LOKALMIX

Der Natur überlassen

lw; 25.12.2020, 16:00 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung, Lars Weber --- Aus der Vogelperspektive ist gut zu sehen, wie sich Gräser und andere Pflanzen auf dem Hömericher Kopf ausbreiten.
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Der Natur überlassen

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lw; 25.12.2020, 16:00 Uhr
Gummersbach – Nach dem Waldbrand auf dem Hömericher Kopf im Frühjahr ist die Aufforstung noch nicht wieder gestartet – Grün wird es trotzdem schon wieder (MIT VIDEO).

Von Lars Weber

 

Dunkle Rauschschwaden, der Geruch nach verbranntem Holz, der Blick in Richtung Hömericher Kopf: Die Erinnerungen an den Waldbrand am 20. April, der die Feuerwehr und zahlreiche weitere ehrenamtliche Hilfskräfte für gut eine Woche beschäftigen sollte, sind bei vielen Oberbergern auch mehr als acht Monate danach noch immer sehr präsent. Erst recht für jene, die in den angrenzenden Gummersbacher Stadtteilen Steinenbrück, Strombach oder auch Wasserfuhr leben. Oder für jene, die den Hömericher Kopf für Spaziergänge aufsuchen. Die Spur der Verwüstung ist weiterhin deutlich zu erkennen. Wie aber entwickelt sich die Aufforstung? Was ist dort oben seit April geschehen? OA hat sich mit Revierförster Michael Cescotti (Foto) zwischen verkohlten Baumresten und grünem Gras getroffen. 
 

Der 54-Jährige stand an jenem 20. April auf einer Anhöhe und musste mit ansehen, wie seine Arbeit ein Raub der Flammen wurde. Als Revierförster beim Landesbetrieb Wald und Holz kümmert sich Cescotti darum, dass Wege in Ordnung sind, dass der Wald sauber bleibt, und er klärt mit den meist privaten Waldbesitzern die Pflege, zum Beispiel die Aufforstungen. „Die Wiederaufforstungen nach Kyrill, die Mischbestände waren gerade zehn bis zwölf Jahre alt, sind komplett verbrannt.“ Ebenso die erst im Oktober 2019 gepflanzten Schwarzkiefern oder Weißtannen - sie hatten keine Chance. „Das war sehr deprimierend“, erinnert sich Cescotti. Zwar wird er von den Waldeigentümern nur beauftragt, aber er pflege die Natur wie sein eigenes Eigentum.

 

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Die Natur war es auch, die sich nach dem Brand schnell zurückgemeldet hatte. „Dem Boden hat das nichts ausgemacht, die Asche wirkt wie Dünger, es werden Nährstoffe freigesetzt.“ Nur wenige Tage nach dem Brand wuchs bereits wieder saftig grünes Gras aus schwarzer Erde. Neben Gräsern zeigen auch jede Menge Adlerfarn und Fingerhut, dass auf den betroffenen 21 Hektar Leben gedeihen kann. Hinzukommen werden auch noch Brombeeren. Cescotti glaubt, dass die sich selbst ausbreitenden Pflanzen für längere Zeit das Einzige sein könnten, das den Hömericher Kopf begrünt. „Das hat mehrere Gründe“, sagt der Revierförster.

 

[Adlerfarn breitet sich rasant aus.]

 

Das Hauptproblem: der Mangel an Investitionskraft und der richtigen Bäume in den Waldschulen. Aufgrund der Borkenkäferplage bekommen die Waldbesitzer kein Geld mehr für ihr Holz. Um nach Kyrill wieder aufzuforsten, müsste man pro Hektar bis zu 5.000 Euro in die Hand nehmen. „Und heute ist es noch teurer geworden.“ Förderungen vom Land seien zwar da, die Modalitäten machten es Waldbesitzern aber nicht einfach, diese abzurufen. Gleichzeitig werden für die Wiederaufforstung so viele Bäume verschiedenster Arten benötigt, dass die Baumschulen gar nicht hinterherkommen. Dass die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Pflicht, innerhalb von zwei Jahren wieder aufzuforsten, eingehalten werden kann, bezweifelt Cescotti daher. Auch am Hömericher Kopf sei noch nichts passiert. Ein Waldbesitzer habe lediglich seine Fläche mulchen lassen. „Vielleicht pflanzen wir ja im nächsten Herbst die ersten Bäume.“

 

 

Die Aufforstung wird nicht einfach werden, sagt der 54-Jährige. „Die Fläche ist völlig blank und die jungen Bäume allen Klimaextremen ausgesetzt.“ Egal ob Hitze, Sturm oder Frost: Nur an den Rändern bekämen die Pflanzungen den Schutz größerer Bäume. „Hinzu kommen die Tiere.“ Die bedienen sich gerne.

 

Nun sorgt natürlich auch die Natur für Bewaldung. Lässt man die Bäume machen, breiten sie sich von ganz allein aus. „Das Problem daran: Die Fläche ist exorbitant groß.“ Bis der Wald auf die Kuppel gezogen wäre, könnten fast zwei Jahrzehnte ins Land gehen. Und aus dem Wust an wilden Pflanzen, der sich über die Jahre bilden wird, müssten sich die jungen Bäume erstmal durchkämpfen.

 

[Grün und schwarz werden die Farben auf dem Hömericher Kopf eine ganze Weile dominieren.]

 

Genau darauf wird es aber wohl erst einmal hinauslaufen, sagt Cescotti. Der Hömericher Kopf werde der Natur überlassen und wird unter anderem von Gräsern, Adlerfarn, Fingerhut oder Brombeeren bevölkert. Gerade die Tiere – zum Beispiel Dam- und Schwarzwild – wird das freuen. Sicherlich auch viele Spaziergänger: Schließlich kommt das Grün auf den Hömericher Kopf mit voller Kraft zurück. Die Spuren des verheerenden Waldbrands werden trotzdem nicht so schnell verschwinden. „Es wird sicherlich vier bis fünf Jahre dauern, bis die schwarzen Baumstümpfe verwittert sind.“ Mindestens solange werden die Erinnerungen an den 20. April bei vielen Spaziergängern immer wieder im Gedächtnis aufflackern.

 

 

Mehr über die Arbeit von Revierförster Michael Cescotti gibt es in einem weiteren Teil der Serie "Auf Schicht", der in den nächsten Tagen auf OA veröffentlicht wird.

KOMMENTARE

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Ich würde mir wünsche dass man die Wälder und Wiesen einfach der Natur überlassen würde, waren es doch ausgerechnet diese Aufforstungen mit Monokulturen bzw. Nutzhölzer welche uns in der Vergangenheit viele Probleme bereitet hat. Insekten werden sich sicherlich auch über die freie Fläche freuen. Aber in Deutschland muss halt alles seine Ordnung haben, denn wo kämen wir schließlich hin, wenn wir die Natur "einfach so" machen lassen? Die meisten unserer Wälder haben mit Natur leider recht wenig gemeinsam, man muss schon Suchen um einen wirklich natürlichen Wald oder eine natürliche Wiese zu finden.

André, 26.12.2020, 15:54 Uhr
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