LOKALMIX
Gastronomie: „Die Lage ist bei vielen dramatisch“
Oberberg – Nicht ausgezahlte Überbrückungshilfen und massive Umsatzeinbrüche – Viele Gastronomen stehen vor dem finanziellen Kollaps – DEHOGA fordert Strategien von der Politik.
Von Peter Notbohm
Auf den Homepages vieler oberbergischer Restaurants wird momentan für „Essen ToGo“ geworben. Häufig findet man auch spezielle Weihnachtsangebote, damit die Menschen das Festessen, das sie sonst im Lokal gemeinsam mit der Familie genossen hätten, zumindest am heimischen Esstisch servieren können. Es ist der verzweifelte Versuch vieler Gastronomiebetriebe, überhaupt noch Umsatz zu generieren, denn seit Beginn des Lockdown Light Anfang November dürfen sie keine Gäste mehr vor Ort bewirten, auch die von der Bundesregierung versprochenen Novemberhilfen lassen vielerorts auf sich warten.
Uwe Reinhold, der mit seiner Frau Christina den Landgasthof Reinhold in Lieberhausen betreibt, gehört zu den 'Glücklichen', denen die Überbrückungshilfen bereits ausgezahlt wurden - Probleme hat aber auch er. Reinhold ist stellvertretender Vorsitzender für den Kreis Oberberg im Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA-Nordrhein. Sein Landgasthof gehört zur Gastronomie Gemeinschaft Gummersbach (GGG), einer Interessengemeinschaft, in der sich viele Gummersbacher Gastronomen zusammengeschlossen haben. Als „verheerend“ beschreibt das Ehepaar die aktuelle Lage. Reinhold selbst habe mit Umsatzeinbrüchen von 90 Prozent zu kämpfen, vielen seiner Kollegen ginge es kaum besser. Das Weihnachtsgeschäft – üblicherweise die lukrativste Phase des Jahres - fällt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie nahezu vollständig ins Wasser. „Mit dem bisschen Außer-Haus-Verkauf bekommt niemand die Verluste aufgefangen“, berichtet er.
Richtig dramatisch werde die Lage aber durch die ausbleibenden Novemberhilfen. Laut übereinstimmenden Medienberichten können bundesweit viele Überbrückungshilfen vermutlich erst im Januar ausgezahlt werden – Grund ist die ausstehende Fertigstellung eines Software-Tools. Auch für das Kurzarbeitergeld müssen viele Arbeitgeber in Vorleistung gehen, gleichzeitig wurden aber Verbindlichkeiten, Gehälter und Mieten am 30. November fällig. Rücklagen – sofern überhaupt vorhanden - seien durch den Lockdown im Frühjahr längst aufgebraucht, neue haben viele Gastwirte im Sommer kaum bilden können. Zweieinhalb Monate mit kaum oder gar nicht eingehenden Geldern können nur die Wenigsten verkraften.
Der Landgasthof Reinhold werde zwar irgendwie durch den Lockdown Light kommen, ist sich das Ehepaar sicher, sie sorgen sich aber um viele ihrer Kollegen. „Vielen geht die aktuelle Situation massiv an die Psyche, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen soll. In manchen Gesprächen bekommt man Angst, dass die Leute sich etwas antun“, sagt Christina Reinhold und befürchtet, dass viele Existenzen auf der Strecke bleiben werden. In den sozialen Medien hat sie ihrem Frust freien Lauf gelassen, der 'Hilferuf' auf Facebook wurde mehrfach geteilt.
Unverständnis herrscht vor allem, warum die Hilfen diesmal auf sich warten lassen, denn im ersten Lockdown sei dies noch problemlos vonstattengegangen, so Reinhold. Auch an den oberbergischen Bundestagsabgeordneten Carsten Brodesser habe man einen Brandbrief geschrieben, denn dass die Betriebe Mitte Januar wieder Gäste empfangen dürfen, damit rechnet kaum noch jemand. „Wir sind uns in der GGG weitgehend einig, dass wir vermutlich vor März keine Erlaubnis bekommen werden, wieder komplett aufzumachen“, sagt das Ehepaar. Der Politik machen sie – bei allem Verständnis für den Schutz der Gesundheit – vor allem den Vorwurf, den Sommer verschlafen zu haben: „Was innerhalb von fünf Monaten verpennt wurde, soll nun innerhalb weniger Wochen durchgeboxt werden“, so Uwe Reinhold.
DEHOGA Nordrhein sieht „harten“ Lockdown unumgänglich
Der DEHOGA Nordrhein begrüßt die von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) angekündigten Maßnahmen, wonach ein „harter“ Lockdown unmittelbar bevorstehe, fordert parallel aber eine mittel- und langfristige Strategie. „Aus Sicht des DEHOGA Nordrhein ist der harte Lockdown unvermeidlich. Die Zeit der Appelle und der Salami-Scheiben-Taktik“ muss vorbei, um auch unserer Branche eine baldige Chance auf Eröffnung zu geben“, sagt Christoph Becker, Geschäftsführer des DEHOGA Nordrhein. Aus seiner Sicht muss am Sonntag eine klare und deutliche Entscheidung fallen, die bundesweit einheitlich gilt und von allen Bundesländern getragen wird.
Für das Gastgewerbe erwarte man keine weiteren gesetzlichen Eingriffe durch die Verschärfungen. Take-away und Lieferdienste waren bereits im ersten Lockdown im Frühjahr möglich, Hotels blieben für bestimmte Gästegruppen ebenfalls geöffnet – das müsse auch in den Wochen eines erneuten Lockdowns möglich sein. Der Verband vermisse allerdings eine politische Diskussion darüber, wie es im Frühjahr weitergehen soll: „Wir haben bereits mehrfach betont, dass unsere Branche nicht wie ein Lichtschalter bedient werden kann. Wir erwarten - und appellieren an die Politik - dringend eine mittel- bis langfristige Strategie, damit unsere Branche eine Überlebenschance bekommt“, so Becker.
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