LOKALMIX
Einzigartiges Projekt: In Windhagen wird mit der Miyawaki-Methode geforscht
Gummersbach – Im Industriegebiet West wird an der Verbesserung des Stadtklimas geforscht – Tiny Forests sollen durch spezielle Bodenaufbereitung in hohem Tempo auf engstem Raum wachsen.
Von Peter Notbohm
Seit heute dürften sich die Augen vieler Klimaforscher nach Gummersbach-Windhagen richten. Auf dem Gelände des Gründer- und TechnologieCentrum Gummersbach (GTC) wurde im Industriegebiet Windhagen West ein Projekt zur Erforschung der Pflanzmethode für Kleinstwälder, sogenannte Tiny Forests, gestartet. Die Urwälder im Kleinstformat können in Zukunft eine Alternative für Ausgleichsflächen von Unternehmen sowie kleinen und mittleren Kommunen zu den parkähnlich angelegten Flächen sein und damit ein Baustein für Klimaanpassungsmaßnahmen. EU-weit handelt es sich um ein bislang einmaliges Projekt, das auf mehrere Jahre angelegt ist.
Die Idee der Tiny Forests ist dabei nicht ganz neu und stammt bereits aus den 1970er-Jahren, war bis zum Beginn des vergangenen Jahrzehnts aber ein wenig in Vergessenheit geraten. Der japanische Ökologe Akira Miyawaki stellte bereits damals Überlegungen auf, wie Großstädte grüner gemacht werden können – und zwar auch dort, wo scheinbar kein Platz ist. Tiny Forests sind kleine, vielfältige Ökosysteme für Insekten, Vögel und Kleintiere, die nur einen geringen Flächenbedarf haben (ab 100 Quadratmeter) und somit Zierwiesen ablösen können.
[Unter die Erde der einen Versuchsfläche sind unter anderem Mykorrhiza-Pilze beigemischt, die eine Symbiose mit den Bäumen bilden und deren Wurzelwerk ergänzen.]
Gleichzeitig tragen sie aber auch ihren Teil zum CO2-Ausgleich und zu einer natürlichen Kühlung bei, denn gerade Städte und Gewerbegebiete heizen sich in den heißen Sommermonaten auf und beinträchtigen so Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Menschen. In den Niederlanden werden seit zehn Jahren gute Erfahrungen mit diesen Mikrobiotopen gesammelt. In Deutschland wurde der erste Tiny Forest erst vor zwei Jahren in der Uckermark gepflanzt.
In Windhagen erforscht der Förderverein „Zentrum für Bioenergie“ (ZebiO) unter der Leitung von Raffael Löwen nun, wie groß der Vorteil der recht aufwändigen Miyawaki-Methode im Vergleich zur Standart-Pflanzung bei exakt gleichem Pflanzschema bei den veränderten Klimabedingungen ist. Sie verspricht durch eine spezielle Bodenaufbereitung (Humussubstrat auf Terra Preta Basis, Mykorrhiza und Holzhackschnitzel) ein schnelles Pflanzenwachstum und einen autarken Kleinstwald in nur drei Jahren, der anschließend nicht mehr gepflegt werden muss. Ihre Ursprünge hat die Methode in Südamerika, wo indigene Völker damit große Erfolge hatten.
[Kosten für die Bepflanzung fielen nicht an. Dies wurde von den Regionalforstamtsmitarbeitern übernommen.]
Perfekt lief der Start am Dienstag noch nicht. Nur ein Viertel der etwa zwei Jahren alten und 80 bis 120 Zentimeter großen 800 Bäume konnte durch Mitarbeiter des Regionalforstamts Bergisches Land und des Regionalforstamts Kurkölsches Sauerland gepflanzt werden. Nach den massiven Regenfällen der vergangenen Woche war der Boden schlicht zu matschig, sodass die Bäume im Morast versinken würden und nicht wurzeln können. Die restlichen Bäume sollen in den kommenden Wochen gepflanzt werden. Um das Gelände gezogen wurde aber schon einmal der Zaun, damit Rehe und Hasen die Forschung nicht vorzeitig wegfressen.
Auf den beiden etwa 100 Quadratmeter großen Versuchsflächen werden mit Traubeneichen, Roteichen, Winterlinden, Hainbuchen, Kirschen, Ebereschen, Baumhasel, Esskastanien, Haselnuss, Schwarzer Holunder und rote Johannisbeere vor allem Bäume und Sträucher gepflanzt, die wärmere Temperaturen bevorzugen. Insgesamt sind es jeweils 400 Pflanzen je Versuchsfläche. „Das sind alles Pflanzen, die für den künftigen Klimaausgleich wichtige Rollen einnehmen werden“, erklärt Regionalforstamtsleiter Kay Boenig.
Gleichzeitig wird durch das permanente Monitoring der Flächen neben den vielen Vorteilen der Kleinstwälder auch geprüft, welche Nachteile entstehen könnten. Durch den Wettbewerb der Pflanzen um Raum und Nährstoffe könnten die Stämme sehr dünn bleiben, sodass Schädlinge leichtes Spiel haben oder starke Windstöße diese umkippen. Zudem könnte durch die dichte Bepflanzung ein Nährstoffmangel entwickelt werden, der sich auf den Blätterbesatz auswirkten würde.
[Die dunkle Fläche wurde speziell behandelt. Auf der hellbraunen Fläche im Hintergrund wachsen die Pflanzen nach der Standart-Methode.]
Das Projekt wird vom Landesbetrieb Wald + Holz gefördert, ZebiO hat einen Eigenanteil von 20 Prozent. Für beide Flächen rechnet GTC- Geschäftsführerin Susanne Roll mit Kosten in Höhe von etwa 6.000 Euro. Allerdings habe man nicht die Kosten für das Pflanzen einrechnen müssen, da dieses durch die Manpower des Landesbetriebes gesponsort wurde. Auch bei der Stadt Gummersbach habe man sich dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt und eine schnelle Genehmigung gegeben, hieß es von Roll: „Wir erhoffen uns Anfragen von Unternehmen, Kommunen, Schulen und Multiplikatoren. Kopieren ist hier absolut erwünscht!“
Die ersten Pflanzen sollen bereits im Frühjahr austreiben. Die Projektleiter rechnen damit, dass die ersten Wachstumsunterschiede auf den beiden Versuchsflächen bereits nach drei Jahren zu sehen sein werden. Der Tiny Forest soll nach spätestens zehn Jahren entstanden sein und auch im Anschluss im Windhagener Industriegebiet stehen bleiben. „Das Projekt wird von uns durch Messungen komplett begleitet, auch durch eine Wetterstation. Am Ende werden wir den Unternehmen sehr genau vorrechnen können, ob sich die Methode lohnt“, so Roll.
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