LOKALMIX
Forensik: Reichshof wartet weiter auf Klarheit
Reichshof - Zukunft des Munitionsdepots in Wildbergerhütte auch nach über neun Jahren ungeklärt - Gemeinde will Areal renaturieren - Landesregierung sieht andere Projekte prioritär, will am Standort aber festhalten.
Von Peter Notbohm
Beinahe zehn Jahre währt die Hängepartie um den Bau einer Forensik in Reichshof mittlerweile. Im Oktober 2012 beschloss die damalige rot-grüne Landesregierung den Bau fünf neuer Maßregelvollzugseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. 750 Plätze für psychisch- und suchtkranke Straftäter sollten auf diesem Weg geschaffen werden. Im Landgerichtsbezirk Bonn wurde das ehemalige Munitionsdepot in Wildbergerhütte im Rahmen des Auswahlverfahrens als geeignetster Standort für eine neue Klinik mit 150 Plätzen bestimmt.
Im Oberbergischen stießen die Pläne der NRW-Regierung allerdings auf Widerstand. Eine Bürgerinitiative sammelte damals über 9.000 Stimmen, auch Gemeinderat und Kreistag stellten sich hinter die Petition. Dank des Vorkommens der Fledermausart Großes Mausohr wurde das Areal des ehemaligen Bundeswehrgeländes 2014 durch den Landschaftsplan 10 „Wiehltalsperre“ zum Naturschutzgebiet erklärt. Dies erschwerte den Bau einer Klinik zwar erheblich, noch 2017 erklärte der inzwischen verstorbene Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug, Uwe Dönisch-Seidel, aber, dass es keinen Plan B für Reichshof gebe. Das Areal sei innerhalb des Landgerichtsbezirk Bonn weiterhin der einzige Standort, der untersucht werde.
Seitdem herrscht vor allem eins: Stillstand. Oder wie Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies es ausdrückt: „Eine mittlerweile zehn Jahre andauernde Umklammerung der Gemeinde durch das Land NRW.“ Ideen für das 55 Hektar große Gelände hätte er genug. „Im Rahmen des Regionale 2025 würden wir das Depot als Naturschutzgebiet einbringen und es wie die Bergische Kaserne renaturieren“, sagt er. Doch der Gemeinde sind die Hände gebunden, so lange die Regierung in Düsseldorf keine endgültige Entscheidung getroffen hat. Derzeit hat das Projekt den C-Status, müsste allerdings in den kommenden Monaten dringend angeschoben werden.
[Archivfoto: Nach den Plänen der Gemeinde sollen alle vorhandenen Gebäude, Straßen, Zäune und Bunkeranlagen zurückgebaut werden.]
Auf Nachfrage von Oberberg-Aktuell beim NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) heißt es – wie schon seit Jahren - dass die Nennung eines konkreten Termins nicht möglich sei, da aktuell die Umsetzung anderer Standorte des 2. Ausbauprogramms prioritär behandelt werde. Bevor in Wildbergerhütte Bagger anrollen können, wird es aber in jedem Fall eine erneute Prüfung geben, sagt Sprecherin Miriam Skoblies: „Vor einer endgültigen Standortentscheidung werden – wie bei jeder Entscheidung und aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit – die Alternativen anhand des Kriterienkatalogs aktualisiert bewertet.“
Dass das Areal im Landschaftsplan Wiehltalsperre als Naturschutzgebiet festgesetzt wurde, ist aus Sicht der Landesbehörde jedenfalls weiterhin kein Hindernis. Auch weil ein Artenschutzgutachten vorliegt, in dem beschrieben ist, wie unter bestimmten Auflagen eine Baumaßnahme mit dem Schutz der Fledermäuse vereinbar ist. In Reichshof sieht man das indessen anders. „Aus unserer Sicht gibt es keine Möglichkeit, den Bau einer Forensik zu realisieren, ohne den Naturschutz zu verletzen“, meint Gennies.
Was das Gemeindeoberhaupt zudem erheblich stört, ist eine Erklärung auf der Homepage des Ministeriums. Dort heißt es, dass es für eine erfolgreiche Therapie im Maßregelvollzug besser sei, die Patienten in größeren Orten wieder in ein gesellschaftliches Umfeld zu integrieren. „Wenn ich das lese, frage ich mich wirklich, was eine Forensik in einer dünn besiedelten Region wie der unsrigen soll. Dann müsste ein möglicher Standort eher in Richtung Bonn angesiedelt werden und nicht weit draußen in der Prärie“, so Gennies. Angesprochen auf diese Passage heißt es aus dem Ministerium lediglich, dass sich die Fläche in Reichshof auch unter Würdigung dieses Kriteriums als „die beste der vorhandenen Alternativen" erwiesen habe.
Gespräche hat es zwischen Gemeinde und Ministerium schon länger nicht mehr gegeben. Auch hier verweist man in Düsseldorf auf das prioritär behandelte 2. Ausbauprogramm. In dessen Rahmen wird derzeit für 80 Millionen Euro eine Forensik im westfälischen Hörstel bis Anfang 2023 gebaut. Hörstel war der einzige der fünf ausgewählten Standorte, an dem es nicht zu massivem Widerstand der Bevölkerung gekommen war.
Für das anstehende Jahr hat Gennies vor allem einen Wunsch: Endlich Klarheit, so dass die Hängepartie eben kein zehnjähriges Jubiläum feiert. „Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass eine Forensik in unserer Gemeinde nichts zu suchen hat und wollen handlungsfähig in Richtung des Regionale-Projekts werden.“
KOMMENTARE
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Frage: Wie wichtig wären das Große Mausohr und der Naturschutz allgemein, wenn am Standort nicht eine forensische Klinik, sondern ein Gewerbegebiet angesiedelt werden sollte?
J. aus M., 17.01.2022, 08:00 Uhr2
Antwort: Das Große Mausohr hat auch vorher keinen Interessiert!
T.aus G., 20.01.2022, 12:36 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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