LOKALMIX
In Gedenken an die Wipperfürther NS-Opfer
Wipperfürth – Am Hausmannsplatz wurde gestern ein Mahnmal zur Erinnerung an die Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft enthüllt.
Wenn man über den Hausmannsplatz in Wipperfürth geht, dann dürfte einem dort ein neues Denkmal ins Auge fallen. Recht klein ist es, doch umso größer seine Wirkung. Angebracht wurde es an einer Ecke der Außenseite der Firma Radium. Auf rotem Untergrund, der einem Gesicht gleichkommt, blicken einem zwei bronzene Augen entgegen. Ums Eck prangt ein Ohr. Unter den Augen steht auf einer Inschrift: „Wer Unrecht sieht oder von ihm hört, sollte nicht schweigen, sondern handeln.“ Erinnern soll das Denkmal an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die es auch in Wipperfürth gab.
Gestern Nachmittag wurde das neue Denkmal auf dem Hausmannsplatz enthüllt. Bürgermeisterin Anne Loth machte in ihrer Ansprache deutlich, wie wichtig es ist, auch 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges an das Ende von Unterdrückung, Verfolgung und Krieg in Europa zu erinnern, das Geschehene nicht zu vergessen und für den Schutz von Demokratie und Frieden einzutreten – und das insbesondere in einer Zeit, in der extremistische Kräfte erstarken. Wichtig sei auch, dass sich gerade diejenigen mit der Geschichte auseinandersetzen, die die NS-Herrschaft nicht erlebt haben.
Auch in Wipperfürth seien der Bürgermeisterin zufolge Menschen verfolgt worden – zum Beispiel, weil sie in einer sogenannten Mischehe gelebt haben oder als politisch unzuverlässig galten, weil sie Juden geholfen und sogenannte Regimegegner unterstützt haben. Wer geholfen hat oder helfen wollte, konnte verfolgt und inhaftiert werden. „Einige Menschen haben dieses Risiko auf sich genommen und sich selbst in Gefahr gebracht. […] Auch das wissen wir aus den Recherchen hier vor Ort“, sagte Loth.
Den Anstoß zu einem derartigen Denkmal in Wipperfürth hat Friedhelm Alfter gegeben. 2021 formulierte er eine Bürgeranregung und darin den Auftrag, die Schicksale der Wipperfürther NS-Opfer aufzuarbeiten. „Aus diesem Auftrag sind mittlerweile über vier Jahre Recherchearbeit in verschiedenen Archiven geworden“, sagte Anne Loth, die dabei insbesondere der Stadtarchivarin Sarah Zeppenfeld dankte, aber auch den Mitgliedern des Arbeitskreises NS-Opfer, die nicht zuletzt die Geschichten der in Wipperfürth Verfolgten aufarbeiten.
Neben den 44 Frauen, die am 9. Juni 1942 aus dem ehemaligen Liebfrauenkloster in Kreuzberg deportiert worden sind (OA berichtete), sind mittlerweile auch weitere Fälle bekannt. Sarah Zeppenfeld sprach von bis zu zehn Personen, auf die sie im Rahmen der bisherigen Recherche gestoßen sei. Abgeschlossen seien ihre Nachforschungen aber noch nicht. Geplant sei, an dem Mahnmal noch einen QR-Code anzubringen. Darüber sollen Interessierte künftig mit ihrem Handy direkt auf die Geschichten der Wipperfürther NS-Opfer zugreifen können.
Gestaltet wurde das neue Denkmal von dem Wipperfürther Künstler Michael Wittschier. Die Idee dazu sei ihm eines Morgens gekommen, als er in sein Spiegelbild blickte, mit dem Rasierer in der Hand. Und so wie der Künstler selbst vor seinem Spiegelbild stand, so steht man als Betrachter vor dem Mahnmal – auf Augenhöhe, von Angesicht zu Angesicht. In seiner plastischen Arbeit habe er die Perspektive eines anonymen Zeugen gestaltet, der etwas sieht oder hört, aber nichts dazu sagt. Den Betrachter fordert Michael Wittschier dazu auf, genau das Gegenteil zu tun und sich für seine Mitmenschen einzusetzen.
Zahlreiche Menschen waren am Nachmittag zur Enthüllung des Mahnmals auf den Hausmannsplatz gekommen, darunter auch Vertreter aus der Politik und aus den Schulen und dabei insbesondere Teilnehmer der AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ des Engelbert-von-Berg-Gymnasiums. Für musikalische Beiträge sorgte das Querflöten-Ensemble der Musikschule. Nach der Enthüllung nutzten viele die Gelegenheit, sich direkt vor das Denkmal zu stellen und für einen Moment in die Augen zu blicken. Das dürfte für viele ein Bild gewesen sein, das sie nicht vergessen werden.
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