LOKALMIX

Dritter ver.di-Warnstreik: Pflegekräfte fordern bessere Bedingungen

pn; 20.10.2020, 15:10 Uhr
Fotos: Peter Notbohm ---- Symbolische Staffelstabübergabe zwischen den Mitarbeitern des Klinikum Oberberg an den Standorten Gummersbach und Waldbröl.
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Dritter ver.di-Warnstreik: Pflegekräfte fordern bessere Bedingungen

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pn; 20.10.2020, 15:10 Uhr
Waldbröl - Warnstreiks am Klinikum Oberberg werden auf den Standort Waldbröl ausgeweitet - Etwa 160 Teilnehmer - Krankenhäuser in Gummersbach und Waldbröl müssen verschiebbare Operationen absagen.

Von Peter Notbohm

 

Vor der nächsten Tarif-Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst üben Arbeitnehmer und Gewerkschaft noch einmal Druck aus: Erneut kam es bundesweit zu Warnstreiks, betroffen sind unter anderem Kindertagesstätten, Krankenhäuser, Rat- und Kreishäuser sowie der öffentliche Nahverkehr. Im Oberbergischen Kreis war wieder das Klinikum Oberberg Schauplatz einer großen Kundgebung. Hier kam es heute auch am Standort Waldbröl zu massiven Protesten im Pflegedienst. Zahlreiche Arbeitnehmer des Standorts Gummersbach waren nach einer Zusammenkunft am frühen Morgen in der Kreisstadt in den Kreissüden gereist, um dort den Staffelstab symbolisch an ihre Kollegen weiterzureichen.

 

 

Am Wochenende hatte es seitens der Arbeitgeber ein Angebot gegeben, das von ver.di mehr als Provokation, denn als Lösung aufgefasst wurde. „Man könnte glauben, es handele sich um einen Fake: die sechs Nullmonate bis März 2021, die dann folgenden niedrigen prozentualen Steigerungen mit je einem Prozent und gleichzeitige Verschlechterungen, die wir in einem Jahrzehnt nicht wieder aufholen können, sind für uns nicht verhandelbar“, sagt Gabriele Schmidt, Landesbezirksleiterin ver.di NRW.

 

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Auch Arno Appelhoff (links), zuständiger Gewerkschaftssekretär und Streikleiter, unterstrich heute in Waldbröl noch einmal, dass man von den Zusatzforderungen in der Pflege nicht abrücken werde. Ver.di fordert für die 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen unter anderem eine Anhebung des Einkommens um 4,8 Prozent, bzw. einen Mindestbetrag von 150 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Auch Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen angehoben werden. Zudem kämpft die Gewerkschaft in der Pflege darum, Pausen als Arbeitszeit anerkannt zu bekommen, eine Pflegezulage sowie Zuschläge für Wochenendarbeit. „Aber die Arbeitgeber sträuben sich nicht nur, sie provozieren mit ihrem Angebot sogar“, sagte Appelhoff heute vor etwa 160 Streikenden, darunter etwa 90 aus Gummersbach, in Waldbröl.

 

Wie schon beim ersten großen Warnstreik in Gummersbach am 8. Oktober äußerten mehrere Arbeitnehmer ihren Unmut durch Wortbeiträge. „Ich bin Krankenschwester, keine Ehrenamtliche, keine Bittstellerin, keine Bettlerin und keine Tagelöhnerin“, sagte Almut Koch, die seit 33 Jahren in der Pflege arbeitet. Sie stellte die Frage, ob die Würde des Patienten wirklich unantastbar sei: „Wenn wir Beschwerden schreiben, wird diese Würde mit einem Lächeln in den Papierkorb befördert.“ Auch Kathi Klawunder, Pflegerin in Gummersbach, kritisierte, dass „dieses kranke System“ nur funktioniere, weil die Arbeitnehmer es mittragen. „Wir müssen ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann“, meinte Edgar Liedhegener, Betriebsratsvorsitzender am Waldbröler Krankenhaus, „es sollen möglichst wenig Mitarbeiter so viele Patienten wie möglich versorgen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind wichtig, aber menschliche noch viel wichtiger.“

 

 

Nicole Schrade, Leiterin der Palliativstation in Waldbröl, prangerte ebenfalls die aktuellen Zustände an: „Es geht nicht nur um die Würde des Patienten, sondern auch um die der Pflegekraft. Oder ist es menschenwürdig, wenn ein Pfleger für 30 Menschen die Verantwortung tragen muss?" Zudem ergänzte sie in Richtung Politik: „Die Selbstdarsteller im Anzug halten unser unzerstörbares Gesundheitssystem in die Höhe – ohne jedes Expertenwissen.“ Am Klinikum Oberberg machte sich der Warnstreik erneut bemerkbar. Im Vorfeld hatten sich ver.di und die Klinikleitung auf eine Notdienstvereinbarung geeinigt, diese sah eine Mindestbesetzung in Personalstärke des Nachtdienstes vor. „Um einerseits allen Mitarbeitern eine Teilnahme am Streik zu ermöglichen und andererseits die Patientensicherheit zu gewährleisten, wurden alle elektiven Operationen, bei denen ein anschließender stationärer Aufenthalt zu erwarten war, für Montag und Dienstag abgesagt“, sagte Angela Altz, Pressesprecherin am Klinikum Oberberg.

 

In Gummersbach waren sechs Operationssäle nicht besetzt, lediglich die Versorgung von Notfällen war gesichert und unaufschiebbare Operationen wurden durchgeführt – auch der Kreißsaal blieb geöffnet. Patienten mussten sich auf Einschränkungen im Klinikablauf in beiden Krankenhäusern einstellen und Wartezeiten einplanen. Die nächste Verhandlungsrunde findet am Donnerstag und Freitag in Potsdam statt.

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