LOKALMIX

Innenstädte bleiben im Weihnachtsgeschäft sonntags leer

lw, ls; 12.11.2020, 16:20 Uhr
Foto: Leif Schmittgen --- An verkaufsoffenen Sonntagen während der Weihnachtszeit in der Vergangenheit durften die Einzelhändler mit guten Umsätzen rechnen. Dieses Jahr sind aufgrund der Pandemie und einer unsicheren Rechtslage kaum Aktionen geplant.
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Innenstädte bleiben im Weihnachtsgeschäft sonntags leer

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lw, ls; 12.11.2020, 16:20 Uhr
Oberberg – In den Städten und Gemeinden im Kreis wird weitgehend auf verkaufsoffene Sonntage verzichtet – Unsichere Rechtsgrundlage – Klage von Verdi läuft.

Von Leif Schmittgen und Lars Weber

 

Eigentlich war alles vorbereitet in der Hückeswagener Innenstadt für den verkaufsoffenen Sonntag am Wochenende. Ein kleiner Trost für die Händler, musste der Martinsmarkt aufgrund der Pandemie doch abgesagt werden. Doch der Martinsmarkt war der eigentliche Anlass für den verkaufsoffenen Sonntag. Also erreichte Rathaus und Händler am Donnerstag davor die Information, dass die Gewerkschaft Verdi sich an das Oberverwaltungsgericht gewandt hatte – und am Freitag recht bekam. Ebenfalls am Donnerstag reichte Verdi eine Normenkontrollklage gegen Sonntagsöffnungen in der Coronaverordnung ein (siehe Der Standpunkt von Verdi). Ein Urteil steht noch aus. Wie stellen sich die Händler im Oberbergischen nun für das Weihnachtsgeschäft auf? OA hat nachgefragt.

 

Bernd Lammert, Sprecher der Werbegemeinschaft in Hückeswagen, wird auch mit ein paar Tagen Abstand noch sauer, wenn er an die Absage des verkaufsoffenen Sonntags denkt. „Gerade auch die zeitliche Abfolge war provokant. Verdi wusste doch schon länger, dass das stattfinden sollte.“ So waren alle Plakate und Flyer gedruckt, die Händler haben umsonst Geld in die Hand genommen. Dass am selben Sonntag die Geschäfte in der Kölner Großstadt öffnen durften, stößt bei ihm auf Unverständnis, schließlich kommen dort viel mehr Menschen zusammen.

 

Die Mitarbeiter hätten nichts dagegen einzuwenden gehabt, sonntags zu arbeiten. Sie gehörten bei den kleinen Einzelhändlern in Hückeswagen zur Familie, sagt Lammert. Es gehe nicht um Überlastung. „Sie wollen etwas zurückgeben für den Lockdown im Frühjahr, wo sie bei vollen Bezügen nicht arbeiten durften.“ Außerdem hätten die Mitarbeiter natürlich einen freien Tag für ihre Arbeit bekommen.

 

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Letztlich geht es auch um die Existenz. „Mit dem Weihnachtsgeschäft wollen wir versuchen unsere Jahresbilanz zu retten, mehr ist nicht mehr drin.“ Am 6. Dezember ist ein weiterer verkaufsoffener Sonntag geplant, eigentlich abgesichert und genehmigt. Sicher ist sich Lammert aber nicht mehr. Für die Aktion Verdis zeigt er kein Verständnis. „Die weggebrochenen Stellen bei Karstadt werden betrauert. Aber so provozieren sie ein Sterben kleiner Einzelhändler.“

 

Auch der Vorsitzende des Aktivkreises Ründeroth, Sebastian Gissinger, hat kein Verständnis für den Verdi-Aufruf in Coronazeiten. „Ich finde, dass jeder Händler selbst entscheiden soll, ob er sein Ladengeschäft öffnet“, sagt er im Bezug auf die prekäre Lage der Einzelhändler. Würden „normale Zeiten herrschen, könne er die Forderungen zumindest teilweise nachvollziehen. Der Onlinehandel profitiere enorm durch die Pandemie, weshalb er die Arbeitnehmer in die Pflicht nimmt. „Man sollte sich überlegen, dass durch Mehrarbeit auch die eigene berufliche Existenz gesichert wird“, hat Gissinger eine klare Haltung. Er betreibt im Ort eine Apotheke und erhielt in den vergangenen Monaten sehr viel Unterstützung seiner Angestellten. „Da hat niemand gemurrt“. In den nächsten Tagen möchte er eine Umfrage bei den Aktivkreis-Mitgliedern starten, ob Interesse an einer Sonntagsöffnung besteht: „Sollte das der Fall sein, werden die Arbeitgeber sicherlich tragbare Lösungen für ihre Mitarbeiter finden“, so Gissinger.

 

Der Vereinschef von GMerleben, dem Verein zur Interessenvertretung der Einzelhändler in Gummersbach, Hansjörg Mecke, ist bei dem Verdi-Vorstoß zwiegespalten. Für seine Mitglieder aus vielen Branchen kämpft er dafür, dass diese ihre Geschäfte sonntags öffnen dürfen. „Viele haben zusätzlichen Umsatz in Coronazeiten bitternötig“, weiß er aus etlichen Gesprächen. Auf der anderen Seite zeigt er Verständnis für die Arbeitnehmer. „Dass zusätzliche Arbeit nicht überall gut ankommt, ist nachvollziehbar“. Und das entspricht auch seiner privaten Meinung. „Die Menschen brauchen einen freien Tag, um zur Ruhe zu kommen und bei ihren Hobbys Ausgleich zu finden“, sagt der Optiker.

 

Ein zusätzliches Problem bei einer möglichen Ladenöffnung sei der fehlende Eventcharakter. „Gepaart mit größeren Veranstaltungen macht das Einkaufen mehr Freude.“ In Gummersbach hatte man zwar mit der Planung von Aktionen begonnen, diese aber aufgrund der steigenden Infektionszahlen zunächst auf Eis gelegt. Falls die Geschäfte öffnen dürfen, was Mecke nicht glaubt, werde man sich mit Spontanaktionen in den einzelnen Geschäften beteiligen. „Ob die Geschäfte dann wirklich öffnen, soll die Entscheidung jedes Einzelnen sein“, meint Mecke. Prinzipiell hofft er darauf, dass es in Zukunft - wie bisher - vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr gibt.

 

In Wiehl startet das Weihnachtsgeschäft heute mit der Late-Night-Shopping-Aktion, bei der man an einigen ausgewählten Donnerstagen bis 21 Uhr einkaufen kann (nächster Termin: 10. Dezember). Dr. Jörg Sachse, Vorsitzender des Wiehler Rings, dass sich die Einzelhändler bewusst für eine solche Aktion und gegen verkaufsoffene Sonntage entschieden. Zum einen, weil die Rechtslage sehr unsicher sei. „Vor allem aber ist es aufgrund der aktuellen Situation die vernünftigere und angemessene Lösung.“ Ein großes Zusatzgeschäft erwarteten die Händler dabei nicht, sondern sie wollen das Einkaufen entspannter gestalten und entzerren. Das hinge auch aufgrund der Baustellen- und dadurch der Parkplatzsituation rund um den Weiherplatz zusammen. Für die Aktion Verdis hat auch Sachse „null Verständnis“. „Das sind unsere Innenstädte, die in Gefahr sind.“ Bei vielen Geschäften stehe sogar nur der Inhaber hinter der Ladentheke.

 

„Wir hatten einen verkaufsoffenen Sonntag angemeldet“, sagt Sebastian Barth, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Einkaufsstadt Waldbröl. Es sei aber sofort eine Klageandrohung von Verdi gekommen. „Da haben wir das gelassen.“ Stattdessen überlegten die Einzelhändler an einer Einkaufsnacht vor dem ersten Advent. „Nach Gesprächen mit dem Ordnungsamt haben wir aber dann zusammen entschieden, auch das nicht zu machen.“ Man wolle nicht das Risiko eingehen, dass sich wegen einer solchen Veranstaltung Infektionszahlen erhöhen. „Das Weihnachtsgeschäft ist nun natürlich eine Herausforderung, die jeder Händler eher für sich meistert.“ Dabei sieht Barth auch ohne spezielle Veranstaltungen Vorteile für kleinere Städte. „Viele Menschen wollen gerade nicht überfüllten Großstädten einkaufen, außerdem schätzen sie die Beratung hier.“

 

Der Standpunkt von Verdi

 

Mit dem Angebot der Sonntagsöffnung während der Weihnachtszeit ist von der Landesregierung NRW beabsichtigt worden, „im Interesse des Infektionsschutzes den Kundenandrang zu entzerren“. Öffnungen sollen zwischen 13 bis 18 Uhr am 29. November, am 6., 13. Und 20. Dezember sowie am 3. Januar möglich sein.

 

Dagegen hat Verdi vergangene Woche Normenkontrollklage eingereicht. „Sonntagsöffnungen führen nicht zu einer Entzerrung von Kundenströmen, sondern zu einer Konzentration auf das Wochenende. Das ist bei steigenden Infektionszahlen völlig verantwortungslos“, so Verdi-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt. Das Oberverwaltungsgericht hatte laut Verdi bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Coronaschutzverordnung am 1. Oktober erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit verkaufsoffener Sonntage ohne Anlassbezug über die Coronaschutzverordnung angemeldet. Verdi führt aus, dass der Gesundheitsschutz der Beschäftigten und der Kunden in der Pandemie im Vordergrund stehe. Zudem möchte die Gewerkschaft die Beschäftigten vor einer Überbelastung schützen.

KOMMENTARE

1

Ganz sicher sind Sonntagsöffnungen während der Weihnachtszeit keinesfalls im Interesse des Infektionsschutzes. Ministerpräsident Laschet widerspricht sich selbst einmal mehr; wie lässt sich das mit seinem Aufruf "Bleiben Sie zu Hause" vereinbaren? Oder nimmt das Virus im "Weihnachtsmonat" eine Auszeit?? Ich hoffe - und gehe davon aus - dass ver.di "gewinnt".

Cornelia Lang, 12.11.2020, 17:30 Uhr
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Die Innen"Stadt" ist doch sonst auch leer...

HH, 12.11.2020, 18:27 Uhr
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Wie ist es mit dem aktuellen Lockdown und der Aufforderung, doch zu Hause zu bleiben vereinbar, dass ein großes Gartencenter einen Adventsmarkt mit ganzseitigen Anzeigen bewirbt. Im Freien findet aktuell kein Weihnachtsmarkt statt, weil sich alle Veranstalter außer Stande sehen, die Auflagen der aktuellen Corona-Schutzverordnung zu erfüllen. Ein Gartencenter aber schafft das mit links? Der Ansturm dort dürfte insbesondere an den Wochenden enorm sein. Wer kontrolliert dort die Einhaltung aller aktuellen Vorgaben? Stellt das Ordnungsamt der Stadt Gummersbach eigens Mitarbeiter dafür ab? Wie fühlen sich die anderen Gewerbetreibenden, die alle alle Kraft in die erforderlichen Hygienemaßnahmen investieren, die aber trotzdem nicht öffnen dürfen? Ist dies nicht ein Schlag ins Gesicht?

Hartmut Livrée, 15.11.2020, 17:48 Uhr
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