LOKALMIX

Kinderärztemangel spitzt sich zu

ks; 04.11.2021, 15:15 Uhr
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Foto: Julio César Velásquez Mejía auf Pixabay
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Kinderärztemangel spitzt sich zu

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ks; 04.11.2021, 15:15 Uhr
Oberberg – Oberbergs Pädiater arbeiten am Rande ihrer Belastungsgrenze – Nachwuchs wird dringend gesucht.

Der Mangel an Kinderärzten in Oberberg verschärft sich zusehends. Während vor einigen Jahren im Kreisgebiet noch mehr als 19 Pädiater praktizierten, seien derzeit nur dreizehneinhalb Stellen besetzt. Am gravierendsten sei die Situation in der Kreisstadt: wo der Bevölkerung einst drei Praxen zur Verfügung standen, wird die medizinische Versorgung der Jüngsten bald womöglich nur noch von einer niedergelassenen Ärztin gewährleistet. Auf Nachfrage bei der Niederlassungsberatungsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein habe der Waldbröler Kinderarzt Uwe Nothnick nur recht wenige Informationen erhalten: „Es soll wohl eine neue Stelle geben. Sobald diese Stelle vergeben ist, gilt der Versorgungsgrad offiziell als stabil. Das ist ein bisschen makaber.“

 

Die Arbeitsbelastung der oberbergischen Kinderärzte sei auch laut Ralph Krolewski, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Oberbergischer Kreis, auf einem extrem hohen Niveau – und habe sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft: „Die Ärzte versorgen immer mehr Patienten. Derzeit haben wir eine große Zahl an infektkranken Kindern.“ Darüber hinaus würden zahlreiche Kinder im Zusammenhang mit den coronabedingten Einschränkungen unter gesundheitlichen und psychischen Folgen leiden. Tagtäglich kämen die Pädiater damit auf zwölf bis 14 Arbeitsstunden. „Vielen jüngeren Kollegen ist diese Arbeitsbelastung zu hoch. Sie gehen dann lieber in eine Großstadt“, weiß Nothnick, der dabei auch an die 30 zusätzlichen Schichten zur Aufrechterhaltung des kinderärztlichen Notdienstes denkt.

 

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Andernorts sei die Situation noch problematischer. „Zu mir kommen sogar Patienten aus Wissen und Ruppichteroth. Wenn die Leute mit ihren kranken Kindern vor der Tür stehen, dann weisen wir sie nicht ab – und das wissen sie“, sagt Nothnick. Früher habe er sich noch mit seinen Kollegen austauschen können; heute fehle ihm dafür schlichtweg die Zeit: „Ich weiß nicht einmal, wie es denen geht.“ Für seine Praxis sucht Nothnick nach zwei jüngeren Pädiatern. Erhalten habe er die Bewerbung einer 71-jährigen Kollegin.

 

Insgesamt sei die Altersstruktur der oberbergischen Kinderärzte laut Krolewski als hoch zu bezeichnen – viele Kollegen seien dem Rentenalter nahe oder könnten längst in den Ruhestand gehen. Nach dem plötzlichen Tod einer Gummersbacher Kinderärztin wird ihre Praxis in Derschlag derzeit von Eckhard Pretel, dem ehemaligen Chefarzt der Gummersbacher Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, geführt. Mit seinen fast 80 Jahren könnte sich der Pädiater längst zur Ruhe setzen – doch Nachwuchs sei laut Nothnick schwer zu finden: „In den nächsten fünf Jahren brauchen wir vier Nachfolger. Aber Einzelpraxen zu besetzen, scheint das Allerschwierigste zu sein.“

 

Als größten Fehler bezeichnet der Waldbröler Kinderarzt die massive Studentenreduzierung nach der Wiedervereinigung: „Wir hatten damals schon zu wenige Ärzte in den Kliniken.“ Diese Unterversorgung und das damit hohe Arbeitspensum zerre an den Kräften der Mediziner. „Die gesundheitlichen Risiken für Ärzte sind nicht unbedeutend“, ist Krolewski überzeugt. Dem schließt sich auch Nothnick an, der befürchtet, dass die Ärzte im extremsten Fall bei oder nach der Arbeit plötzlich und verfrüht versterben: „Das hat es bereits zweimal gegeben, ebenso wie ein Burnout.“ Sollte sich an dem Ärztemangel nichts ändern, rechnet Krolewski mit einer Versorgungskatastrophe: Neue Patienten müssten dann abgewiesen werden, um bestehende Patienten behandeln zu können.

 

Erste Initiativen lassen die Mediziner nun auf einen Wandel hoffen. So verpflichten sich einige Studierende über die Landarztquote zu einer Tätigkeit als Hausarzt fernab von urbanen Zentren. Nothnick hält dieses Programm für sinnvoll, wenngleich es eine derartige Quote (noch) nicht für Kinderärzte gebe. Auch die von der KV im September unter dem Motto „Raus aus der Klinik – rein in die Praxis!“ veranstaltete „Landpartie“ für angestellte Ärzte sowie Ärzte in Weiterbildung, bei der sich auch der Oberbergische Kreis vorgestellt hat, biete das Potential, künftig Ärzte für die Region zu gewinnen. Außerdem hofft Nothnick, dass sich Jungdoktoren im Rahmen ihrer Facharztausbildung künftig häufiger für eine zweijährige Assistenzstelle in Praxen entscheiden würden: „Wir brauchen ganz dringend Nachwuchs, vor allem in der Kreisstadt.“

 

Aufgrund des Numerus Clausus musste auch Nothnick einen Umweg übers Ausland gehen: „Ich habe die ersten Semester in Gent studiert.“ Seine Entscheidung, die Gemeinschaftspraxis in Waldbröl vor 29 Jahren zu übernehmen, hat der Mediziner nie bereut. Zusammen mit seinen Kollegen habe er rund 56.000 Patienten versorgt. Nothnick erwartet einen Wandel weg von Einzelpraxen hin zu Gemeinschaftspraxen. Für seine eigene Praxis hat er mittlerweile zwei junge Kolleginnen ins Auge gefasst und hofft, dass sie sich für eine Tätigkeit in Waldbröl entscheiden: „Die Arbeit macht nicht nur Sinn, sondern auch Spaß. Uns Kinderärzten wird so viel Liebe und Zuneigung entgegengebracht, wie sonst kaum in der Medizin.“

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