sie später aus dem Job ausschied – sie schaut noch heute ab und an vorbei und auch auf dem Spiegel an der Tanzfläche wurde ihr Name verewigt, was viel über die Wertschätzung und Treue der Come-In-Gänger aussagt. Diese goutieren die saubere Gemütlichkeit des Clubs, aber vor allem natürlich auch die gespielte Musik. Die DJs neben Harsha sorgen für Alternative Rock, Metal oder Dark Wave und erreichen so ein vielfältiges Publikum.

 

Und der Chef selbst? Harsha wirbelt erst mit Namen unterschiedlicher Genres von Soul über Funk bis Reggae um sich, um dann mit einer Anekdote eines längst vergangenen Abends zu antworten. „HipHop wurde zu der Zeit stärker, Techno auch. Der Laden war voll und da baute ich einfach mal einen Techno-Track von AWeX ein, und die Tanzfläche nahm es dankend an. Da hab ich zwei eher Rockorientierte Kunden gehört, die sagten: Harsha kann sich auch alles erlauben.“ Und so gehe er weiterhin an das DJ-Pult ran. „Ich lege nach Gefühl auf.“

 

 

Spätestens, wenn die eigenen Schuhe vielleicht doch zu sehr an der Tanzfläche haften blieben oder das Licht auf dem WC zu doll blendete, wurde über die Heimfahrt gesprochen – zumindest vom designierten Fahrer. Die anderen wollten doch lieber noch ein paar Runden Billard zocken. Oder noch ein Lied abwarten! „Ich war grad erst beim DJ und hab mir Wolfmother gewünscht.“ Also ging noch ein Song, und noch einer. Der Lieblingssong wartete im Come In stets auf einen. Musik, die woanders nicht gespielt wurde. Doch irgendwann in der Nacht war der Morgen ganz nah. „Aber erst fahren wir nochmal über den Glückshügel, oder?!“  

 

Viele Gefühle hegt auch Uwe Kurth für das Come In. Er ist Schwager von Harsha. Der 48-Jährige wächst mit der Disko auf, hat sogar schon einen Kindergeburtstag dort gefeiert. Später ist er Stammgast – natürlich. „Das Come In funktioniert wie eine Zeitmaschine.“ Klar, die Musik hat sich immer mal wieder gewandelt, das Publikum mit den Jahren auch, ebenso das Personal. Aber das Inventar kennt jeder Kunde und es löst umgehend Erinnerungen aus, meint Kurth. Die Bullaugen aus „Kajüte“-Zeiten. Jim Morrison mit seinem Hund. Das aus der Zeit gefallene Poster mit den kleinen Kindern in der Ecke (Foto). Für Kurth war es immer ein Traum, das Come In vielleicht eines Tages von seinem Schwager zu übernehmen.

 

Tatsächlich führen Uwe Kurth und Harsha dieses Gespräch. Die beiden machen aus, dass der potenzielle Nachfolger erstmal alle Bereiche wie ein normaler Angestellter kennenlernt, dann soll er die Entscheidung treffen. Und Kurth will. „Heiß wie Frittenfett“ sei er damals gewesen, als er vor einem Jahr eingestiegen ist. Doch es ist nicht mehr alles so wie früher. Zum einen sieht Kurth ein, dass er als Familienvater mit festem Job als alleiniger Geschäftsführer Probleme bekommen könnte. Zum anderen habe die Pandemie das Geschäft nachhaltig verändert.

 

„Davor konnte ich mich darauf verlassen, dass immer eine neue Generation Kunden nachkam, wenn die andere Kinder bekam oder Karriere machte. Mit Corona hörte das auf, das hat viel kaputt gemacht“, sagt Harsha. Die lange Schließzeit, erhebliche finanzielle Einbußen (die Überbrückungshilfen haben gerade einmal für die Miete gereicht), die Inflation und ein verändertes Freizeitverhalten der Jugendlichen und Heranwachsenden („sie treffen sich lieber zu Hause“) – es gibt diverse Gründe, weshalb der Eintritt in die Rente für Harsha nun zum richtigen Zeitpunkt kommt. Und Uwe Kurth auf das Come In verzichtet.

 

Für die Nachfolge führen sie Gespräche, teils sogar mit der Aussicht, dass die Marke Come In weitergeführt werden könnte. Unterschrieben ist aber nichts. Interessenten können sich weiter bei Uwe Kurth unter Tel.: 0172/78 78 694 melden.

 

Und dann war man freitags nicht mehr im Oberbergischen – und auch nicht mehr im Come In. Ausbildung, Studium, Beruf, Partner, Kinder – das Übliche eben. Weit weg war die Disko aber nie. Wenn im Stadion „Seven Nation Army“ gegrölt wird zum Beispiel war die Tanzfläche in Bergneustadt nicht weit weg. Auf Stippvisite in der Heimat lebte das Come In in Erinnerungen sowieso weiter – und es wurde sich darauf gefreut, dass man es bestimmt beim nächsten Besuch mal wieder dahin schaffte. Schließlich veränderte sich viel – das Come In blieb aber irgendwie so, wie man es in Erinnerung hatte. Und mindestens in der Erinnerung – so viel ist sicher – wird das Come In mit seiner Musik auch immer weiter da sein.

 

Ohne einen lauten Knall soll die Ära des Come In nach mehr als 30 Jahren aber nicht enden. Jeden Samstag gibt es bis dahin Party ab 22 Uhr, dazu kommt ein Dark-Wave-Revivaltreffen am Freitag, 29. November, mit DJ Chris und DJ Zaphrim. Am Samstag, 30. November, legt neben DJ Harsha auch DJ Stiletto aus Box-Zeiten auf – es geht auf „Zeitreise“. Die in Come-In-Kreisen legendäre Heiligabend-Party wird es auch noch einmal geben. Samstag, 28. Dezember, steht dann die große Abschiedssause an. „Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge“, sagt Harsha. Klar werde er den Laden auch vermissen, aber er freut sich auf die Zeit mit seiner Frau.

 

Und die Musik wird ebenso seine große Leidenschaft bleiben, wie auch schon vor dem Come In. „Das Leben mit Freude genießen“, das bedeute sein Name Harsha, der ihm einst auf Reisen in Indien gegeben worden sei. „Und dabei, das Leben zu genießen, dabei hilft Musik ungemein.“

KOMMENTARE

1

Ach, das Come In ... Denke gern daran zurück. Liebe Grüße aus Osnabrück

René Märtin, 25.11.2024, 18:37 Uhr
2

Leider nie was davon gehört, wenn man aus Engelskirchen kommt **

Marita Konopka, 26.11.2024, 13:49 Uhr
3

Einer der letzten guten Läden, der nicht das übliche an Musik gespielt hat...
Sehr schade... ☹️

Michael , 26.11.2024, 15:12 Uhr
4

"Ach, was waren das für Zeiten...". In jungen Jahren manchmal 2 oder 3x in der Woche da gewesen. Wurde erst das ersehnte Lied gespielt und man war einmal auf der Tanzfläche ist man nicht selten bis zum Schluss drauf geblieben. Nachdem man mit "easy like sunday morning" und grellem Licht und der bezahlten Karte bei Mona in die Nacht entlassen wurde, war der Besuch bei Bäcker Hermann oft der Abschluss in die Nacht. Das ComeIn war viele Jahre zweites Wohnzimmer, Treffpunkt, Familie, Ausgleich - ein Laden wie kein zweiter. Nicht übertrieben hübsch, aber ehrlich. Alles hat seine Zeit schätze ich. Danke Harsha und Team, dass Ihr das so lange durchgezogen habt!

Dominik, 26.11.2024, 19:22 Uhr
5

Die Anfangsjahre mit der Mannschaft, die den Laden erst zu dem hat werden lassen was war - vergessen. Der 2. Mann neben Uwe M. - vergessen. Als hätte er alles alleine geschafft, der "Harshi". Und der jahrelange Rausschmeißer "Woman in Chains" von Tears for Fears? Vergessen.

Peter, 26.11.2024, 20:37 Uhr
6

Die Zeit mit Disco ist bei der heutigen Jugend leider nicht meht gefragt. Es sind nur mehr Einzelgänger. Der Soziale zusammenhalt geht so den Bach runter.
Das Come In war im Oberbergischen und Märkischer Kreis der Anlaufpunkt bis zum Jahre 2000. Gute Musik sehr nette Leute. Es war auch eine der wenigen Disco wo es spaß gemacht hat mit seinen Freunden das Wochenende zu verbringen. Aber alles hat mal sein ende.

Uwe Märtens, 27.11.2024, 10:37 Uhr
7

Wenn ich noch in Oberberg wohnen würde wäre ich der erste gewesen der bei Uwe vor der tür gestanden hätte. Ich hoffe für alles Kunde. es geht weiter.

Cromm, 27.11.2024, 15:56 Uhr
8

Wieso steht dort dauern "Freitag" ? Come In war schon Donnerstag Pflichtprogramm! Alle schön schwarz gekleidet (mehr Farben gibt es nicht), unvergessen bleibt die Atmosphäre, einfach nur entspannt !!!

, 29.11.2024, 12:54 Uhr
9

Warum steht dort dauernd "Freitag" ? Come In war Pflicht ab Donnerstag ! Mit Rainer (Reiner ?) am Pult, Nancy an der Kasse und Oskar als "böser" Türsteher ! Und wenn es geschlossen hat (Freitag/Samstag): Ab in die "Schweinebox" nach Wiehl zum Frühstück (sorry, die Musik dort war mies, aber das Frühstücksbuffet der Hammer). Kult bleibt Kult ! Danke für die vielen schönen Erinnerungen !!!

Patric, 29.11.2024, 19:30 Uhr
0 von 800 Zeichen
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